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Wirtschaft: Die Stromkonzerne sind auf Einkaufstour

Vor der Liberalisierung der Märkte wird zugegriffen / Riesige Summen stehen zur VerfügungVON ANDREAS HOFFMANNEs war bei einem Auftritt in Frankfurt (Main), als Ulrich Hartmann so richtig ins Schwärmen geriet.Bei einem Vortrag im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten malte der Vorstandsvorsitzende des Mischkonzerns Veba die Zukunft der Bewag in den schönsten Farben, wenn sein Konzern das Aktienpaket an dem Berliner Stromversorger erst erworben habe.

Vor der Liberalisierung der Märkte wird zugegriffen / Riesige Summen stehen zur VerfügungVON ANDREAS HOFFMANN

Es war bei einem Auftritt in Frankfurt (Main), als Ulrich Hartmann so richtig ins Schwärmen geriet.Bei einem Vortrag im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten malte der Vorstandsvorsitzende des Mischkonzerns Veba die Zukunft der Bewag in den schönsten Farben, wenn sein Konzern das Aktienpaket an dem Berliner Stromversorger erst erworben habe.Da die Veba im sogenannten Speckgürtel um Berlin gut positioniert sei, könne sie der Bewag zu "energiewirtschaftlichen Verhältnissen verhelfen, die einmalig sind", sagte er. Oder auch nicht.Am meisten profitieren dürften die Düsseldorfer.Schon jetzt beherrscht die Veba über ihre 100prozentige Tochter Preussenelektra (Preag) "nahezu monopolartig" ­ wie der Autor Rüdiger Liedtke schreibt ­ die gesamte Stromversorgung Norddeutschlands.Dabei sind auch die Bewag-Nachbarn Ose in Frankurt (Oder) sowie die Mevag in Potsdam und nicht zu vergessen der 26,5prozentige Anteil an der Veag, die Ostdeutschland versorgt und Vorlieferant für die Bewag ist.Ein Brancheninsider fürchtet für die Berliner daher Nachteile durch den Einstieg der Preag: "Preussenelektra kann doch jetzt jede Expansion der Bewag ins Umland unterbinden." Das gehört wohl zum Stück, das derzeit in der Branche wieder mal aufgeführt wird und den Namen "Stromopoly" trägt.Mitspieler sind immer die gleichen großen Namen, wie RWE, Viag oder Veba.Sie gehen auf Einkaufstour, schließlich suchen ihre milliardenschweren Monopolgewinne nach Anlagemöglichkeiten.Allein die RWE (Umsatz 65,4 Mrd.DM, 132 000 Beschäftigte) verfügt über ein Liquiditätspolster von 23,4 Mrd.DM.Besonders rührig ist in letzter Zeit die Veba-Tochter Preag.Neben dem Bewag-Zukauf legte sie sich im Rahmen eines Konsortiums den größten Wasserversorger Niedersachsens zu, die Harzwasserwerke, stieg mit 12,5 Prozent und über einer halben Mrd.DM bei den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) ein, kaufte mit der Ruhrgas eine Beteiligung an dem lettischen Gasversorger Latvijas Gaze und erwarb einen 10prozentigen Anteil an dem sechstgrößten Schweizer Energieversorger, der BKW FMB Energie AG in Bern.Insgesamt will der Mutterkonzern Veba (Umsatz 74,5 Mrd.DM, 122 000 Arbeitnehmer) bis zum Jahr 2001 12 Mrd.DM für die Stromsparte springen lassen, vor allem für Verteil-Netze. Und die Konkurrenz kauft mit.Der zweite mögliche Eigner eines Bewagpakets, das Bayernwerk ­ eine Tochter der Münchner Mischkonzern Viag (Umsatz 42,5 Mrd.DM, 88 000 Beschäftigte) ­ will dem Essener Stromriesen RWE dessen Beteiligung an den Isar-Amperwerken abluchsen.Dafür bieten sie im Gegenzug ihren Thyssengas-Anteil