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Dürre: Im Nordosten drohen das zweite Jahr in Folge Missernten.

© dpa

Der Welterschöpfungstag kommt immer früher: Ab heute leben wir auf Pump

Der Regenwald verschwindet, Nitrat landet im Grundwasser, Tiere werden gequält. Ein Weiter-So darf es jetzt nicht mehr geben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Wäre die Erde ein Mensch, dann würde ihr jetzt alles zu viel. Könnte die Erde sprechen, würde sie wahrscheinlich heute sagen: Schluss jetzt! Denn dann ist globaler Welterschöpfungstag. Das ist der Tag, ab dem wir Menschen für dieses Jahr auf Pump leben, ab dem wir also mehr Ressourcen verbrauchen als die Erde liefern kann.

An diesen Punkt kommen wir immer früher. Vor zehn Jahren war es noch der 25. September, in den 60er Jahren konnte die Erde sogar noch Ressourcen ansparen. Das ist vorbei.

Die Plünderung der Erde hat viele Gesichter. Urwälder werden gerodet, um Soja oder Mais anzubauen. Wertvolle, für das Klima wichtige Regenwälder verschwinden, damit Rinder auf den abgeholzten Flächen weiden oder Futtermittel für sie geerntet werden können.

Der Raubbau findet auch hierzulande statt. Die Gülle aus den Massentierställen überfordert die Felder in den Regionen. Die Exkremente von Zehntausenden Schweinen und Hühnern überfordern die Böden, Pflanzen sind überdüngt, Nitrat landet im Grundwasser und muss mit großem Aufwand herausgefiltert werden. Das geht seit Jahren so. Nun hat die EU-Kommission die Geduld verloren und droht Deutschland mit enormen Strafen, wenn wir unser Wasser nicht besser schützen. Bis zu 850.000 Euro am Tag soll die Bundesrepublik zahlen, wenn wir nicht endlich das Düngeproblem in den Griff bekommen. Der Bauernverband ärgert sich über die Einmischung aus Brüssel und hofft, dass Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sie – wie bei den letzten Verhandlungen mit dem Umweltministerium und den Ländern – vor dem Schlimmsten bewahrt.

Was hinten raus kommt, macht Probleme. Deutschland braucht strengere Düngeregeln.
Was hinten raus kommt, macht Probleme. Deutschland braucht strengere Düngeregeln.

© dpa

Im Kampf um Ressourcen und gegen den Klimawandel haben Klöckner und die Landwirte eine Schlüsselrolle. Die Bauern sind Täter und Opfer zugleich. Vor allem im Nordosten der Republik droht das zweite Dürrejahr in Folge mit Missernten. Zugleich verursachen die Landwirte sieben Prozent aller deutschen Emissionen. Ihre Kühe stoßen das klimaschädliche Methan aus, Kunstdünger und Gülle setzen Lachgas frei. Der Grund und Boden und ihre Tiere sind die Existenz der Landwirte. Deshalb müssen sie in ihrem eigenen Interesse mit den Ressourcen nachhaltig und rücksichtsvoll umgehen. Das heißt: so wenig Dünger, aber so viele Weideflächen wie möglich. Denn kaum etwas bindet Kohlendioxid so gut im Boden wie Grünland.

Schlüsselposition: Agrarministerin Julia Klöckner (CDU).
Schlüsselposition: Agrarministerin Julia Klöckner (CDU).

© imago images / Klaus W. Schmidt

Ein Weiter-So kann es nicht geben. Das gilt auch für die Tierhaltung. Riesenanlagen mit Nutztieren passen nicht zu einem respektvollen Umgang mit der Natur. Wenn die Schweine und Hühner sich aus Platzmangel gegenseitig angreifen, ist das mit dem Tierwohl nicht vereinbar. Wenn deren Gülle die benachbarten Regionen vor unlösbare ökologische Probleme stellt, verstößt das gegen den Klimaschutz. Solche Riesenerzeuger produzieren Billigfleisch und machen dennoch Gewinne, weil die Umweltschäden, die sie anrichten, die Allgemeinheit trägt.

Was Julia Klöckner tun muss

Hier ist Julia Klöckner gefragt. Gut gemeinte freiwillige Projekte wie das Tierwohllabel, das sie plant, reichen nicht. Bei der Düngeverordnung muss sie den Bauern klarmachen, dass es keine Alternative zu strengeren Regeln und Verboten gibt. Bei den Verhandlungen über die europäische Agrarpolitik muss sie sich dafür einsetzen, dass sich ökologisches, nachhaltiges Wirtschaften für die Bauern auszahlt. Ohne eine Agrarwende wird Deutschland seine eigenen Klimaprobleme nicht lösen können.

Bauern sind aber auch Unternehmer. Reformen müssen sich für sie lohnen. Deshalb sind am Ende auch wir Verbraucher gefragt. Wenn wir weniger, aber dafür besseres Fleisch kaufen, uns im Laden nicht nur für den Preis, sondern auch das Tierwohl interessieren, zeigen wir Haltung. Es ist an der Zeit, dass wir Verantwortung übernehmen: für die Tiere, für unsere Erde – und damit auch für uns selbst.

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