zum Hauptinhalt
An der Börse kommt Trumps Plan gut an, die Aktienkurse steigen. Vor allem die Papiere von Banken haben sich zuletzt verteuert.

© Andrew Kelly/Reuters

Deregulierung in den USA: Trump will Regeln für Banken lockern

Viele Regeln, an die sich Banken seit der Finanzkrise halten müssen, gehen Donald Trump zu weit. Der künftige US-Präsident will sie ändern oder abschaffen – und macht deshalb einen Wall-Street-Anwalt zum Chef der US-Börsenaufsicht.

Von Carla Neuhaus

Jay Clayton kennt sich aus an der Wall Street. Als Anwalt verteidigt er die Interessen der Großbanken. Goldman Sachs oder Barclays Capital sind seine Mandanten. Instituten wie ihnen hilft er bei Übernahmen, Börsengängen oder Verhandlungen über Strafzahlungen. Während der Finanzkrise hat er Barclays zum Beispiel geholfen, Teile der insolventen Investmentbank Lehman Brothers zu kaufen. Auch am Einstieg des Investors Warren Buffett bei Goldman Sachs war er beteiligt. Doch jetzt soll Clayton die Seiten wechseln. So wünscht es sich der künftige US-Präsident Donald Trump. Er will Clayton zum Chef der amerikanischen Börsenaufsicht SEC machen: einer der wichtigsten Behörden, die nach der Finanzkrise dafür gesorgt hat, dass Finanzgeschäfte wieder stärker kontrolliert werden. Doch ausgerechnet diese Aufsichtsbehörde soll nun von einem Anwalt der Wall Street geleitet werden.

Trump will die Regeln für Banken lockern

Experten meinen, das passe durchaus ins Bild. Schließlich hat Trump bereits kurz nach seiner Wahl verkündet, die strengen Regeln für Banken lockern zu wollen. Deregulierung lautet das Zauberwort. Die Wall Street feiert den Republikaner seitdem, die Aktienkurse der US-Banken sind kräftig gestiegen. Dabei hatte Trump im Wahlkampf noch gegen die Banken gewettert und verkündet, den „Wall-Street-Sumpf“ trockenlegen zu wollen. Inzwischen hört sich das aber ganz anders an. Jetzt sagt Trump, es sei notwendig, „viele Regulierungen rückgängig zu machen“. Es gehe darum, „die Aufsicht über die Finanzbranche auf eine Weise wiederherzustellen, die den amerikanischen Arbeitern nicht schadet“. Sein Argument: Die strikten Regeln behindern die Banken nur. Die Geldinstitute könnten dadurch weniger Kredite vergeben, was der Wirtschaft schadet und die Schaffung von Jobs verhindert.

„Das ist ein klarer Strategiewechsel“, sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Finance. Hat Barack Obama als Präsident sich noch für stärkere Regeln für die Banken eingesetzt, um eine neue Finanzkrise zu verhindern, geht Trump nun den umgekehrten Weg: Er will die Regeln für Banken lockern, um die Wirtschaft zu stärken.

Die bisherige Chefin der Börsenaufsicht geht

Mary Jo White hat womöglich geahnt, dass das passiert: Die bisherige Chefin der SEC hat bereits kurz nach Trumps Wahlsieg im November überraschend ihren Rücktritt angekündigt: Ende Januar, wenn Trump Präsident wird, verlässt sie die Aufsichtsbehörde – und das, obwohl ihr Vertrag noch weitere drei Jahre gelaufen wäre. Eine offizielle Begründung gab es dafür nicht. Klar ist aber: Unter White hat die Behörde in den vergangenen Jahren viele für die Branche unbequeme Entscheidungen getroffen. Die SEC ist für die Umsetzung etlicher Regeln zuständig, die die Finanzbranche sicherer machen sollten. Die Behörde spielt dabei eine so wichtige Rolle, weil sie nicht nur für die Kontrolle des Wertpapiergeschäfts zuständig ist, sondern auch die Investmentbanken beaufsichtigt: eben jene Institute, die ihr Geld mit hochkomplexen, oft riskanten Finanzprodukten machen, und die keinen unerheblichen Anteil am Ausbruch der Finanzkrise hatten.

Jay Clayton soll neuer Chef der Börsenaufsicht SEC werden.
Jay Clayton soll neuer Chef der Börsenaufsicht SEC werden.

© dpa

Mit einem Wall-Street-Anwalt als Chef der SEC hat Trump daher nun durchaus die Möglichkeit, die strengere Regulierung der vergangenen Jahre zurückzudrehen. Zumal Jay Clayton längst nicht der einzige Wall-Street-Insider ist, der einen wichtigen Posten übernehmen soll. Auch der künftige Finanzminister Steven Mnuchin hat als früherer Goldman-SachsPartner eine Wall-Street-Vergangenheit. Mit Gary Cohn wird ein weiterer Manager aus der mächtigen Investmentbank Wirtschaftsberater des Präsidenten. Und auch der reichste Wall-Street-Investor Carl Icahn wird Trump zur Seite stehen: Er soll ihn gerade in Regulierungsfragen beraten und hat bereits eine Reform des Bankenrechts angekündigt.

Deutsche Ökonomen kritisieren zunehmende Deregulierung

Es ist eine Entwicklung, die viele Experten hierzulande kritisch sehen. Zum Beispiel Isabel Schnabel, Finanzexpertin und Mitglied des Sachverständigenrats. „Ich rechne mit einer neuen Welle der Deregulierung in den USA, wie wir sie schon früher erlebt haben“, sagt sie. „In der Vergangenheit hat das zum Entstehen der großen Finanzkrise beigetragen.“ Mit anderen Worten: Möglicherweise geht nun alles wieder von vorne los, werden die Lehren, die man aus der Finanzkrise gezogen hat, wieder vergessen. Sorgen bereitet Schnabel die Entwicklung in den USA vor allem deshalb, weil es nun wieder vor allem darum ginge, die Finanzindustrie zu stärken – statt für Finanzstabilität zu sorgen. Je mehr hochrangige Posten Trump an Wall-Street-Insider vergibt, desto größer wird die Gefahr, dass es genauso kommt. „Eine zu große Nähe von Regulierern zur Finanzindustrie ist problematisch, weil die Gefahr der Vereinnahmung der Regulierer durch die Finanzindustrie groß ist“, sagt Schnabel. Die Banker könnten dann den Aufsehern die Regeln diktieren, nicht umgekehrt.

Dabei ist das längst nicht nur ein Problem für die Vereinigten Staaten. Zum einen hat gerade die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass eine Krise in den USA schnell nach Europa herüber schwappt. Zum anderen stehen die europäischen Banken in direkter Konkurrenz zu den US-Instituten. Hellmich fürchtet deshalb, dass eine stärkere Deregulierung in den USA auch Folgen für Europa haben würde. Schließlich sind Banken stets bemüht, ihre Geschäfte dort zu machen, wo das für sie besonders einfach ist. „Werden die Regeln in den USA lockerer, könnten die europäischen Institute zum Beispiel, Handelsaktivitäten von London nach New York verlegen“, sagt Hellmich. Europäische Banken würden dann weiter ins Hintertreffen geraten. Müssen sie sich an strengere Regeln halten als die US-Institute, können sie mit denen noch weniger mithalten als ohnehin schon. „Die Konsequenz wäre ein Deregulierungswettlauf“, sagt Hellmich. Auch die europäischen Aufsichtsbehörden könnten ihre Regeln wieder abschwächen.

Zur Startseite