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Laut einem Forschungsbericht sollen Strafgefangene auch bei der Deutschen Reichsbahn eingesetzt worden sein.

© dpa

DDR und Zwangsarbeit: Bahn lässt Ausbeutung von Häftlingen bei der Reichsbahn untersuchen

Die Bahn will den Einsatz von DDR-Häftlingen bei der Deutschen Reichsbahn durchleuchten. Die Ergebnisse der Studie sollen in einer Ausstellung aufgehen.

Die Deutsche Bahn will die Ausbeutung von DDR-Häftlingen bei der Deutschen Reichsbahn untersuchen lassen. Bahn-Chef Rüdiger Grube kündigte am Montag eine Studie an, die den Einsatz von Strafgefangenen und den Häftlingstransport bei der Reichsbahn "umfassend" aufarbeiten soll. "Uns liegt sehr daran, dass dieses bisher weitgehend unbekannte Kapitel aus der Geschichte der Reichsbahn konsequent durchleuchtet und dokumentiert wird", erklärte Grube- Die Deutsche Bahn reagierte damit auf eine Studie der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), die am Montag vorgestellt wurde. Danach profitierte auch die Reichsbahn von der Ausbeutung politisch Gefangener.

Strafgefangene wurden unter anderem im Braunkohleabbau ausgebeutet

Zwischen 1951 und 1989 leisteten demnach jährlich mehr als 1200 Häftlinge Zwangsarbeit bei der Staatsbahn der Deutschen Demokratischen Republik. Auch in anderen Branchen wie zum Beispiel dem Braunkohleabbau wurden Häftlinge in der DDR ausgebeutet. Laut der Studie profitierten aber auch West-Unternehmen von der Zwangsarbeit in der DDR. Die Studie soll am Montag offiziell in Berlin vorgestellt werden. Nach Angaben der Deutschen Bahn lagen dem Konzern bislang keine entsprechenden Erkenntnisse vor. "Wenn es jetzt Hinweise gibt, dass die Reichsbahn der DDR Strafgefangene als Arbeitskräfte ausgebeutet hat, dann nehmen wir das sehr ernst", erklärte Grube. Die Ergebnisse der geplanten Studie sollen anschließend in einer Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.

Ziel der Zwangsarbeit war "maximale Ausbeutung der Arbeitskraft Strafgefangener"

Laut der jetzt vorgestellten Untersuchung wurden die Häftlinge, darunter viele politische Gefangene, in der Regel in Bereichen mit körperlich schwerer Arbeit eingesetzt, wo die Arbeitsbedingungen so miserabel waren, dass sich keine regulären Arbeiter fanden. Bereits 1948 gab es nachweislich Pläne, "alle Strafgefangenen nach sowjetischem Muster für die Wirtschaft nutzbar zu machen", wie Studienautor Christian Sachse schreibt. Zwangsarbeit in der DDR sei von Anfang an als zentralwirtschaftliches System angelegt gewesen. "Das Ziel bestand in einer maximalen Ausbeutung der Arbeitskraft Strafgefangener", heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Die Arbeitsbedingungen waren dementsprechend schlecht; es gab viele Unfälle. Anfang der 1960er Jahre war die Unfallquote bei Strafgefangenen mit 150 Unfällen auf tausend Arbeiter bis zu dreimal höher als bei regulären Arbeitern. Am Ende der DDR lag die Unfallquote noch etwa doppelt so hoch. Laut der Studie, aus der bereits zuvor Details bekannt geworden waren, mussten die Häftlinge in der Metallurgie, der Elektromotoren-Fertigung, in Chemiekombinaten oder beim Kamerahersteller Pentacon schuften.

Die Forscher kritisieren Bundesregierung und Unternehmen

Die Studie nimmt auch Unternehmen und Politik in der damaligen Bundesrepublik in die Mitverantwortung. Es habe "genügend Verdachtsmomente gegeben, die westliche Firmen veranlassen mussten, die Herkunft ihrer Waren zu überprüfen". Die Bundesregierung wäre verpflichtet gewesen, durch Zwangsarbeit hergestellte Waren zurückzuweisen. Selbst in den wenigen Fällen, wo direkte Kontakte zwischen West-Firmen und DDR-Betrieben bestanden und der Einsatz von Strafgefangenen zwangsläufig bekannt war, hätten die westlichen Unternehmen nur in wenigen Fällen reagiert. Der schwedische Möbelkonzern Ikea, der sich an der Finanzierung der Studie beteiligte, hatte 2012 bereits eingeräumt, dass in der DDR politische Häftlinge und Strafgefangene unter Zwang Möbel für das Unternehmen fertigen mussten. Laut der Studie war die Ikea-Vertretung in Ostberlin von Leuten der DDR-Staatssicherheit durchsetzt, die sich an der Vertuschung der Herkunft der Waren beteiligten.

Der Dachverband der Opferverbände will einen Runden Tisch einrichten

Der Dachverband der Opferverbände will einen Runden Tisch zum Thema DDR-Zwangsarbeit einsetzen. UOKG-Chef Rainer Wagner forderte zudem "Entschädigungen für die politischen Gefangenen". Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, Iris Gleicke (SPD), begrüßte die Aufarbeitung der DDR-Zwangsarbeit. Die Studie sei "ein belegt dafür, dass den politischen Häftlingen in der DDR systematisch Unrecht geschah". AFP

Tsp

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