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Hand drauf. Die Bundesregierung will Deutschland bei der Künstlichen Intelligenz (KI) an die Weltspitze führen, derzeit liegen jedoch China und die USA im internationalen Wettlauf vorne. Foto: Ole Spata/dpa

© dpa

Digitalisierung: Die deutsche Strategie zur Künstlichen Intelligenz

Die Bundesregierung will Deutschland zum Weltmarktführer für Künstliche Intelligenz machen. Die wesentlichen Probleme sind erkannt.

Ob Angela Merkel (CDU) einen MP-3-Player besitzt, ist nicht bekannt. Doch das Abspielgerät ist für die Kanzlerin ein mahnendes Beispiel: 1982 war die Technik von einer Gruppe um den deutschen Forscher Karlheinz Brandenburg am Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelt worden – das große Geschäft machten dann aber Unternehmen in Asien. Diese Geschichte soll sich nicht wiederholen, sagte Merkel kürzlich auf einer Konferenz. Vor allem, weil es dieses Mal um eine Technologie geht, die alle Lebensbereiche nachhaltig verändern wird: Künstliche Intelligenz (KI).

Ende des Jahres will die Bundesregierung eine Strategie verabschieden, mit der Deutschland zum „weltweit führenden Standort für KI“ gemacht werden soll. Am Mittwoch wurden die Eckpunkte der Strategie im Kabinett beraten.

Bei KI geht es um autonom fahrende Autos, Sprachassistenten und lernfähige Maschinen, um Kaufvorschläge im Online-Shop, die Kalkulation von Kredit-Ausfallrisiken oder Apps, die analysieren können, ob der Leberfleck auffällig oder harmlos ist. Es geht um Daten – und um ein Milliardengeschäft.

SPD ist noch schnell dazu gekommen

Federführend für die Ausarbeitung der Strategie waren ursprünglich die beiden unionsgeführten Ministerien für Wirtschaft und Forschung, seit wenigen Tagen ist nun auch das Ministerium für Arbeit und Soziales mit an Bord. Gerade noch rechtzeitig ist der SPD offenbar aufgefallen, dass sie das Zukunftsthema mitgestalten möchte.

Elf Einzelziele und zwölf wichtige Handlungsfelder sind als Eckpunkte festgehalten, die nun zu einer KI-Strategie ausgearbeitet werden. Diese ist dann wiederum Teil der Digitalstrategie, die Ende November vom Kabinett verabschiedet werden soll. Das bedeutet, von den Eckpunkten bis zur Finalisierung bleiben noch etwa vier Monate.

Aus den Eckpunkten ist bereits abzulesen, dass die Regierung das wesentliche Problem erkannt hat. Die KI-Forschung in Deutschland ist bereits jetzt führend in Bereichen wie Robotik, doch hapert es am Transfer in die Wirtschaft. Sprich: Aus klugen Forschungsergebnissen werden bisher zu selten erfolgsversprechende Geschäftsmodelle, was stark an die MP-3-Player-Pleite erinnert.

Das liegt auch daran, dass Deutschland stark mittelständisch geprägt ist. Kleinere Unternehmen sind weniger risikobereit als Konzerne wie Google oder Facebook. Denen tut es nicht weh, ein paar Millionen beim Test von KI-Anwendungen zu versenken.

Die Bundesregierung will deshalb kleinen und mittleren Unternehmen leichter Zugang zu KI-Technologien ermöglichen, ebenso sollen sie beim Aufbau von Rechnerkapazitäten und Plattformen zum Datenaustausch gefördert werden. Eine Agentur für „Sprunginnovationen“ soll Forschungsergebnisse dahin überprüfen, wo sie wie anwendbar sein könnten. Wer diese Agentur führt und wie sie ausgestattet sein wird, steht allerdings noch nicht fest.

Wichtig sind wettbewerbsfähige Gehälter

Vom Tisch ist das im Koalitionsvertrag noch vorgesehene deutsch-französische KI-Zentrum, dessen Aufbau sich wohl über mehrere Jahre hingezogen hätte. Statt eines physischen Gebäudes soll nun ein Netzwerk aufgebaut und die Zusammenarbeit zwischen den Forschungsinstituten intensiviert werden.

Der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland soll für KI-Expertinnen und -Experten so attraktiv werden, dass die „weltweit klügsten Köpfe“ angezogen und gehalten werden. Dafür braucht es neben attraktiven Arbeitsbedingungen auch wettbewerbsfähige Gehälter – in den USA haben große Tech-Firmen schon halbe KI-Labore von öffentlichen Forschungseinrichtungen aufgekauft. 500 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium bisher in KI-Förderung gesteckt – in den vergangenen 30 Jahren. Zwar sollen die Ausgaben nun erhöht werden, aber um welchen Betrag, steht noch nicht fest. Zwischen 100 und 300 Millionen Euro sollen es pro Jahr sein. Frankreich investiert derweil fast zwei Milliarden Euro in KI-Forschung, China ein Vielfaches, um die Volksrepublik bis 2030 zur führenden KI-Nation zu machen.

Doch während dort Datenschutz keine Rolle spielt, will die Regierung hierzulande ein neues Gütesiegel etablieren, das eine „verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte“ Nutzung von KI meint: „Artificial Intelligence made in Germany“ – ob es noch erfolgreicher sein wird wie einst der MP-3-Player, muss sich zeigen.

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