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Im VW-Konzern gibt es schwere Konflikte zwischen Management und Betriebsrat.

© Hendrik Schmidt/dpa

Derbe Töne, große Themen: Was der VW-Konflikt für die Branche bedeutet

Die gestörte Kommunikation zwischen Betriebsrat und Vorstandschef blockiert den mitbestimmten VW-Konzern. Dahinter stehen aber größere Fragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

In Wolfsburg haben sie sich wieder einmal die Folterinstrumente gezeigt. Vorstandschef, Betriebsrat und Aufsichtsrat von Volkswagen, das weiß man inzwischen, neigen zur Eskalation, wenn es Streit gibt. Angezettelt wurde der jüngste vor drei Wochen von Herbert Diess, der den Abbau von 30 000 der gut 60 000 Stellen im Wolfsburger Stammwerk in den Raum stellte. Die Autoproduktion dort sei nicht wettbewerbsfähig, so Diess.

Dieser Funke reichte, um die Lunte zu zünden. Drei Wochen lang arbeiteten sich alle an dieser Provokation ab. Daniela Cavallo, die neue Betriebsratsvorsitzende, fiel erstmals mit derben Tönen auf, die an Vorgänger Bernd Osterloh erinnerten. Die Explosion blieb aus, Diess ist noch VW-Chef. Am Donnerstag versuchten die Beteiligten bei einer Betriebsversammlung, die Wogen zu glätten.

Ist nun alles wieder gut in der Autostadt? Am Kern des Konflikts hat sich nichts geändert und an der Dringlichkeit, diesen zu lösen, auch nicht. Dabei gibt es eigentlich mehrere Kerne.

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Da ist die seit Jahren gestörte Kommunikation zwischen Betriebsrat und Vorstandschef, die den mitbestimmten Konzern blockiert. Da ist die ungelöste Frage, wie das traditionsreiche, teure Wolfsburger Werk den Anschluss an die Elektromobilität und die Produktivität anderer Standorte schaffen soll. Da ist der Wettbewerb mit Tesla, dem Billionen-Dollar-Konzern, der sich anschickt, in Brandenburg VW das Fürchten zu lehren. Und da ist Herbert Diess, ein Manager, der die Provokation liebt, der den Konzern wie keiner vor ihm umbaut und antreibt und dabei immer wieder vergisst, dass er nicht Elon Musk ist, der machen kann, was er will. Das könnte ihn immer noch den Job kosten.

Herbert Diess: So einen braucht die deutsche Autoindustrie

Wo fängt man an? Niemand, auch der Betriebsrat oder das Land Niedersachsen nicht, bezweifelt, dass Diess alle Problemkerne gleichzeitig bearbeitet – inklusive seiner eigenen Unbeherrschtheit. VW hat sich vom Dieselbetrüger zu einem Vorreiter der Transformation zur Elektromobilität, Vernetzung und Automatisierung gemausert. Diess ist unorthodox, streitlustig, diskursfähig, politisch. Er sieht die Risiken, wenn alles bleibt, wie es ist, auch die zu niedrige Produktivität in einem Markt, auf dem neue Spieler klassische Geschäftsmodelle angreifen.

So einen braucht die deutsche Autoindustrie, so einer ist gut für Volkswagen. Große Teile der Belegschaft, in der viele (aus guten Gründen) Angst um ihre Jobs haben, sehen das anders. Wie viel Beschäftigung kann am Autostandort Deutschland gesichert werden, ohne dass die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren? Das muss Diess beantworten. Aber nicht nur er: Vor dieser Frage steht die gesamte Branche.

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