an.Gleichzeitig stiegen die Münchner bei der schweizerischen Elektrowatt-Gruppe ein und flirten mit dem künftigen baden-württembergischen Einheitsstrom-Konzern EVS-Badenwerk.Viag-Boss Georg Obermeier bekundete bei Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder vorsorglich sein Interesse, wenn das Land seinen 30 Prozent-Anteil an der neuen Gesellschaft verkaufen will.Insgesamt möchte Obermeier 15 Mrd.DM in den nächsten Jahren investieren, vor allem in die Sparten Energie und Telekommunikation. Und dann ist da noch jenes Essener Unternehmen namens RWE.Der größte deutsche Stromriese sicherte sich vor kurzem über einen 20-Prozent-Anteil an der schweizerischen Motor-Columbus einen Zugriff auf die Aare Tessin (Atel), einen der wichtigsten Schweizer Energieversorger.Daneben erwerben die Essener noch Versorger im Osten Europas. Natürlich finden sich Gründe für die Einkaufstour der Stromkonzerne.Beispielsweise die Riesensummen, die sie einstreichen.Über 36 Mrd.DM an Gewinnen blieben in den vergangenen sieben Jahren in den Bilanzen hängen.Dazu kommen gewaltige Rückstellungen für Entsorgungskosten, also wenn die Firmen verstrahlte Atomkraftwerke irgendwann einmal abreißen oder ein nukleares Endlager bezahlen müssen.Über 45 Mrd.DM sollen die Unternehmen in den vergangenen Jahren zurückgelegt haben, weitere 22 Mrd.DM kommen in den nächsten Jahren vermutlich dazu.Und bevor diese Entsorgungskosten anfallen, können die Firmen einige dieser Milliarden anlegen. Möglicherweise treiben die Konzernherren noch andere Gründe um.Brüssel will auf den Energiemärkten Wettbewerb zulassen.So könnten die schönen Gewinne wegschmilzen, wenn die Strompreise fallen.Die deutschen Kunden zahlen immerhin mit am meisten.Eine entsprechende EU-Richtlinie müssen die einzelnen Staaten bis Ende 1999 umsetzen; Bonn hat dafür eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vorgelegt, die bis Mitte des Jahres die parlamentarischen Hürden gemeistert haben soll, hofft etwa Wirtschaftsminister Günter Rexrodt.Angesichts des nahenden Wettbewerbs, so heißt es gern, wappnen sich deshalb die Stromkonzerne und kaufen ein.Nur ob der Wettbewerb wirklich kommt, ist unklar.Zwar will Rexrodt mit seiner Vorlage die Gebietsmonopole der Stromkonzerne aufknacken ­ die Kunden sollen künftig ihren Stromversorger wählen können ­ doch es gibt einen entscheidenden Nachteil: Das Leitungsnetz gehört den Konzernen, sie können also Konkurrenten den Zugang erschweren. Für den schleswig-holsteinische Energieminister Claus Möller ist das so, als ob "der Firma Daimler-Benz alle deutschen Autobahnen gehören würden und sie frei darüber entscheiden dürfte, zu welchen Gebühren andere Autos darauf fahren könnten".Vielleicht ist eine Abschreckung der Konkurrenz gar nicht nötig.Schon heute handeln die Länder Europas untereinander mit Strom, Frankreich beispielsweise exportierte 1995 70 Mrd.Kilowattstunden.Nur an hiesige Endverbraucher wagt man sich ungern ­ aus Rücksicht auf die deutschen Stromkonzerne, mit denen die Nachbarn jenseits des Rhein anderorts kooperieren.Als etwa der Chemiekonzern BASF vor einigen Jahren mit dem französischen Staatsmonopolisten Electricitée de France ins Geschäft kommen wollte, winkten die Franzosen ab.

ANDREAS HOFFMANN

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