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Einige ICE 3 dürfen vorerst nicht durch lange Tunnel fahren.

© Johannes Hirschlach

Deutsche Bahn: Einige ICE dürfen nicht durch lange Tunnel fahren

Auf fast 500 Streckenabschnitten führten Mängel oft monatelang zu großen Beeinträchtigungen für Bahnfahrer. Nun gibt es Fahrverbote für bestimmte Züge.

Das gut 33.000 Kilometer lange deutsche Schienennetz ist vielerorts in einem beklagenswert schlechten Zustand. Das belegt nun auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP im Bundestag. Demnach gab es im zurückliegenden Jahr bis zum 30. November bundesweit fast 500 Streckenabschnitte, die so große Mängel aufwiesen, dass alle Züge dort meist mehrere Monate langsamer fahren mussten.

Im Schnitt dauere es 92 Tage, bis diese „Langsamfahrstellen“ beseitigt seien, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär und Bahn-Beauftragte der Regierung, Enak Ferlemann. Demnach waren 117 Strecken Ende November noch beeinträchtigt. Die meisten schadhaften Streckenabschnitte wurden in Bayern (128) erfasst, es folgen Schleswig-Holstein (93), Nordrhein-Westfalen (78), Baden-Württemberg (47), Rheinland-Pfalz (34) und Niedersachsen (25).

Als Hauptursachen für die zahlreichen Netzmängel gelten das hohe Alter vieler Bahnanlagen, vernachlässigte Wartung und Instandhaltung sowie Wettereinflüsse. In nicht wenigen Fällen greift das Eisenbahnbundesamt ein und ordnet als Aufsichtsbehörde an, dass Züge langsamer fahren müssen, bis die Schäden an Gleisen, Weichen, Schwellen oder im Schotterbett behoben sind.

Milliarden vom Bund für die Infrastruktur

Verantwortlich für das bundeseigene Schienennetz sind seit der Bahnreform 1994 die Infrastruktur-Töchter der Deutschen Bahn AG (DB Netz AG, DB Station & Service AG und DB Energie AG). Allein von 2020 bis 2024 soll der größte Staatskonzern bis zu 25 Milliarden Euro Steuergeld allein für den Erhalt der Infrastruktur bekommen. Der Bundesrechnungshof hatte Anfang Dezember in einem Sonderbericht den schlechten Netzzustand trotz enorm hoher Bundeszuschüsse kritisiert – und vor massiven Fehlentwicklungen gewarnt. Er forderte die Regierung zu besseren Kontrollen auf.

Für den FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Jung sind die vielen Langsamfahrstellen „ein letztes Alarmsignal für die Bundesregierung und die Verantwortlichen der Deutschen Bahn“. Diese Mängel zeigten, wie marode die Infrastruktur sei. Vermeintlich kleine Details und Abnutzungen könnten Sicherheitsrelevanz bekommen und dann schnell zu Chaos im Personen- und Güterverkehr führen. Das zeigten viele Fälle der letzten Jahre.

Anlass für die Kleine Anfrage des Abgeordneten waren unter anderem die massiven Probleme bei der Zollernbahn zwischen Tübingen und Sigmaringen, die im Südwesten monatelang zu massiven Verspätungen führten. Die Schäden an den Gleisen begründet der Bahnbeauftragte Ferlemann mit der topografischen Lage und den „außergewöhnlichen Witterungsbedingungen“ im Hitzesommer 2018. Nach Angaben der Regierung waren zwischen dem 1. März und dem 5. November dort insgesamt 2239 Züge von den Langsamfahrstellen betroffen.

Baustellen führen zu Verspätungen

Die Verspätungen, die an fünf DB-Betriebsstellen wie Balingen und Dußlingen erfasst wurden und alle Fahrgäste betreffen, summieren sich demnach auf mehr als 6000 Minuten. Die Sanierung der Strecke verzögerte sich offenkundig erheblich. Erst im August wurde demnach „nach dem gehäuften Auftreten der Einschränkungen“ mit der „Planung zur kurzfristigen Beseitigung“ begonnen.

Dabei habe es dann „unvorhergesehene Schwierigkeiten“ gegeben, teilte die Regierung weiter mit. Auch weitere Schadstellen seien aufgetreten. Die Mängel seien erst in den Nächten vom 10. bis 28. Oktober beseitigt und die Langsamfahrstellen danach abschnittsweise aufgehoben worden. Weitere Maßnahmen zur Instandhaltung seien bis Anfang Dezember durchgeführt worden, „um die Gleislage zu stabilisieren“.

Nicht nur die Mängel im Streckennetz bereiten dem Unternehmen Probleme. Es sind auch die Züge, wie der Brand eines ICE im Oktober im Westerwald zeigt. In Folge dieses Vorfalls hat die DB aus Sicherheitsgründen jetzt für einen Teil ihrer Hochgeschwindigkeitsflotte ein Einsatzverbot für besonders lange Tunnel ausgesprochen. Das teilte die DB-Pressestelle auf Nachfrage mit und bestätigte damit die Echtheit eines Dokuments, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Im Oktober war auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main ein ICE der dritten Generation in Brand geraten – wie die DB dem Bundestag erläuterte, gilt es als erwiesen, dass sich ausgelaufenes Transformatorenöl entzündet hatte. In der Folge hatte der Konzern eine Sonderprüfung für alle ICE-3-Züge der Baureihen 403 und 406 angeordnet.

Streckenverbot in langen Tunneln

In einer auf den 20. Dezember datierten internen Weisung verbietet die Bahn nun auf der Schnellfahrstrecke Hannover-Würzburg den Einsatz von Fahrzeugen, bei denen die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Konkret betroffen sind die Abschnitte zwischen Burgsinn und Fulda sowie Kassel und Göttingen.

In diesen Streckenbereichen liegen der Landrücken- und der Mündener Tunnel, die beide über zehn Kilometer lang sind. Diese seien „aufgrund ihrer Länge besonders anspruchsvoll“, erläutert die Pressestelle. Weil der Konzern jedes Risiko, „sei es auch noch so unwahrscheinlich“, ausschließen wolle, sei das Fahrverbot für alle noch nicht geprüften ICE 3 erlassen worden. Zwei Drittel der Flotte seien inzwischen geprüft, in der zweiten Januarwoche will das Unternehmen die Maßnahme abgeschlossen haben. Zudem erklärte die Bahn kürzlich, die ICE-3-Transformatoren nun „deutlich engmaschiger“ zu kontrollieren.

Für die Fahrgäste gebe es „nahezu keine Beeinträchtigungen“, hieß es. Auf der Strecke seien täglich nur zwei Zugfahrten mit der betroffenen Baureihe unterwegs, hierfür setze man die bereits inspizierten Fahrzeuge ein. Für die Verfügbarkeit der Fernverkehrsflotte kommt das Streckenverbot dennoch zur Unzeit. Die Betriebslage ist angespannt. An Heiligabend wurden zwei ICE-Triebzüge bei einem Rangierunfall in München schwer beschädigt. Auch der beim Brand in Teilen zerstörte ICE fällt aus dem Einsatzpool. Vor wenigen Wochen war ein bereits im Juni erstelltes Papier öffentlich geworden, in dem es heißt, dass nur jeder fünfte ICE ohne Mängel unterwegs sei.

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