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Rüdiger Grube soll bis 2020 Bahn-Chef bleiben. Dann ist er 69 und elf Jahre im Amt.

© picture alliance / dpa

Update

Deutsche Bahn baut den Vorstand um: Verzögerungen im Betriebsablauf

Rüdiger Grube soll Bahn-Chef bleiben, mangels Alternative. Im Januar wird sein Vertrag verlängert. Ronald Pofalla steigt auf, muss als Grubes Kronprinz aber warten.

Rüdiger Grube brennt. Das bescheinigen ihm Freunde und Gegner. Der Chef der Deutschen Bahn ist auch in seinem achten Amtsjahr noch Feuer und Flamme für jedes Detail des verzweigten Schienenkonzerns, scheint jede Zahl zu kennen, ist allzeit präsent, verbreitet vor Mitarbeitern, Kunden und der Politik stets größten Optimismus. „Mir macht es richtig Spaß“, sagte der 65-Jährige unlängst bei einer Veranstaltung in Berlin.

Das Problem: An dem Bild, das die Bahn in der Öffentlichkeit abgibt, hat Grube wenig bis gar nichts geändert. Ob berechtigt oder nicht, Bahn-Kunden klagen weiter über Verspätungen, Servicemängel, Technikpannen und Funklöcher. Und betriebswirtschaftlich stand der Staatskonzern zuletzt auf dem Abstellgleis. Grubes Umsatz-, Gewinn- und Verschuldungsziele sind längst überholt, im vergangenen Jahr rutschte die Bahn erstmals seit Jahren in die Verlustzone: minus 1,3 Milliarden Euro. Die Schulden türmen sich auf fast 20 Milliarden Euro; Grube war 2009 mit dem Ziel angetreten, sie auf zehn Milliarden Euro zu senken.

Der Aufsichtsrat entscheidet im Januar über Grube

An Mittwoch beschäftigte sich der Aufsichtsrat der Bahn mit Grubes Bilanz und diskutierte über die vorzeitige Verlängerung seines Ende 2017 auslaufenden Vertrags. Am Ende kam es anders, als der Chef gehofft hatte: Er muss auf das Votum der Eigentümer warten. Erst im Januar werde der Aufsichtsrat auf einer Sondersitzung Grubes Vertrag verlängern, teilte die Bahn mit. "Eine Vertragsverlängerung war bei der heutigen Sitzung auf Grund der Corporate-Governance-Regeln noch nicht möglich", hieß es in der Mitteilung. Diese Regeln sähen unter anderem vor, "dass eine Vertragsverlängerung erst nach exakt weniger als einem Jahr möglich ist." Dem Vernehmen nach soll Grubes Vertrag für weitere drei Jahre gelten. „Er soll die Suppe auslöffeln, die er uns eingebrockt hat“, heißt es wenig freundlich auf der Seite der Kritiker im Aufsichtsrat. „Es gibt keine Alternative“, verbreitet die Grube-Fraktion.

Pofalla wird Infrastruktur-Vorstand - ohne Technik-Verantwortung

Ein möglicher Kandidat, der Ex-Kanzleramtschef und CDU-Politiker Ronald Pofalla, wäre wohl gerne Grubes Nachfolger geworden. Aber auch er muss warten. Pofalla (57) steigt zum neuen Infrastrukturvorstand auf und wird den Posten zusätzlich zu seinem derzeitigen als Chef-Lobbyist ausfüllen. Im Aufsichtsrat hat Pofalla etliche Gegner. „Er verbessert seine Position, aber als Grubes Nachfolger ist er noch nicht gesetzt“, heißt es. Nicht zuständig ist Pofalla für die Bahn-Technik. Sie soll in einem eigenen, neuen Vorstandsressort gebündelt werden, das noch nicht besetzt ist. Grube leitet es vorübergehend. Der bisherige Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer verlässt das Unternehmen Ende des Jahres. "Mit Herrn Pofalla haben wir einen durchsetzungsstarken, innovativen und erfolgreichen Nachfolger bestimmt, der sich in kurzer Zeit hohe Akzeptanz innerhalb der DB erworben hat", erklärte Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht, Der Aufsichtsrat verlängerte am Mittwoch ebenfalls den Vertrag von Personalvorstand Ulrich Weber, der im Frühjahr ausgelaufen wäre. Weber musste sich gegen Kritiker und dem Vernehmen nach auch Gegenstimmen im Aufsichtsrat durchsetzen.

Die drei wichtigsten Ziele für 2016 hat Grube erreicht

Warum man Grube zappeln lässt, hat nicht nur Compliance-Gründe. Der Aufsichtsrat kann nun den Jahreswechsel abwarten, dann muss Grube schwarz auf weiß belegen, dass er die Meilensteine erreicht hat, die ihm der Bund für 2016 vorgegeben hat: kein Defizit, Pünktlichkeit und W-Lan im ICE.

Absehbar ist, dass Grube in allen drei Punkten liefern kann. Angeblich übertrifft die Bahn das für 2016 angepeilte operative Ergebnis mit gut 1,9 Milliarden Euro sogar. Unter dem Strich sollen deutlich mehr als 500 Millionen Euro übrig bleiben. Auch die 120 Millionen Euro, die der Konzern in die Aufrüstung aller ICEs mit W-Lan in der 2. Klasse ausgibt, haben das erwünschte Ergebnis gebracht: „Wir liegen im Plan“, sagte Fernverkehrschefin Birgit Bohle kürzlich. Zumindest nahe dran am Plan ist die Bahn auch beim Thema Pünktlichkeit, dem größten Ärgernis für Kunden im Fernverkehr. Bis Ende Oktober waren hier im Jahresschnitt 78,8 Prozent aller Züge pünktlich – 80 Prozent muss Grube erreichen.

Ein Riesenproblem ist der Güterverkehr

Doch das sind nur Etappensiege. Die Dauerkrise im Güterverkehr und das Brexit-Votum der Briten werden hingegen noch für Jahre auf dem Geschäft der Deutschen Bahn lasten. Der Staatskonzern rechnet schon 2017 mit weniger Gewinn als zuletzt und erwartet vor allem beim Umsatz weit geringere Steigerungen. Dies geht aus Planzahlen hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlagen. Hauptgrund ist die britische Tochter Arriva, die auch unter dem Kursverfall des Pfunds leidet. Ihren Teil-Börsengang hatte der Bund ebenso abgeblasen wie den des Bahn-Logistikers Schenker. Ferner zeigen die Zahlen, dass die Güterbahn kaum aus der Krise kommen wird. Bis 2021 soll hier das zusätzlich aufgelegte Programm „Operative Exzellenz“ (Opex) greifen, mit dem sich der Aufsichtsrat an diesem Mittwoch ebenfalls beschäftigen wird. „Es wird ein hartes Sparprogramm geben, das viele Arbeitsplätze kostet“, heißt es.

Selbst Grubes Gegner räumen ein, dass ein Bahn-Chef nur so viel Spielraum hat, wie der Eigentümer Bund ihm lässt. Und dieser Spielraum verändert sich ständig. Denn der Bund weiß offenkundig immer noch nicht, was die Bahn sein soll: Ein gewinnmaximierender, globaler Logistikkonzern oder die der Daseinsvorsorge verpflichtete Eisenbahn in Deutschland.

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