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Für Unilever sollten Influencer sich mit einer Flasche Coral fotografieren. Viele Fans hat das aber nicht überzeugt.

© Instagram

Die Einflüsterer: Konzerne lieben Influencer

Im Netz empfehlen Internet-Promis ihren Fans Produkte und lassen sich dafür bezahlen. Konzerne schichten dafür bereits ihre Werbebudgets um.

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Die Fotos könnten auch aus einem Hochglanzmagazin stammen. Man sieht grüne Wälder, ein verliebtes Paar und vor allem: einen weißen Sportwagen. So bebildert die 28-jährige Anna-Lea Costa den Wochenendausflug mit ihrem Verlobten (inzwischen Ehemann) in den Schwarzwald. Mal sitzt sie hinterm Steuern, mal lehnt sie an der Motorhaube, mal holt sie ihr Gepäck aus dem Kofferraum. In ihrem Blogeintrag schreibt Costa, wie schön es war, „mit dem neuen Porsche Macan S die Serpentinen des Schwarzwaldes ganz komfortabel entlang zu fahren“. Belohnt wird sie dafür mit Kommentaren. Susa schreibt: „Super schöne Bilder und ein richtig tolles Auto – das würde auch hervorragend in meine Garage passen.“ Christina ist neidisch: „Wie gerne ich mit einem Porsche rumdüsen würde.“ Etwas versteckt zwischen Text und Kommentaren findet man ein Sternchen. „In friendly collaboration with Porsche“ steht da, „mit freundlicher Unterstützung von Porsche“.

Denn Anna-Lea Costa ist nicht nur Bloggerin. Sie ist eine Influencerin. So nennt man Menschen, die in sozialen Netzwerken so viele Fans haben, dass sie für Konzerne als Werbepartner interessant werden. Influencer veröffentlichen im Netz Bilder aus ihrem Leben, zeigen Outfits oder geben Schminktipps, laden Fotos vom Sport oder aus dem Urlaub hoch. Zu sehen sind dabei immer wieder Markenprodukte: Schmuck, teure Handtaschen, Kosmetikartikel, Autos. Was im besten Fall wie Zufall wirkt, ist ein lukratives Geschäft. Für beide Seiten.

Viele Konzerne arbeiten mit Influencern zusammen

Konzerne von VW bis dm, von Unilever bis Thomas Cook, von Zalando bis Olympus arbeiten inzwischen regelmäßig mit Influencern zusammen. Sie stellen ihnen ihre Produkte zur Verfügung, lassen sie neue Autos, Kameras und Waschmittel testen oder schicken sie auf Reisen. Die Konzerne hoffen, so junge Internetnutzer anzusprechen, die Videos auf Youtube schauen und Fotos bei der Plattform Instagram hochladen – und die klassische Werbung einfach wegklicken. Influencer wie Costa sollen den Konzernen deshalb helfen, die Produkte bei ihren Fans zu platzieren. So heißt es beim Autobauer Porsche dann zum Beispiel auch: „Wir sprechen so Zielgruppen an, die wir auf klassischem Wege nicht mehr oder kaum noch erreichen.“

Costa, die im Internet unter dem Nutzernamen FashionHippieLoves unterwegs ist, führt auf ihrem Blog und ihren Fotos bei Instagram zum Beispiel auch ein neues Smartphone vor. Sie posiert mit einer Sofortbildkamera und testet für eine Kosmetikmarke Lippenstift und Lidschatten. Sie bewirbt eine Champagner-Marke ebenso wie ein Gel zur Zahnaufhellung. Dass das klar Werbung ist, findet sie nicht schlimm. „Ich kaufe selbst auch schon mal Sachen nach, weil eine meiner Lieblingsbloggerinnen sie trägt“, sagt Costa. Auch ihrem Account tut es keinen Abbruch. Über 900.000 Nutzer folgen ihr bei Instagram, ihre Fotos werden tausendfach kommentiert, egal ob sie werblich sind oder nicht.

Manche kassieren für ein Instagram tausende Euro

Zur Influencerin ist die 28-Jährige durch Zufall geworden. Früher war sie Kranken- und Altenpflegerin, hat lange nur in ihrer Freizeit über Mode gebloggt. Vor ein paar Jahren kamen dann jedoch erste Konzerne auf sie zu, boten ihr ihre Produkte an und wollten sie dafür bezahlen, dass sie diese auf ihren Fotos zeigt. Inzwischen kann sie davon leben. Ihren Job als Pflegerin hat sie aufgegeben. Wie viel sie als Influencerin im Monat verdient, was die Unternehmen ihr pro Foto zahlen, will sie lieber nicht sagen. Dafür ist die Konkurrenz zu groß.

Klar ist aber: Die Konzerne lassen sich eine Zusammenarbeit mit Influencern mittlerweile einiges kosten. Vor allem dann, wenn die im Netz viele Fans haben. Bianca Heinicke zum Beispiel, die unter dem Nutzernamen Bibisbeautypalace unter anderem Schminktipps gibt, hat auf der Videoplattform Youtube 4,6 Millionen Abonnenten, bei Instagram folgen ihr 5,4 Millionen Nutzer. Ein Foto von ihr soll deshalb bereits einen Werbewert von 27 000 Euro haben.

