zum Hauptinhalt
Problemfall Diesel: Gerichte haben für mehrere Großstädte - darunter Hamburg, Stuttgart und Frankfurt - Dieselfahrverbote angeordnet. Weitere Städte dürften folgen. Politik und Industrie suchen einen Ausweg.

© Matthias Balk/dpa

Update

Dieselgipfel im Kanzleramt: Zäher Kampf für saubere Luft und gegen Fahrverbote

Im Kanzleramt haben Bundesregierung und die Chefs der großen Autobauer über die Zukunft des Dieselmotors beraten. Doch der sei kaum retten, sagen Fachleute.

Bei der Frage, wie man den Betrieb von Dieselfahrzeugen regelt, geht es um viele Milliarden Euro, ein paar Millionen Wählerstimmen – und am Ende womöglich auch um Tausende Industriearbeitsplätze. In diesem Bewusstsein beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihr Stellvertreter Olaf Scholz (SPD) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seit Sonntagnachmittag mit den Spitzenvertretern der führenden deutschen Autokonzerne Volkswagen, BMW und Daimler im Kanzleramt. Die Leitfrage: Wie lässt sich der Ausstoß von Stickoxiden (NOx) in Großstädten möglichst schnell und nachhaltig senken, um so gerichtlich angeordnete Fahrverbote noch abzuwenden?

Es ist ein komplexes Thema. Entsprechend verständigten sich Autobauer und Koalition bei diesem „Diesel-Gipfel“ dann auch lediglich darauf darauf, Hardware-Nachrüstungen an älteren Dieselautos ausloten zu wollen. „Jetzt wird innerhalb der Bundesregierung weiter gesprochen, und die einzelnen Automobilhersteller werden das Gleiche tun“, sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, nach dem Treffen.

Schon vor Beginn des "Diesel-Gipfels" war klar: Es wird nicht das letzte Spitzentreffen dieser Art gewesen sein. Das Problem ist zu komplex und die Zeit drängt – vor allem für die Regierungsparteien im Bund. Sie müssen fürchten, dass sie bei den anstehenden Landtagswahlen in Bayern am 14. Oktober und Hessen (28. Oktober) von Hunderttausenden Haltern von Dieselfahrzeugen an der Wahlurne dafür abgestraft werden, dass sie bald nicht mehr in die Zentren der größten deutschen Städte fahren dürfen.

Zuletzt hatte ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden für Frankfurt am Main den politischen Handlungsdruck erhöht. Es ordnete Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge der Euro-4-Norm ab dem 1. Februar 2019 an. Etwas jüngere Modelle, die immerhin die Euro-5-Norm erfüllen, dürfen ab 1. September 2019 nicht in die hessischen Metropole fahren. In Hamburg gibt es bereits auf einem vielbefahrenen Straßenabschnitt ein Diesel-Fahrverbot. Und das besonders belastete Stuttgart muss ein Verbot zum 1. Januar einführen, beschloss ein Gericht.

Hessens wahlkämpfender Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte jetzt: „Wir wollen, dass die Bundesregierung die Voraussetzung schafft, dass für Dieselfahrzeuge eine Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Hersteller erfolgen kann“. Damit schwenkt er auf die Position seines grünen Koalitionspartners und großer Teile der SPD ein, die sich nicht mit der bisher von der Industrie angebotenen kleinen Lösung nicht zufrieden geben. Bisher boten die Hersteller nur kostengünstige Software-Updates für die Motorsteuerung und Umtauschprämien in Höhe von einigen Tausend Euro an. Nach gängiger Experteneinschätzung würden Hardware-Umbauten die Hersteller mit rund 3000 Euro pro Fahrzeug kosten – was angesichts von insgesamt 15,8 Millionen zugelassenen Dieselfahrzeugen auch für die Weltkonzerne VW, BMW und Daimler zum Problem werden könnte – und für deren Arbeitsplätze.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht am Sonntag (24. September 2018) ins Bundeskanzleramt zum Treffen mit Vertretern der Autoindustrie.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht am Sonntag (24. September 2018) ins Bundeskanzleramt zum Treffen mit Vertretern der Autoindustrie.

© Britta Pedersen/dpa

Das wiederum ist vor allem in den beiden Ländern, wo im Oktober gewählt wird, ein Thema: In Bayern produzieren BMW und die VW-Tochter Audi. Hessen beherbergt zum Beispiel das Stammwerk Rüsselsheim des Autobauers Opel, der auch getroffen wäre, wenngleich er mittlerweile dem französischen PSA-Konzern gehört und nicht im Zentrum des Diesel-Skandals stand.

Unbestätigten Angaben zufolge soll sich Kanzlerin Merkel für eine teure Herstellerpflicht zur Hardware-Nachrüstung entschieden haben. Diese hatte ihr Verkehrsminister Scheuer (CSU) bisher unbedingt vermeiden wollen und auf Anreize gesetzt, die mehr Diesel-Halter als bisher zum Kauf neuerer – saubererer – Modelle motivieren sollen.

Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag, begrüßte am Sonntag Merkels angebliche Festlegung auf Hardware-Nachrüstungen. „Ich bin aber gespannt, ob die Initiative der Kanzlerin auch noch nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern weiterverfolgt wird.“ Das sei jetzt die nächste Machtprobe zwischen der Kanzlerin und der CSU, diesmal mit Verkehrsminister Scheuer. Dessen Widerstand sei „nicht nachvollziehbar“.

Doch egal ob Hardware-Lösung, Kaufanreize – oder beide Instrumente: Sie dürften die Luftqualität nicht schnell und drastisch senken. Eine Umtauschprämie würde im optimistischen Fall lediglich eine Minderung der Stickoxid-Belastung um weniger als einen Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bringen, heißt es in einem Papier des Umweltbundesamts, aus dem die Deutsche Presse-Agentur zitierte. Das sei verschwindend gering im Vergleich zur Gesamtbelastung, die etwa in München 2017 im Jahresmittel bei 78 Mikrogramm lag.

Und die Hardware-Nachrüstungen wurde bisher nur für Fahrzeuge der Euro-5-Norm diskutiert. Sie war Pflicht für Fahrzeuge, die zwischen Januar 2011 und September 2015 erstmals zugelassen worden sind. 5,6 Millionen Diesel dieser Generation fahren noch auf den Straßen. „Das fast größere Problem sind aber die Euro-6-Diesel, auch weil sie noch mehr als zehn Jahre auf unseren Straßen fahren werden“, schreibt Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen in einer aktuellen Analyse. 80 Prozent der 4,6 Millionen jüngeren Diesel, die die Euro-6-Norm erfüllen, würden im normalen Fahrbetrieb deutlich mehr Stickoxide ausstoßen, als erlaubt.

Zur Startseite