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Zum Truck-Bereich von Daimler gehören rund 100 000 Beschäftigte. 2020, in der Coronakrise, hat das Lkw-Geschäft schwer gelitten, inzwischen läuft es wieder besser. Doch die Wettbewerber Scania und Volvo sind noch etwas profitabler. Foto: Marijan Murat/dpa

© dpa

Daimler trennt Lkw-Sparte ab: Aus eins wird zwei

Die Aktionäre billigen die Aufspaltung: Daimler besteht künftig aus der Pkw-Sparte Mercedes-Benz sowie Daimler Trucks. 

Der Daimler-Konzern hat seine Struktur häufig verändert. 1926 wurde aus der Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz & Cie. Die Daimler-Benz AG. 1998 gingen Daimler und Chrysler eine später unglücklich getrennte Verbindung bei einer „Hochzeit im Himmel“ ein. Am Freitag stimmten die Aktionäre des Fahrzeugbauers für einen weiteren historischen Schritt. Aus dem Daimler-Konzern werden künftig zwei Unternehmen: Mercedes-Benz und Daimler Trucks.

Die Anfang Februar angekündigte Abspaltung des Lkw- und Busgeschäfts von der Pkw- und Van-Sparte soll noch dieses Jahr formal vollzogen und die neue Truck-Aktie vor Weihnachten an der Börse notiert sein. Künftig könnten also zwei Aktien im Deutschen Aktienindex auftauchen: Eine für das Geschäft mit Mercedes-Pkw und -Vans sowie eine des Weltmarktführers für Lkw und Busse.

„Es ist richtig, diese Neuaufstellung jetzt zu vollziehen: selbstbestimmt und aus einer Position der Stärke“, sagte Vorstandschef Ola Källenius am Freitag auf der virtuellen außerordentlichen Hauptversammlung. „Wir setzen damit das volle Potenzial beider Unternehmen frei.“ Lkw und Busse seien „das Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft“, fügte Martin Daum hinzu, Chef der künftig selbstständigen Nutzfahrzeugeinheit. Daimler Trucks wolle für alle arbeiten, „die die Welt bewegen“. Diesem Unternehmenszweck könne das eigenständige Unternehmen am besten gerecht werden.

Im Rahmen der Umstrukturierung werden 65 Prozent der Anteile an Daimler Trucks an bisherige Aktionäre transferiert, fünf Prozent gehen an den eigenen Pensionsfonds. Als Gegenleistung für die Abspaltung sollen die Daimler-Aktionäre für je zwei Aktien der Daimler AG eine Aktie der Daimler Truck Holding AG erhalten. Daimler wird einen Mindestanteil von 35 Prozent an Daimler Truck halten.

Einmalkosten von 700 Millionen Euro

Daimler Trucks erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2020 mit mehr als 100 000 Beschäftigten einen Umsatz von 35 Milliarden Euro, 2019 hatte der Umsatz 44 Milliarden Euro betragen. Das Betriebsergebnis belief sich im Coronajahr 2020 auf 525 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 2,7 Milliarden Euro gewesen. Mercedes-Benz Cars & Vans setzte mit gut 170 000 Beschäftigten rund 2,5 Millionen Fahrzeuge ab. Der Umsatz lag bei fast 99 Milliarden Euro (2019: 106,9), das Betriebsergebnis bei 5,1 Milliarden Euro (minus 109 Millionen).

Die Aufspaltung des Unternehmens wird zunächst einmal teuer. Einmalkosten in Höhe von 700 Millionen Euro fielen an, um den Konzern zu trennen, sagte Finanzchef Harald Wilhelm am Freitag. Diese beträfen unter anderem die Teilung und den Aufbau des Finanzdienstleistungsgeschäfts. Auch steuerliche Belastungen von rund 400 Millionen Euro würden erwartet, diese sollten aber zum großen Teil durch künftige steuerliche Entlastungen ausgeglichen werden.

Insgesamt zielt Daimler mit der Transaktion auf eine höhere Bewertung der Einzelunternehmen. An der Börse, die große Konglomerate stets mit einem Abschlag handelt, fiel die Reaktion am Freitag verhalten positiv aus. Seit Anfang des Jahres hat die Daimler-Aktie allerdings kräftig hinzu gewonnen.

Ola Källenius beschwor am Freitag noch einmal die Bedeutung der Dekarbonisierung und digitalen Transformation für beide Unternehmen. Um die Herausforderungen im Wettbewerb meistern zu können, sei eine Konzentration auf die jeweiligen, Geschäftsfelder und Kundenbedürfnisse notwendig. „Als ich Anfang der 90er Jahre bei Daimler angefangen habe, waren automatisiertes Fahren, emissionsfreie und voll vernetzte Fahrzeuge nur Visionen“, sagte der frühere Forschungs- und Entwicklungschef. Heute sei das Realität. „Und wir werden noch größere Veränderungen sehen.“

„Kein Geld für Gas-Lkw verschwenden"

Für Mercedes gelte deshalb ein höheres Tempo für die Elektrifizierung. „Die wichtigsten Märkte steuern in diese Richtung. Gerade im Luxussegment rückt die Wende näher“, sagte Källenius. Im Juli hatte Daimler seine Ziele geändert: reine Elektroautos und Plug-in Hybride sollen im Jahr 2025 die Hälfte (statt 25 Prozent) des Absatzes ausmachen, bis 2030 will Mercedes 100 Prozent elektrisch sein.

Auch im Nutzfahrzeuggeschäft setzt Daimler zunächst auf Batterie-elektrische Antriebe, später dann auch auf Wasserstoff und die Brennstoffzelle. Bei der Hauptversammlung präsentierte Martin Daum den in der Erprobung befindlichen Brennstoffzellen-Lkw „GenH2“. „Wir stecken unsere Ressourcen nicht in Sackgassen-Technologien wie Erdgas-Antriebe oder Oberleitungs-Lkw“, sagte Daum. „Und wir mahnen auch politische Entscheider in Berlin und Brüssel, hierfür weder Zeit noch Geld zu verschwenden.“

Auch im Truck-Segment sind die (von der Regulierung erzwungenen) Ziele ambitioniert. Im Jahr 2030 könnten batterie- und brennstoffzellengetriebene Lkw und Busse bis zu 60 Prozent des Daimler- Absatzes ausmachen, bekräftigte Daum. Erste Vorserienfahrzeuge des GenH2- Trucks sind für 2024 geplant, die Serienproduktion könnte 2027 starten.

Für das Pkw- und das Truck-Geschäft gilt: „In der Transformation ist Disziplin bei den Kosten noch wichtiger“, wie Källenius sagte. Denn sowohl Mercedes als auch Daimler Trucks wollen ihre Anteilseigner mit hohen Margen bei der Stange halten. Daum hat seinem Unternehmen Renditen zwischen sechs und gut zehn Prozent verordnet. Im ersten Halbjahr hatte er zehn Prozent geschafft – bleibt damit aber rund zwei Prozentpunkte hinter Scania und Volvo zurück.

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