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Die Apotheken müssen bei der Einführung des E-Rezeptes mitziehen.

© Bernd Wüstneck/dpa

Digitalisierung in der Medizin: 2022 kommt das E-Rezept - aber fast niemand weiß davon

Anfang nächsten Jahres soll das E-Rezept eingeführt werden – die meisten Menschen haben davon noch nie gehört. Doch es bringt große Veränderungen mit sich.

Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar unter 1017 Bürgern im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zeigen: In der Bevölkerung ist das E-Rezept vielen noch unbekannt. 63 Prozent der Befragten gaben an, überhaupt noch nichts darüber gehört zu haben.

Lediglich 17 Prozent haben in diesem Jahr nach eigener Aussage etwas davon mitbekommen. Und über den Zeitplan zur Einführung weiß – wenige Monate vor der flächendeckenden Einführung – so gut wie niemand Bescheid. Ganze 95 Prozent der Befragten kennen den Starttermin zum kommenden Jahreswechsel nicht.

Alle Akteure im Gesundheitswesen müssten noch viel Aufklärungsarbeit leisten, sagt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. „Die Apotheken wollen und werden dazu beitragen, dass das E-Rezept funktioniert und ein Meilenstein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens wird.“ Der Bedarf zeigt sich auch an den „Hauptinformationsquellen für das E-Rezept“.

Laut Umfrage haben 69 Prozent der Befragten, die bereits etwas über das E-Rezept erfahren haben, ihre Informationen aus den Medien. Lediglich 18 Prozent haben ihre Infos von den Krankenkassen – bei Arztpraxen (13 Prozent) und Apotheken (11 Prozent) liegen die Werte noch darunter.

Das Interesse wird größer werden

Die ABDA gibt sich allerdings trotz der deutlichen Umfrage-Ergebnisse gelassen. Je näher die Einführung des E-Rezeptes rücke, desto größer werde das Interesse an der digitalen Neuerung sein, ist ihr Sprecher überzeugt, und vor der Pflichteinführung werde die ABDA dann auch ihre Kommunikations-Kampagne intensivieren.

Vergangene Woche beauftragte die halbstaatliche Betreibergesellschaft der Telematik-Infrastruktur Gematik außerdem die Telekom mit der Service-Hotline für das E-Rezept. Darüber sollen Versicherte künftig bei Fragen zum elektronischen Rezept und zur Anwendung der E-Rezept-App der Gematik beraten werden. Partner für das User-Help- Desk der Telekom ist das Unternehmen Capita Customer Service.

Schon in drei Wochen beginnt eine Testphase in der Fokusregion Berlin-Brandenburg. Bis zu 120 Apotheker:innen und bis zu 50 (Zahn-)Ärzt:innen aus Praxen und Kliniken sollen ab 1. Juli gemeinsam mit den Patient:innen den Prozess von der Rezeptausstellung bis zur Abrechnung in der Versorgungspraxis testen.

Die Ergebnisse sollen wissenschaftlich evaluiert werden. Begleitet werden die Testenden vom Berliner Apotheker-Verein, dem Apothekerverband Brandenburg, dem Deutsche Apothekerverband und der Gematik. Deren App wird ab Juli im Google Play-, dem App-Store sowie der Huawei AppGallery zum Download bereitstehen.

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Während in der App-Testphase der reibungslose Ablauf der Startfunktionalitäten getestet wird, soll laut Gematik noch in der zweiten Jahreshälfte das gleichzeitige Anfragen der Verfügbarkeit eines Arzneimittels bei bis zu drei Apotheken integriert werden. Weiterhin geplant ist unter anderem eine Anmeldefunktion für mehrere elektronische Gesundheitskarten, um E-Rezepte für die ganze Familie in der App empfangen und verwalten zu können. Drei Monate später, ab 1. Oktober, sollen Ärzt:innen und Apotheker:innen das E-Rezept bundesweit als freiwillige Anwendung nutzen können, sofern die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Dann können schrittweise auch alle gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland das E-Rezept nutzen.

Gefahr von Manipulationsversuchen

Der offizielle Pflicht-Startschuss für das E-Rezept fällt dann am 1. Januar 2022, wenn die Nutzung des E-Rezepts bei der Verordnung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln über die gesetzliche Krankenversicherung die Regel sein wird. Bis zum bundesweiten Pflichtbetrieb sollen alle Offizien an die IT angeschlossen sein, derzeit sind es nach ABDA-Angaben 90 Prozent.

Das E-Rezept werde möglicherweise auch digitale Angebote fördern, mit denen Patient:innen beeinflusst werden könnten, sagte die ABDA-Präsidentin. Die bundeseinheitliche E-Rezept-App der Gematik werde nämlich eine Schnittstelle zu anderen Anwendungen haben. „Manipulationsversuchen, um Verordnungen in bestimmte Kanäle zu lenken, muss verlässlich und entschieden entgegengetreten werden“, drängte Overwiening.

Unterschiede bei den Altersgruppen

Es gebe „zunehmend mehr Kombinationsangebote im Netz von ärztlichen und apothekerlichen Diensten“, die einer „Umgehung der ärztlichen Verschreibungspflicht bei Arzneimitteln“ dienten und zugleich über die Zuweisung von Rezepten direkt an Versender die freie Apothekenwahl gefährdeten.

Die Einführung des E-Rezeptes könne diese „besorgniserregende Tendenz verstärken“, warnte die Verbandschefin. Sie forderte deshalb „ein klares Bekenntnis der Politik zum Verbraucherschutz“ und damit auch zur Trennung von Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln.

Bei der geplanten Nutzung des E-Rezepts zeigen sich deutliche Unterschiede in den Altersgruppen. Bei den unter 50-Jährigen sind 53 bis 55 Prozent der Befragten gewillt, das E-Rezept über die App zu versenden. Ältere Befragte wollen hingegen deutlich häufiger das Rezept in ausgedruckter Form mitnehmen.

Als wichtigsten Vorteil des E-Rezepts nennen die Befragten den Umweltschutz durch Papiereinsparung (69 Prozent). 53 Prozent erwarten zudem einen komfortableren Prozess, 50 Prozent eine „unkomplizierte Kommunikation“. 39 Prozent glauben, mit dem E-Rezept schneller an das entsprechende Medikament kommen zu können.

13 Prozent sehen keine Vorteile gegenüber dem bisherigen rosa Papierrezept. Dieses soll künftig Patienten nur noch auf Wunsch ausgestellt werden oder bei Störfällen der IT. Als größten Nachteil nennen 48 Prozent der Befragten „weniger Beratung in der Apotheke“, gefolgt von der Befürchtung von „Datenschutzproblemen“ (46 Prozent) und „weniger sozialen Kontakten“ (38 Prozent).

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