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Deutschland-Kuh: Werbung für Milch, für die deutsche Milchbauern höhere Preise bekommen.

© Imago/Sascha Ditscher

Exklusiv

Die Bauern unterstützen: Union fordert einen Werbebooster für deutsche Lebensmittel

Um den Bauern zu helfen, will die Union die Werbung für deutsche Agrarprodukte im In- und Ausland verstärken. Viele Händler setzen bereits auf deutsche Ware.

Ältere Bundesbürger werden sich noch an diese Slogans erinnern: Sprüche wie „Die Milch macht’s“ oder „Milch ist gegen Maroditis“ sollten die Nation dazu bringen, mehr Milch zu trinken. Obwohl bis heute niemand weiß, was Maroditis eigentlich sein soll, kam das seinerzeit gut an. Junge Männer, die Milch womöglich schon damals uncool fanden, wurden mit dem Bild einer jungen Frau gelockt, die gleich von zwei Männern geküsst wurde. Auf ihrer Schürze stand eindeutig zweideutig: „Ich stehe auf Milch, Bubis.“

Hinter solchen Werbebotschaften steckte die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA). Sie schaltete Kampagnen für Fleisch, Milch, Eier, Obst und Gemüse aus Deutschland. Die Gesellschaft, hinter der 41 Spitzenverbände aus Land- und Ernährungswirtschaft standen, sponserte die „Sportschau“ und warb für deutsche Agrarprodukte im In- und Ausland („Deutschland hat Geschmack“).

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2009 setzte das Bundesverfassungsgericht dem Werbetreiben ein jähes Ende, weil es die Finanzierung für verfassungswidrig erklärte. Die CMA hatte sich über den Umweg eines öffentlich-rechtlichen Absatzfonds über Zwangsabgaben von Betrieben aus Landwirtschaft und Ernährungsindustrie finanziert. Die Gesellschaft löste sich auf.

Union fordert Agrar-Marketingagentur

13 Jahre später kehrt die Idee, mehr Werbung für deutsche Agrarprodukte zu machen, zurück. In der kommenden Woche will die Union einen Antrag in den Bundestag einbringen, der die Gründung einer Agrar-Marketingagentur auf Bundesebene fordert, und der dem Tagesspiegel vorab vorliegt. „Das ist gut investiertes Geld, das unsere Landwirte stärkt und zu mehr regionaler Wertschöpfung führt“, sagte der agrar- und ernährungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, dem Tagesspiegel. „Hochwertige Lebensmittel ‚Made in Germany' müssen besser im In- und Ausland vermarktet werden“, meint der Landwirtschaftsexperte. Als Vorbild könnte Spanien dienen. Dort bewirbt das Landwirtschaftsministerium aktuell gezielt spanische Lebensmittel. Ob Oliven, Trauben oder Schinken aus Spanien - das Ziel ist, den Absatz für heimische Produkte zu fördern. „Das können und müssen wir auch in Deutschland hinbekommen“, sagt Stegemann.

Salat aus Deutschland: Immer häufiger lässt sich das schon auf der Verpackung erkennen.
Salat aus Deutschland: Immer häufiger lässt sich das schon auf der Verpackung erkennen.

© mauritius images / pa / Arno Burgi

Landwirte würden sich über Rückendeckung freuen

Die deutsche Landwirtschaft könnten Rückendeckung gut gebrauchen. Vor allem die Lage der Schweinehalter ist wegen des Importverbots aus China als Folge der in Deutschland grassierenden Afrikanischen Schweinepest desaströs. Aber auch Nicht-Schweinebauern leiden unter Einkommenseinbußen, klagt Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Die Union will den Absatz deutscher Agrarexporte nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland verbessern. „Wir müssen nicht nur Kühlschränke exportieren, sondern auch die dazugehörigen Lebensmittel“, betont Stegemann. Der Export von Agrargütern aus Deutschland konnte in den vergangenen 15 Jahren zwar um rund 120 Prozent gesteigert werden, doch die Coronakrise hat die Exporte geschwächt. Nach Branchenberechnungen sank der Agrarexportanteil im Jahr 2020 um rund 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 78 Milliarden Euro. Das will die Union ändern.

China macht dicht: Wegen der Afrikanischen Schweinepest darf kein deutsches Schweinefleisch ins Land.
China macht dicht: Wegen der Afrikanischen Schweinepest darf kein deutsches Schweinefleisch ins Land.

© dpa/Jan Woitas

Die Bundesregierung, insbesondere Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, müsse weiterhin für die deutsche Agrarwirtschaft Türen öffnen, Marktzugänge zurück erlangen und sich für faire Abkommen einsetzen. „Gerade wirtschaftlich stärkere Drittländer müssen jetzt verstärkt und konsequent in den Fokus genommen werden“, fordert Stegemann.

Dass Fleisch, Milch oder Gemüse aus Deutschland einen Marketingschub vertragen könnten, meint auch die FDP. „Wir brauchen eine Marketingkampagne für Lebensmittel aus Deutschland“, sagte der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, dem Tagesspiegel. „Wir müssen die Verbraucher dafür begeistern, regionale, deutsche Lebensmittel zu kaufen und so die deutschen Bauern zu unterstützen. Auch wenn sie wegen der höheren Standards hierzulande vielleicht teurer sind als billigere Importware.“

Im Bundesagrarministerium verweist man auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten neuen Haltungs- und Herkunftskennzeichnungen. Das neue verbindliche staatliche Tierwohllabel, das bessere Haltungsbedingungen kennzeichnet, soll noch in diesem Jahr kommen.

Milch aus Deutschland: Aldi will bis ab 2024 nur noch heimische Milch verkaufen.
Milch aus Deutschland: Aldi will bis ab 2024 nur noch heimische Milch verkaufen.

© obs

Unterdessen arbeiten Bauern, Weiterverarbeiter und Handel auf Verbandsebene bereits an Absatzprogrammen für deutsche Agrarprodukte im Inland. Große Lebensmittelhänder schaffen längst Tatsachen. Sie wollen deutscher Ware mehr Platz in ihren Läden geben.

So planen Rewe und die Discount-Tochter Penny, dass bereits in diesem Sommer 95 Prozent des konventionellen Schweinefrischfleischs aus Deutschland kommen sollen. Aldi hat angekündigt, dass ab dem vierten Quartal dieses Jahres konventionelles Schweinefleisch zu 100 Prozent „5D“ sein soll: Ferkel, Aufzucht, Mast, Transport, Zerlegung sollen ausschließlich in Deutschland erfolgen. Auch bei der Milch hat der Discounter einen Deutschland-Plan. Bis 2024 soll sie nur aus heimischen Landen kommen. Das dürfte den Milchbauern helfen, wenn auch nicht gegen Maroditis.

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