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Zu gemütlich. Bewerbern fehlt die produktive Anspannung, wenn sie bei ihrer Selbstpräsentation zu Hause sitzen.

© imago/Hans Lucas

Das Vorstellungsgespräch: Bewerbung aus dem Wohnzimmer

An der Hochschule für Technik und Wirtschaft stellen sich Kandidaten jetzt per Videokonferenz vor. Wie das virtuelle Gespräch abläuft – und sie per Bildschirm punkten.

15 Minuten vor dem eigentlichen Vorstellungsgespräch geht es los. Dann treten die Bewerber an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin in den virtuellen Raum ein und treffen zum „Warm-up“ auf einen Mitarbeiter der Personalstelle, der mit dem eigentlichen Gespräch nichts zu tun hat. Er nimmt sie in Empfang, unterstützt sie dabei, sich mit der Situation und der Technik vertraut zu machen, klärt, ob der Ton in Ordnung und das Kamerabild gut ist. „So nimmt der Mitarbeiter den Bewerbern etwas von ihrer Aufregung“, sagt Sylke Kluck. Sie leitet die Personalabteilung der Hochschule. Seit dem Lockdown im März setzt ihr Team auch auf Bewerbungsgespräche per Videokonferenz – und hat damit bisher gute Erfahrungen gemacht.

In Coronazeiten müssen Arbeitgeber nicht nur die üblichen Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten neu denken, sondern auch Wege finden, neue Mitarbeiter einzustellen, die mit den Abstandsregeln vereinbar sind. Für viele Firmen wie für Hochschulverwaltungen sind hier einmal mehr digitale Medien eine Lösung.

Der Ablauf ist der gleiche

Der Verlauf und die Anforderungen an die Kandidaten sind in etwa die gleichen wie bei einem analogen Vorstellungsgespräch, sagt der Berliner Bewerbungscoach Jürgen Hesse und rät: „Man muss sich inhaltlich genauso vorbereiten. Das Wissen über den eventuell neuen Arbeitgeber, die pointierte Selbstdarstellung, das muss sitzen.“

„Am Anfang waren wir uns nicht sicher, ob die Live-Videogespräche in der Praxis funktionieren“, sagt Kluck. Kommen alle mit der Technik klar? Fühlen sie sich wohl damit? Und bekommt man so wirklich einen Eindruck von den Bewerberinnen und Bewerbern? Tatsächlich sei es nicht einfach, per Video einzuschätzen, ob sich ein Kandidat im Hochschulumfeld wohl fühlen werde, sagt die Personalleiterin. Persönliche Gespräche an der HTW mit Maske sind für sie aber kaum eine Alternative: „Die Mimik ist nicht zu sehen, Kandidaten manchmal schlecht zu verstehen“, sagt sie. Die Maske wirke manchmal wie eine Barriere und werde auch als solche empfunden.

Das Warm-up, das sich an der HTW etabliert hat, sorgt in der Regel dafür, dass der Bewerber nicht mehr so nervös ist, wenn es danach richtig losgeht, erklärt Kluck. Dabei werden auch technische Probleme beseitigt. Bei größeren Schwierigkeiten helfe das Rechenzentrum der Hochschule. Läuft alles rund, nehme das den Bewerbern die Sorge, dass es zu einer Panne kommen könne.

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Beim eigentlichen Bewerbungsgespräch sitzen dem Kandidaten dann der Personalrat, die Frauenbeauftragte, Mitarbeiter der Personalabteilung und der dem neuen Mitarbeiter unmittelbare Vorgesetzte gegenüber. Nach einer Vorstellungsrunde werden Fragen gestellt. „Wir gehen davon aus, dass sich der Bewerber auf das Gespräch genauso vorbereitet wie auf ein normales Gespräch“, sagt auch Kluck.

Zur Vorbereitung gehört, die Umgebung, in der man das Videogespräch durchführen will, startklar zu machen, sagt Hesse. Das bedeutet: Telefon ausstellen, Haustiere wegsperren und für einen hellen, einfarbigen Hintergrund für den Videoausschnitt sorgen. Von vollen Regalen, offenen Kleiderschränken oder bunten, unruhig wirkenden Bildern an den Wänden als Hintergrund rät Hesse ab. Ansonsten gilt, dass die Technik funktionieren muss. Bewerber sollten für ein sicheres Internet sorgen und vorher bei freien Anbietern wie Zoom üben, mit der Videotechnik souverän umzugehen.

Auch das Outfit der Bewerber sollte angemessen sein, selbst wenn auf dem Bildschirm nur der Oberkörper zu sehen ist. „Wenn man gut angezogen ist, hat man ein anderes Gefühl und wirkt überzeugender.“ Ganz wichtig sei auch: „Viele Bewerber schauen auf den Bildschirm statt in die Kamera. Um Blickkontakt zu halten, müssen sie aber direkt in die Kamera sehen. Ansonsten wirkt es für den Gesprächspartner so, als würden sie knapp an ihm vorbeischauen“, sagt Hesse. Hängende Schultern, gesenkter Blick oder Herumfuchteln mit den Händen sollte man vermeiden. „Setzen Sie sich gerade und aufrecht hin, halten Sie die Hände vor sich auf dem Schreibtisch“, rät Hesse.

Die Personalleiterin Kluck meint inzwischen: „Die Bewerber sind entspannter, wenn sie in einer gewohnten Umgebung sind, in der sie sich wohlfühlen.“ Manchmal gäben sie sich jetzt sogar zu lässig, dabei sei ein bisschen Anspannung wichtig, das schärfe die Konzentration.

Auch wenn das Videogespräch eine gute Alternative ist, ersetze es nicht die persönliche Begegnung. In seltenen Fällen, wenn sie etwa zwischen zwei geeigneten Kandidaten entscheiden muss, lädt Kluck Bewerber dann doch noch zu einem persönlichen Gespräch an die Hochschule ein, dass dann unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen stattfindet. Danach trifft sie die Wahl.

Das digitale Format habe gezeigt, was machbar ist. Auch nach Corona werde die Hochschule darauf zurückgreifen und sowohl Bewerbungsgespräche per Videokonferenz als auch persönliche Gespräche anbieten, kündigt sie an. So könnten sich Kandidaten in Zukunft zeitaufwendige An- und Abreisen sparen.

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