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Der Sachverständigenrat hat sein Jahresgutachten an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) übergeben.

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Update

„Der Aufschwung ist beendet“: Wirtschaftsweise sagen nur noch maues Wachstum voraus

Der Sachverständigenrat rechnet in seinem Jahresgutachten mit einer schwachen Konjunkturentwicklung. Er fordert, den Spielraum der Schuldenbremse auszureizen.

Von Carla Neuhaus

"Der Aufschwung ist beendet", schreiben die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten, das sie an diesem Mittwoch an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben hat. Trotzdem sei aber nicht von "tiefgreifenden Rezession auszugehen". Mit anderen Worten: Die Wirtschaft wird nicht schrumpfen - sie wird aber auch nicht großartig wachsen. Es geht mau weiter.

So rechnen die Wirtschaftsweisen für dieses Jahr dann auch lediglich mit einem Wachstum von 0,5 Prozent. Für 2020 sagen sie 0,9 Prozent voraus - berücksichtigt man aber, dass die Feiertage im kommenden Jahr besonders arbeitgeberfreundlich liegen, bleibt ebenfalls nur ein Plus von 0,5 Prozent.

Zu schaffen macht der deutschen Wirtschaft vor allem die rückläufige Produktion in der Industrie. Und die Sachverständigen gehen vorerst von keiner Besserung aus: "Die schwierige Auftragslage und die pessimistischen Geschäftsaussichten lassen keine schnelle Belebung erwarten", schreiben sie. Die Industrie ist stark vom Export abhängig, sie spürt daher den Handelsstreit zwischen China und den USA, aber auch die Unsicherheit über den Brexit.

Ein Konjunkturprogramm halten die Wirtschaftsweisen aber dennoch nicht für notwendig. Sie fordern allerdings den Spielraum für Mehrausgaben zu nutzen, den die Schuldenbremse zulässt.

Auch sollte die Bundesregierung nach Ansicht der Wirtschaftsweisen wieder mehr Anreize für Firmengründungen zu setzen. "Die Unternehmensdynamik in Deutschland ist zurückgegangen", schreibt der Sachverständigenrat. Die Gründungen neuer Unternehmen seien deutlich zurückgegangen.

"Die Politik ist deshalb gefordert, attraktive Rahmenbedingungen zu setzen, die unternehmerisches Handeln und Innovationsfähigkeit fördern", heißt es im Jahresgutachten. Angehen müsse die Politik etwa die Defizite bei der Gründungsfinanzierung, auch sollte stärker das lebenslange Lernen gefördert werden.

Merkel sieht Regierung auf einem guten Weg

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die das Gutachten entgegen nahm, betonte, wie viel die Bundesregierung bereits erreicht habe. "Von 300 Großmaßnahmen haben wir zwei Drittel auf den Weg gebracht oder schon vollendet", sagte sie. Das zeige, dass die Regierung "arbeitsfähig und arbeitswillig" sei. Nun wolle sie die Impulse aus dem Gutachten aufnehmen und schauen, was in der verbleibenden Regierungszeit noch auf den Weg gebracht werden könnte.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, die Bundesregierung sei bemüht, "neue Wohlstandszyklen" möglich zu machen – etwa durch den stärkeren Fokus auf Elektromobilität, Digitalisierung und Erneuerbare Energien. Der Opposition geht das aber noch nicht weit genug. "Olaf Scholz muss mehr investieren, sonst wird der Abschwung härter und teurer als nötig", sagte Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gab dem Sachverständigenrat in dem Punkt Recht, dass man die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern müsse. Sein Vorschlag: "Steuern senken, Sozialabgaben bei 40 Prozent begrenzen und weniger Bürokratie." Das schaffe dauerhaft Arbeitsplätze und Wohlstand.

Wirtschaftsweisen kritisieren Geldpolitik der EZB

Kritik üben die Sachverständigen in ihrem Gutachten zudem an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Der frühere Chef Mario Draghi hat als eine seiner letzten Amtshandlungen die Strafzinsen für Banken, die Gelder bei der Notenbank parken, erhöht. Außerdem hat er das Anleihekaufprogramm wieder aufgenommen und pumpt dadurch weitere Milliarden in den Markt. "Es wäre besser gewesen, wenn die EZB auf weitere Staatsanleihekäufe verzichtet hätte, da diese Politik erhebliche Risiken, etwa für die Finanzstabilität, mit sich bringen kann", schreiben die Wirtschaftsweisen. Sie fürchten "abrupte Preiskorrekturen" - vor allem am Immobilienmarkt.

Denn dort fließt ein Großteil des Geldes rein, das die EZB in den Markt pumpt. Das lässt die Preise für Immobilien steigen, bis Käufer sie irgendwann für zu hoch erachten oder sie sich nicht mehr leisten können und der Markt einbricht.

Uneins sind die Sachverständigen beim Umgang mit der Schuldenbremse. Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen sieht derzeit keinen Reformbedarf dieses Instruments. Die Schuldenbremse biete ausreichend Spielräume, um die Konjunktur zu stabilisieren, etwa in dem man die öffentlichen Ausgaben anders priorisiere. Die beiden Wirtschaftsweisen Achim Truger und Isabel Schnabel sehen das allerdings anders. "Wir befürchten, dass die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung ein Hemmschuh für Investitionen wäre", sagte Schnabel. Truger wünscht sich konkret mehr Flexibilität für den Fall, dass es im kommenden Jahr doch zu einem stärkeren Wirtschaftsabschwung kommt. "Darauf sollte die Bundesregierung vorbereitet sein", sagte er. Eine höhere Verschuldung des Staates könnte dann für gezielte Maßnahmen wie Investitionen in die Infrastruktur sinnvoll sein.

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