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Aus der Masse hervorstechen. Wer positiv auffallen möchte, sollte auf Vorlagen aus dem Internet verzichten.

© Getty Images

Die Phrasen-Killer: Wie Ghostwriter beim Bewerbungsschreiben helfen

Wer schreibt schon gern Bewerbungen? Zum Glück gibt es professionelle Texter:innen, die die lästige Pflicht übernehmen. Hier verraten sie ihre Tipps.

Sich mit kurzen, präzisen Sätzen ins rechte Licht zu rücken, fällt vielen Menschen schwer. Besonders dann, wenn viel davon abhängt. Zum Beispiel: ein neuer Job. Da ist es wichtig, keinen Platz für Floskeln wie „Mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung gelesen“ zu verschwenden. „Ich nenne sie ,Phrasen aus der Hölle’“, sagt Melanie Steckelberg. Und sie muss es wissen, denn die 37-Jährige macht beruflich genau das, was viele Menschen hassen: Bewerbungen schreiben.

Melanie Steckelberg ist professionelle Ghostwriterin. Vor sieben Jahren hat sie sich mit ihrer „ Eindrucksschmiede Bewerbungscoaching“ in Bochum selbständig gemacht hat. Ihre Kundinnen und Kunden kommen aus vielen verschiedenen Bereichen. „Vom Schüler bis zum geschäftsführenden Manager ist alles dabei“, sagt sie. Die Wirtschaftspsychologin liest Bewerbungen und berät, was besser werden kann oder erstellt auch neue Unterlagen. Telefonisch führt sie Vorgespräche, um ihre Kundinnen und Kunden besser kennenzulernen.

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Beim Netzwerk LinkedIn recherchieren

Besonders wichtig sei der Einstieg ins Anschreiben, betont die Expertin und empfiehlt, dabei auf belanglose Sätze zu verzichten. Dass man sich bewerben möchte, verstehe sich von selbst. Viel spannender seien Informationen über berufliche Erfahrungen oder Persönlichkeitsmerkmale, die einen auszeichnen.

Auch Bilal Zafar rät davon ab, solche Standardsätze zu verwenden: „Das ist ja kein Formular, das man bei einer Behörde abgibt.“ Auf bestimmte Projekte oder Besonderheiten des potenziellen Arbeitgebers einzugehen, sei viel interessanter, sagt der Geschäftsführer der Online-Plattform richtiggutbewerben.de. Zafar empfiehlt, beispielsweise beim Netzwerk LinkedIn nachzuschauen, womit die jeweiligen Ansprechpersonen beschäftigt sind. Selbst eine kurze Recherche helfe häufig, in einem Stapel an Bewerbungen positiv aufzufallen.

Auf Zafars Plattform erstellt ein Team von Texterinnen und Textern neue Bewerbungsunterlagen. Das kostet zwischen 100 und 160 Euro. Unter den monatlich etwa 1000 sehr unterschiedlichen Kundinnen und Kunden seien ebenso Auszubildende, bei denen die Eltern zahlen, wie auch Ärztinnen und Ärzte, sagt Zafar.

Infos über Grundschule und Kinder weglassen

Aber funktioniert das, Bewerbungen für andere zu schreiben? Laut Zafar kann es hilfreich sein, wenn eine außenstehende Person überlegt, welche Fähigkeiten und Kenntnisse und Qualifikationen es herauszustellen lohnt – ohne dabei zu übertreiben. „Wir machen aus einem Menschen nicht einen anderen“, sagt er.

Bei Lebensläufen sollte man nicht nur Arbeitsstellen auflisten, sondern auch die konkreten Aufgaben, die man hatte, aufschreiben. Weglassen hingegen könne man Informationen über Grundschule, Familienstand und Kinder. „Das interessiert niemanden“, sagt Zafar. Dass man mit dem Internet umgehen könne, werde vorausgesetzt.

Relevante berufliche Stationen und Qualifikationen sollten jedoch erwähnt werden, rät Melanie Steckelberg. „Dass der Lebenslauf nicht länger als zwei Seiten sein darf, ist ein Trugschluss.“ Ein 50-Jähriger, der in vielen Unternehmen gearbeitet hat, habe nun einmal mehr zu berichten als ein Schüler. Die Bewerbungsberaterin ermutigt außerdem, sich von formalen Vorgaben und Vorlagen aus dem Internet zu lösen. „Die sind Standard. Und Standard ist immer doof.“

Fragen zur Familienplanung nicht beantworten

Bevor sie Ghostwriterin für Bewerbungen wurde, hat Melanie Steckelberg selbst beruflich viel ausprobiert – zuerst eine Ausbildung als bekleidungstechnische Assistentin. „Dann habe ich gemerkt, dass es in dieser Branche kaum Arbeit gibt.“ Also arbeitete sie später im Schichtbetrieb bei einer Fast-Food-Kette, holte ihr Abitur nach und absolvierte ein Wirtschaftspsychologiestudium.

Ihr Ziel war, Personalmanager zu beraten, um dafür zu sorgen, dass bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern die Qualifikation im Mittelpunkt stehe. „Oft geht es nach persönlichen Vorlieben, die keine Rolle spielen sollten“, sagt sie. Privat fotografierte sie gerne und wurde deshalb häufiger nach Bewerbungsfotos gefragt. Nach und nach wechselte sie die Seite und beriet fortan immer mehr Bewerberinnen und Bewerber.

Diskriminierung in Auswahlprozessen sei nach wie vor ein Problem, beklagt Steckelberg. Frauen würden häufig benachteiligt, wenn potenzielle Arbeitgeber einen Kinderwunsch vermuten. „Nach der Familienplanung darf aber nicht gefragt werden“, sagt sie. Und wenn es doch passiert, müsse man nicht wahrheitsgemäß antworten.

Auf Diskriminierung achten und sich dagegen wehren

Auch mit Namen, die nicht deutsch klingen, hätten es viele Menschen schwer, sagt Bilal Zafar. „Ich habe selbst einen Migrationshintergrund und konnte deshalb vieles lernen, was ich jetzt weitergeben kann.“ Viele in Deutschland geborene Menschen würden bei Deutschkenntnissen „sehr gut“ in ihren Lebenslauf schreiben. „Dabei sind sie Muttersprachler. Man kann doch auch mehrere Muttersprachen haben.“

Bewerbungsfotos brauche es vor allem bei internationalen Firmen nicht mehr. In vielen deutschen Betrieben werde immer noch eines erwartet, sagt Steckelberg. Sie hoffe, dass sich das ändert, damit das Diskriminierungspotenzial sinkt. „Wenn es nach mir ginge, gäbe es nur anonyme Bewerbungen ohne Angaben zu Alter, Geschlecht und Herkunft.“

Auch Bilal Zafar meint, dass Bewerbungen in der aktuellen Form bald passé sein werden. „In fünf bis zehn Jahren wird unsere Branche überflüssig sein.“

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