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Michael Vassiliadis führt seit 2009 die IG BCE; er ist damit der dienstälteste Vorsitzende der acht DGB-Gewerkschaften.

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Der DGB findet keinen Vorsitzenden: Verdi hat Vorbehalte gegen Vassiliadis

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie hätte die Nachfolge von Reiner Hoffmann angetreten. Doch Verdi-Chef Frank Werneke hat Zweifel.

Jörg Hofmann hat sich in den vergangenen Monaten einen Korb nach dem anderen geholt: Der Vorsitzende der IG Metall hat das Vorschlagsrecht für die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und hätte gerne eine Frau nominiert für die Nachfolge von Reiner Hoffmann, der im Mai in Rente geht.

Hoffmann fand keine Frau, aber zwei Männer: Robert Feiger, Chef der IG Bauen-Agrar-Umwelt und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie. Der 60-jährige Feiger winkte aus persönlichen Gründen ab, der 57-jährige Vassiliadis sagte zu. Damit wäre zum ersten Mal seit langem wieder aus dem Kreis der Vorsitzenden der acht Einzelgewerkschaften, die den DGB tragen, die Spitze des Dachverbandes besetzt worden.

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Reiner Hoffmann geht nach acht Jahren an der DGB-Spitze im Mai in Rente.
Reiner Hoffmann geht nach acht Jahren an der DGB-Spitze im Mai in Rente.

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An der Qualifikation von Vassiliadis, der seit 2009 die IG BCE führt und politisch so vernetzt ist wie kein zweiter Gewerkschafter, gibt es keine Zweifel. Aber an der politischen Grundorientierung. Verdi-Chef Frank Werneke räumte am Donnerstag im Kreis der Gewerkschaftsbosse ein, dass er für das Abstimmungsverhalten der Verdi-Delegierten auf dem DGB-Kongress Anfang Mai nicht garantieren könne.

Werneke und Vassiliadis gehören beide der SPD an, doch der Industriegewerkschafter verfolgt einen pragmatischen Kurs und hatte immer mal wieder über die linkslastige „Bewegungsgewerkschaft“ Verdi gespottet. Nach der IG Metall (2,2 Millionen Mitglieder) ist Verdi (1,9 Millionen) die größte Gewerkschaft und stellt entsprechend viele Delegierte. Vassiliadis wird also nicht kandidieren. Und Hofmann sucht weiter.

Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, misstraut den eigenen Delegierten.
Frank Werneke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, misstraut den eigenen Delegierten.

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Am 8. Februar, bei der nächsten Vorstandssitzung des DGB, möchte man das Problem gerne vom Tisch bekommen. Vielleicht wird es ja doch noch Andrea Nahles, die zwischenzeitlich mal im Gespräch war, oder Anja Piel. Die frühere Vorsitzende der Grünen in Niedersachsen sitzt aber erst seit knapp zwei Jahren im DGB-Vorstand, und IG-Metall-Chef Hofmann hat die Devise ausgegeben, es müsse jemand sein, der oder die "Industrie versteht".

Auf die Industriegewerkschaften Metall und Chemie entfällt knapp die Hälfte der gut 5,7 Millionen DGB-Mitglieder. In der deutschen Wirtschaft spielt die Industrie eine herausragende Rolle, weshalb Politik, Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam ein starkes Interesse an einer erfolgreichen Transformation haben, die unter den Stichworten Dekarbonisierung und Digitalisierung läuft. Diese Transformation und dazu die Demografie machen den Gewerkschaften zu schaffen, seit Jahren fallen die Mitgliederzahlen, 2021 verlor der DGB dem Vernehmen nach fast 130.000 Mitglieder.

Auch deshalb wird in den kommenden vier Jahren über die Struktur des Dachverbandes mit seinen Landesbezirken diskutiert werden. Derzeit baut der DGB einen neue Zentrale für den Bundesvorstand und den Landesbezirk Berlin-Brandenburg am Berliner Wittenbergplatz. Der 66-jährige Reiner Hoffmann war 2014 erstmals zum DGB-Vorsitzenden gewählt worden; Hoffmann bekam damals 93 Prozent der Stimmnen. Im Mai 2018 wurde er mit einem schlechten Ergebnis (76 Prozent) wiedergewählt - viele Delegierte nahmen ihm seinen Einsatz für eine Fortsetzung der große Koalition übel.

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