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Reinigen mit Seifenlauge ja, desinfizieren nein, heißt es bei der BVG.

© Kay Nietfeld/dpa

Deutschland geht anders mit Corona-Risiko um: Bus und Bahnen zu desinfizieren, "können wir nicht leisten"

In China und anderen Ländern werden die Bürger streng kontrolliert, Bahnen regelmäßig desinfiziert. Kann Deutschland es sich erlauben, sich dem zu verstellen?

Während hierzulande laut einer Umfrage nur knapp jeder zweite Bundesbürger für eine Maskenpflicht ist, gehören diese in China zum Alltag. Und das nicht erst seit dem Wiederhochfahren des öffentlichen Lebens nach dem Corona-Lockdown. Die Auflagen der Regierung in Peking gehen aber weit darüber hinaus. Insbesondere im öffentlichen Nahverkehr gelten strenge Regeln, beobachtet Alexander Möller, Senior Partner im Kompetenzzentrum Transportation der Beratung Roland Berger.

So kommt im Reich der Mitte ein von den beiden chinesischen Internetkonzernen Alibaba und Tencent entwickeltes QR-Code-System zum Einsatz. Vor dem Einstieg in Bus oder Bahn müssen die Reisenden ihren persönlichen QR-Code auf dem Smartphone vorzeigen, berichtet Möller. Der markiert – nach der Logik eines Ampelsystems – ob vom Besitzer eine Ansteckungsgefahr ausgeht.

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Nur wer einen grünen Code vorweisen kann, erhält Zutritt. Gelb bedeutet eine Woche, rot zwei Wochen Quarantäne. Wie die Zuschreibung von Grün, Gelb und Rot genau zustande kommt, bleibt vage, einige Angaben müssen die Chinesen selbst machen. Als weiteres Kontrollinstrument werden regelmäßige Temperaturmessungen bei den Reisenden durchgeführt, teilweise müssen Passierscheine aus Papier ausgefüllt werden.

Kontaktverfolgung auch in Russland und Singapur

Dem Beispiel China folgend setzen andere Regierungen ähnliche Instrumente ein. Singapur hat vor rund einem Monat eine Smartphone-App zur Kontaktverfolgung eingeführt, die es den Behörden ermöglichen soll, Personen zu identifizieren, die mit Covid-19-Patienten in Kontakt gekommen sind. Moskau hat ebenfalls ein QR-Code-System und Passierscheine eingeführt, um Bewegungen zu verfolgen und seine Coronavirus-Sperre durchzusetzen. Und auch in Europa wird an einer solchen Lösung gearbeitet, über die allerdings heftig gestritten wird.

Roland-Berger-Berater Möller drängt zu Tempo und Einigkeit: „Die Technologie spielt jetzt eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der Pandemie“, sagt er. „Wir benötigen im Zusammenspiel mit europäischen Datenschutzstandards eine schnelle Antwort auf die Frage, wie sich das digitale Tracking schnell umsetzen lässt.“

In China sind die Maßnahmen gegen das Coronavirus im öffentlichen Nahverkehr deutlich spürbar.
In China sind die Maßnahmen gegen das Coronavirus im öffentlichen Nahverkehr deutlich spürbar.

© AFP

Wie in China werden sich Reisende darüber hinaus auch hierzulande auf längere Wartezeiten einstellen müssen, sobald private Fahrten wieder erlaubt sind, glaubt der Berater. „Wenn der Reiseverkehr wieder zunimmt, nehmen die damit voraussichtlich verbundenen Kontrollen zum Nachverfolgen möglicher Infektionsketten und operative Aufgaben wie Desinfektion zusätzliche Zeit in Anspruch.“

Sowohl den Fahrgästen als auch den Kontrolleuren werde das Geduld abverlangen. Wichtig sei insbesondere, das Fahrpersonal nicht zusätzlich zu belasten. Auch eine zügige und vollständige Digitalisierung des Ticketverkaufs sei nun geboten, um Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Dazu rät auch das Mobility Institute Berlin.

Desinfizieren "können wir nicht leisten"

Den Verkehrsbetreibern rät Möller: „Ob die Fahrgastzahlen wieder das Niveau aus den Zeiten vor der Krise erreichen, wird davon abhängen, ob sich das Vertrauen in den öffentlichen Nahverkehr wieder herstellen lässt.“ Bilder von Menschen in Schutzanzügen, die Züge und Busse rigoros reinigen, wie sie uns aus anderen Ländern erreichen, geben den Reisenden Sicherheit, glaubt der Berater. Zuletzt hatten Verkehrsbetreiber hierzulande solche Maßnahmen ausgeschlossen. Die Bahnen würden gereinigt, aber nicht desinfiziert, hieß es beispielsweise aus Hamburg und Berlin. „Das können wir nicht leisten“, sagte eine BVG-Sprecherin.

Das Hochfahren des öffentlichen Lebens in mehreren Stufen und die damit einhergehenden steigenden Fahrgastzahlen erfordern von den Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern „maximale Flexibilität“, sagt Möller. „Dienst- und Umlaufpläne können so gestaltet werden, dass die Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern sowohl zwischen Fahrgästen als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verkehrsunternehmen möglich ist.“ Neben dem Einsatz von unterschiedlichen Teams zu verschiedenen Zeiten in den Werkstätten könnte über einen versetzten Schulbeginn der verschiedenen Jahrgangsstufen nachgedacht werden, wie ihn auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bereits ins Spiel brachte.

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