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Völlig vernetzt. In der Smart City bewegt sich die Stadtgesellschaft durch einen endlosen Informations- und Datenstrom.

© jesussanz - Fotolia

"Data Debates" über die Smart City: Die kluge Metropole denkt über sich nach

Wie aus digital vernetzten Städten Informations-Hubs für die Bewohner werden, war Thema bei der sechsten "Data Debate" in Berlin.

Schöne neue Welt: Eine App auf dem Smartphone führt uns zum nächsten freien Parkplatz, im Robo-Taxi gleiten wir durch die Stadt, in der es keine Staus mehr gibt und keinen Lärm, weil alle elektrisch unterwegs sind. Vernetzt, digital und stressfrei bewegt sich die freie Stadtgesellschaft der Zukunft in einem breiten Informations- und Datenstrom.

„In zehn Jahren werden wir über die heutige Datenschutz-Diskussion lachen“, glaubt Markus Haas, Deutschland-Chef des Mobilfunkkonzerns Telefónica. In der Zukunft werde es nicht mehr vordringlich um den Schutz vor Missbrauch gehen, sondern um die Frage, „wie man im Datendschungel den Überblick behält“. Datensparsamkeit? „Ein Konstrukt der Vergangenheit“, sagt Haas. Heute schon hätten alle Mitarbeiter Zugriff auf alle Daten im Unternehmen. Wirklich alle?

Beim sechsten Durchgang der „Data Debates“ – veranstaltet von Tagesspiegel und Telefónica Deutschland – kamen am Donnerstagabend Zweifel auf, ob die Freiheit der neuen Datenwelt grenzenlos sein sollte. Befragt, ob man Daten zur Vermeidung von Staus preisgeben würde, sagten 88 Prozent im Publikum Ja – aber nur, wenn keine Rückschlüsse auf die Person möglich seien. „Das deckt sich mit den Erfahrungen, die Telefónica macht“, räumte Markus Haas ein. Trotz aller Visionen vom hürdenlosen Datenfluss hält auch Telefónica viel auf seine Datenschutzrichtlinien. „Anonymisierung ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagte Haas. Und Transparenz. Die Provider könnten schon heute Bewegungen in der Stadt auswerten, ohne dass dabei individuelle Profile der Datenlieferanten entstünden. Haas: „Wir machen das.“

Muss der Staat die digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen?

Technisch machbar ist ohnehin heute bereits mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. „Die Technik ist kein Hexenwerk“, sagte Michael Bültmann, Geschäftsführer des Karten- und Datendienstleisters Here, der Audi, BMW und Daimler gehört. Prognosen, nach denen erst im Jahr 2040 Computerautos das Straßenbild dominierten, hält Bültmann für zu konservativ. Autonomes Fahren sei nicht erst mit einem lückenlosen 5G-Mobilfunknetz möglich, das es frühestens ab 2025 geben wird. „Sensoren schaffen es schon heute, ein Auto autonom zu steuern“ – im Zweifel an den Straßenrand, wenn es kompliziert wird im Stadtchaos.

Für 2,8 Milliarden Euro haben die Autohersteller das frühere Nokia-Unternehmen Here gekauft. Präzise Karten, die zentimetergenau wissen, wohin die Reise geht, werden gebraucht, wenn sich autonome Fahrzeuge in der Stadt unfallfrei bewegen sollen. Aber müsste nicht der Staat die technische Infrastruktur liefern, damit sich kluge Metropolen zum „Informations-Hub“ entwickeln können? Brauchen wir einen Internet-Minister?, fragte Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff.

Die Rolle des Staates wandele sich im Datenzeitalter, glaubt Here-Chef Bültmann. Es gehe weniger um Daseinsvorsorge als um ein staatliches Verständnis für private Innovationen. „Beste Erfahrungen haben wir gemacht, wenn Städte und Kommunen die Ärmel hochkrempeln und Hindernisse aus dem Weg räumen“, berichtete Markus Haas, der mit 44 Millionen Telefónica-Kunden die halbe Republik unter Vertrag hat. Kommunales Engagement sei besser als ein Netz-Minister. „Sonst verheddern wir uns im Kompetenzwirrwarr.“ Die neue Regierung könne nach der Wahl trotzdem noch mehr tun, meinte Haas – beim Breitbandausbau oder bei der Vorratsdatenspeicherung.

"Wir brauchen digitale Menschenrechte"

So pragmatisch wollte Ina Schieferdecker die Rolle des Staates nicht sehen. „Es gibt Daten im öffentlichen Interesse, gerade im Auto“, sagte die Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme. In die Zukunft gedacht: Der Schutz der digitalen Persönlichkeit müsse ein Grundrecht werden. „Diese Diskussion braucht zwar noch Zeit“, sagte die Wissenschaftlerin. „Aber ich glaube, wir brauchen digitale Menschenrechte.“ Schieferdecker plädiert dafür, das Schlagwort von der Plattformökonomie ernst zu nehmen. „Wir sollten eine offene, öffentliche Datenplattform als Infrastruktur der Gigabitgesellschaft verstehen“, sagte sie. Schieferdecker schwebt ein „Datenmarktplatz“ vor, auf dem verschiedene Plattformen ihr Angebot zusammenbringen: öffentliche, private und kommerzielle.

Dabei zeigte sich das Publikum wieder skeptisch. 64 Prozent glauben, dass die Unternehmen am meisten von der Digitalisierung in den Städten profitieren werden. Doch auch deren Kunden haben etwas davon. Etwa beim Carsharing, das in Berlin gut funktioniert. Anbieter wie Drive-Now, mit 1300 Autos unterwegs, stoßen dennoch an ihre Grenzen. „Wir würden gerne 10 000 Autos anbieten, dann könnten wir auch über die Stadt hinauswachsen“, sagte Geschäftsführer Nico Gabriel. „Aber das rechnet sich noch nicht.“

Tagesspiegel Data Debates ist eine Initiative des Tagesspiegels in Partnerschaft mit Telefónica Deutschland. Infos unter: www.datadebates.de

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