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Die Datenmsammler: Here in den Straßen von Berlin

Der Kartenspezialist Here, ein Tochterunternehmen von Nokia, aktualisiert seine Geodaten von Berlin. Dazu fahren Spezialautos durch die Stadt.

In diesen Tagen fährt ein Auto durch Kreuzberg, das auffällt. Es ist zwar nur ein mittelblauer Golf Variant, aber auf dem Dach ist ein ungewöhnlicher Aufbau montiert: Vier Kameras mit Fischaugen sind dort angebracht, die in alle Himmelsrichtungen blicken. Obendrauf ist ein GPS-Empfänger mit Gyroskop platziert. Die Kombination aus Satellitensignal und Kreiselinstrument macht es möglich, die Position des Wagens auf einen halben Meter genau zu bestimmen. Dazu kommt noch das Lidar, das mittels Laserstrahl Abstand und Geschwindigkeit misst. Im Auto sitzt ein Fahrer – und ein Rechner. Die Festplatte hat Platz für ein Terabyte Daten, das sind 1024 Gigabyte. „In einer Woche wird sie voll sein“, sagt Wilfried Ness.

Der Kartendetektiv sucht nach verschwundenen Straßen

Das Auto der Karten- und Navigationsfirma Here wird nicht nur durch Kreuzberg fahren, sondern über alle Straßen Berlins innerhalb des S-Bahn-Rings. „Eine strukturierte Befahrung“ nennt Ness das. Er ist Mitglied des regionalen Kartenteams von Here. Man könnte ihn auch Kartendetektiv nennen. Normalerweise sucht Ness nach verschwundenen Straßen. „Überall in Deutschland werden immer wieder Dörfer und Gemeinden zusammengelegt“, erklärt er. Grundsätzlich dürfe es aber in jeder deutschen Gemeinde einen Straßennamen immer nur einmal geben. Berlin ist da eine Ausnahme. Da es aber in fast jedem Ort eine „Dorfstraße“ gebe, müssen immer wieder Straßen umbenannt werden. Nach solchen Straßen mit neuen Namen – und überhaupt nach allem, was an und auf den Straßen neu ist, sucht Ness.

Informationen über Baumaßnahmen stehen auch in der Zeitung

Ihm und seinen Kollegen geht es darum, alle wichtigen Informationen über das Straßennetz zu erfassen, Informationen, die über die Geodaten weit hinausgehen: Verkehrszeichen, Straßenverlauf, Verkehrsdichte, aber auch Standorte von Cafés, Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Einrichtungen oder Supermärkten. Deswegen auch die Fotos. Dabei gehen Ness und seine Kollegen wirklich wie Detektive vor: Sie suchen in Amtsblättern nach Bekanntmachungen über Straßenbauarbeiten, lesen über Baustellen in Zeitungen, recherchieren im Internet – und fahren immer wieder Straßen ab, um Daten direkt vor Ort zu sammeln.

Aus Daten werden Anwendungen

Vor drei Jahren sind sie zuletzt durch Berlin gefahren, diesmal werden sie etwa zwei bis drei Monate brauchen, schätzt Ness. Die Rohdaten werden dann in die USA geschickt, wo sie aufbereitet werden. Am Ende fließen sie ein in Navigationssysteme oder in Apps, die zum Beispiel anzeigen, wo der nächste Geldautomat ist oder die nächste Pizzeria. Da die Daten immer genauer werden und zum Beispiel auch die Höhe von Bordsteinkanten anzeigen können, ließen sich damit zum Beispiel auch Karten für Rollstuhlfahrer oder Mütter mit Kinderwagen erstellen.

In Berlin hat Here knapp 1000 Leute

Weltweit gib es nicht einmal eine Handvoll Unternehmen, die auf diese Weise Geodaten sammeln. Neben Here sind das noch TomTom und Google. Here ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen von Nokia und gehört zu den Bereichen, die die Finnen nicht an Microsoft verkauft haben. Seit Nokia die Handysparte abgegeben hat, kann Here freier agieren. Am Firmensitz bei 52° 31’ 52” N. 13° 23’ 5” E. arbeiten inzwischen knapp 1000 Leute. Für alle, die ohne Navigationssystem dorthin finden wollen: Es ist die Invalidenstraße in Berlin-Mitte. Weltweit beschäftigt Here 6000 Mitarbeiter in 200 Büros in 55 Ländern. Seine Informationen beziehe das Unternehmen von 80 000 Quellen weltweit, sagt Unternehmenssprecher Sebastian Kurme. Das sind nicht nur die eigenen Autos und die Kartendetektive, das können auch Autos mit Online-Navigation, Katasterämter oder Privatleute sein, die über offene Plattformen Informationen einspeisen.

Navigationssysteme sind nur ein Geschäftsfeld

Navigationssysteme für Autos sind ein wichtiges Geschäftsfeld von Here. Vier von fünf Autos aus Westeuropa oder Nordamerika mit fest eingebautem Navigationssystem fahren mit Daten von Here, sagt Kurme. Das Unternehmen verkauft seine Daten aber auch an andere Anbieter, die eigene Angebote daraus entwickeln. Der Routenplaner von Yahoo kommt zum Beispiel von Here. Andere Kunden sind etwa Flottenbetreiber, die ihre Lieferketten mithilfe der Geo- und Verkehrsdaten steuern. Schließlich entwickelt Here aber auch Anwendungen und ortsbezogene Dienste für Privatkunden.

"Wir erfinden Karen neu"

„Wir erfinden Karten neu“, erklärt Kurme. Längst gehe es nicht mehr nur darum, digitale Kopien von Papierkarten zu erstellen. „Wir machen nicht mehr eine Karte für alle, sondern eine Karte für jeden.“ Anders gesagt, die Karten enthalten nicht nur Informationen über Straßen und Gebäude, sondern sind personalisiert und können Empfehlungen geben zu Orten oder Ereignissen in der Nähe, die für einen bestimmten Nutzer interessant sein können. Ein romantisches Restaurant mit Terrasse in Kreuzberg? Bald wird der blaue Golf mit seinen Messgeräten und Kameras die entsprechenden Informationen gesammelt haben. Aber nur wenn die Sonne scheint, denn bei Regen fährt der Wagen nicht. „Da sind schnell Tropfen auf der Linse, das bringt nichts“, sagt Ness.

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