Die Unternehmen schichten ihre Werbebudgets um

Weil das nicht billig ist, schichten manche Konzerne ihre Werbebudgets um. Weltweit sollen sich Konzerne die Unterstützung der Einflüsterer 2016 bereits zwei Milliarden Euro kosten lassen haben. Glaubt man Experten, könnte das Volumen 2019 bereits bei fünf Milliarden Euro liegen. „Influencer Marketing hat sich im Laufe der letzten Jahre schnell etabliert“, heißt es etwa beim Konsumgüterkonzern Unilever. „Diese Art zu werben wird auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.“ Schon jetzt geben 70 Prozent der deutschen Unternehmen an, ein Budget für Influencer zu haben.

Nur warum? Die Konzerne nennen als Begründung immer wieder: Glaubwürdigkeit. Wenn das eigene Idol ein Produkt benutzt oder auch nur anpreist, kann es so schlecht nicht sein – das ist der Hintergedanke. Waren es früher vor allem Schauspieler, Sportler oder Sänger, an denen sich gerade jüngere Konsumenten orientiert haben, sind es heute eben Youtuber oder Instagram-Stars.

Influencer bringen eigenen Markenprodukte heraus

Dabei müssen die Konzerne allerdings aufpassen, dass die ihnen am Ende nicht Konkurrenz machen und eigene Produkte auf den Markt bringen. Wie das geht, haben die Schwestern Samantha und Nicola Chapman vorgemacht. 2007 starteten die Britinnen einen Youtube-Kanal und zeigten in Videoclips SchminkTipps. Ganz nebenbei warben sie dabei für Lidschatten, Lippenstift oder Rouge bekannter Kosmetikmarken. Zehn Jahre später haben die Schwestern nicht nur zwei Millionen Abonnenten bei Youtube, sondern auch ihre eigene Marke für Make-up-Pinsel aufgebaut.

Um es so weit nicht kommen zu lassen, bringen Konzerne deshalb inzwischen einzelne Produkte gleich zusammen mit Influencern heraus. Die Kosmetikmarke Mac lässt sie ihren eigenen Lippenstift kreieren. Die Unterwäschefirma Calzedonia hat mit Influencern eine Kollektion von Netzstrumpfhosen herausgebracht. Und der Berliner Brillenhersteller Mister Spex lässt Fashionbloggerinnen ihre eigenen Brillen entwerfen. Die Aktion im letzten Jahr hat sich für das Unternehmen ausgezahlt. „Teilweise waren die Produkte innerhalb von wenigen Wochen ausverkauft“, sagt eine Sprecherin. Noch in diesem Monat kommt deshalb die nächste Blogger-Brillen-Kollektion heraus. Die Internet-Sternchen sucht das Unternehmen dabei ganz gezielt aus. „Uns geht es auch nicht darum, mit möglichst vielen Bloggern zusammenzuarbeiten, sondern vor allem mit solchen, die gut zu uns und unserer Marke passen.“

Kontrollieren können die Konzerne das Ergebnis nicht

Wie wichtig das ist, zeigt das Beispiel von Unilever. Der Konsumgüterkonzern hat Influencer im Sommer mit Coral-Waschmittel versorgt – mit dem Arbeitsauftrag: Sie sollten es in einer untypischen Umgebung inszenieren. „Das war offensichtlich für viele ungewohnt“, räumt eine Sprecherin ein. Viele Influencer schossen über das Ziel hinaus, fotografierten sich mit dem Waschmittel zum Teil sogar im Bett. Bei den Fans kam das nicht gut an, viele schrieben belustigte Kommentare. „Schlimmstes Beispiel für peinlich gestellte und null authentische Werbung“, schreibt einer, „langsam nervt es“, ein anderer.

Das zeigt, wie eine Internet-Kampagne auch schnell schiefgehen kann. Ohnehin glauben manche Experten nicht, dass der Trend zur Influencer Werbung sich ewig fortsetzen wird. Der ehemalige RocketManager und Marketing-Experte Luis Hanemann meint zum Beispiel: „Influencer-Marketing ist ein vorübergehender Hype.“ Schon heute würden sich etliche Probleme zeigen: Einige Influencer hielten sich nicht an Verhaltensregeln, andere verheimlichten ihren Fans, dass ihre Posts gesponsert seien. Er rechne damit, dass die Branche entweder bald gesetzlichen Regelungen unterstellt werde – oder dass die Werbebranche selbst eingreife, wenn sie erkenne, dass Influencer keinen Wert schafften.

Bloggerin Anna-Lea Costa kennzeichnet ihre Beiträge, wenn sie gesponsort sind. Sie habe keine Lust, Post vom Anwalt zu bekommen, sagt sie. Außerdem versucht sie, nicht zu viel Werbung zu machen. Auf einen gekauften Beitrag folgen ein paar Fotos, für die sie kein Geld bekommen hat. Ihr Erfolg hat sie selbst überrascht: „Als ich vor neun Jahren meinen Blog gestartet habe, hätte ich niemals gedacht, dass ich davon einmal leben könnte.“

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