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Ein moderner Airbus besteht schon heute zu mehr als 50 Prozent aus textilen Stoffen. Viele davon werden in Deutschland hergestellt.

© AFP

Deutsche Textilindustrie: Der Stoff, aus dem Flugzeuge sind

Stoffe für Flugzeuge, Autositze und Herzschrittmacher: Deutschland ist Weltmarktführer für technische Textilien. Doch wegen hoher Energiekosten könnte sich die Produktion bald ins Ausland verlagern.

Es ist der Händedruck einer Frau, deren Firma 90 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Zupackend, fordernd. Ingeborg Neumann ist Gründerin der Peppermint Gruppe, die ihr Geld mit Textilien macht. Das Image der Branche ist schlecht. Dabei hat die deutsche Textilindustrie wenig zu tun mit Billiglöhnen und Kinderarbeit in Asien. Aus dem 14. Stock im Neuen Kranzlereck in Berlin, wo Neumann ihren Konferenzraum hat, sieht die Welt ein bisschen anders aus. Ein bisschen besser.

„Wenn man nachhaltig wirtschaften will, ist es sinnvoll, die Arbeiter ordentlich zu bezahlen“, sagt Neumann etwas ausweichend. Über die Zustände in Bangladesch und Kambodscha, wo im Akkord einfache Kleidung genäht und geschnitten wird, redet sie nicht so gern. Schlimm sei das. Nur hat sich der deutsche Mittelstand längst aus diesem Marktsegment zurückgezogen. 29 Milliarden Euro setzen deutsche Textilunternehmen im Jahr um. Nur 40 Prozent davon entfallen insgesamt auf das Geschäft mit Kleidung. Nur fünf Milliarden auf die Herstellung. Zusammengenäht wird in Deutschland fast nichts. „Den Anzug, der noch zu 100 Prozent in Deutschland hergestellt wird, gibt es nicht mehr“, sagt Neumann. Der Großteil des Geldes wird mit sogenannten technischen Textilien erwirtschaftet.

Ingeborg Neumann ist Präsidentin des Gesamtverbandes Textil und Mode in Deutschland
Ingeborg Neumann ist Präsidentin des Gesamtverbandes Textil und Mode in Deutschland

© Gesamtverband Textil und Mode

Deutsche Stoffe stecken in Flugzeugen, Autositzen und Herzklappen. „Ein Airbus hatte 1990 noch 17 Prozent textile Fasern, der neueste Airbus mehr als 50 Prozent.“ Ingeborg Neumann sieht da einen Trend. Es ist auch die einzige Chance, auf dem Textilmarkt mitzuhalten. Aufgrund der hohen Lohnkosten in Deutschland kann die Branche kaum auf Masse setzen. Innovation hat Deutschland stattdessen im Bereich technischer Textilien zum Weltmarktführer gemacht. Doch auch dort gibt es bereits Konkurrenz aus Asien. Vor allem Südkorea holt auf. Auch wenn nicht alle Innovationen auch wirklich alltagsfähig sind. „Ob wir in 20 Jahren einen Film auf unserer Kleidung sehen wollen, bezweifle ich“, sagt Neumann. Aber Kleidung, die den Blutdruck messe und den Kreislauf überwache, das sei schon möglich. Fast muss sie das sagen, denn Neumanns Firma Peppermint entwickelt im Bereich Gesundheitswesen und Medizintechnik Lösungen.

Neumann ist aber auch Präsidentin des Gesamtverbandes Textil und Mode in Deutschland und hat als solche die ganze Branche im Blick. Neben der Konkurrenz aus Asien sind es vor allem die steigenden Energiepreise, die den Unternehmen zu schaffen machen. Die EEG-Umlage schmälert das Ergebnis der energieintensiven Branche. „Energie ist so ein Kostenfaktor, und die Unsicherheit ist so groß, dass gewisse Investitionen in Deutschland einfach nicht mehr getätigt werden“, sagt Neumann. Peppermint produziert neben Deutschland auch längst in Rumänien und Tschechien. Andere Unternehmen weichen nach Frankreich aus, wo der Strom ebenfalls günstiger ist. „Made in Germany“ sind dann nur noch Idee und Design.

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