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Wieder eine Corona-Hilfe beschlossen: Kanzlerin Angela Merkel (l.) und Finanzminister Olaf Scholz im Gespräch mit Justizministerin Christine Lambrecht (vorne).

© Tobias Schwarz/Pool via REUTERS

Update

Corona-Sonderregelung bis Ende 2020 verlängert: Überschuldete Firmen müssen weiterhin keine Insolvenz anmelden

Die Bundesregierung verlängert die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Allerdings gibt es eine entscheidende Einschränkung.

Unternehmen, die in der Coronakrise mit Überschuldung zu kämpfen haben, müssen auch weiterhin keine Insolvenz anmelden. Das hat die Bundesregierung am Mittwoch auf Vorschlag der Bundesjustizministerin Chrstine Lambrecht (SPD) beschlossen. Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum Ende dieses Jahres geht allerdings mit einer Einschränkung einher: Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, müssen künftig wieder einen Insolvenzantrag stellen. Die bis Oktober geltende Regelung hatte sowohl überschuldete als auch zahlungsunfähige Unternehmen von der Antragspflicht befreit.

„Wir müssen das Vertrauen in den Wirtschaftskreislauf aufrechterhalten und einen Schritt zurück in Richtung Normalität wagen“, sagte Lambrecht dazu. Die Rückkehr zur Überschuldungsregel hält sie allerdings derzeit für kontraproduktiv. „Denn bei diesen Unternehmen besteht die Aussicht auf eine dauerhafte Sanierung, wodurch Arbeitsplätzen erhalten und bestehende Strukturen bewahrt werden können.“

Wegen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war die Zahl der Firmenpleiten zuletzt sogar gesunken. In den Monaten April, Mai und Juni ging deren Zahl im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreszeiträumen trotz der Coronakrise zurück.

Warnung vor "Zombie-Firmen"

Um eine Pleitewelle zu verhindern und Unternehmen genug Zeit zu geben, Hilfsangebote zu beantragen, war im März die Insolvenzantragspflicht zunächst bis Ende September ausgesetzt worden. Kritiker monieren allerdings, dass dadurch die tatsächliche Lage verzerrt wird und „Zombie“-Firmen entstehen, die künstlich mit Rettungsgeldern am Leben gehalten werden. Sobald die Insolvenzantragspflicht wieder einsetzt, so die Sorge, werde daher eine umso größere Pleitewelle einsetzen.

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Die Bundesregierung sieht dieses Risiko, schätzt die Ausmaße allerdings als vertretbar ein. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Vizefraktionschefs Fabio de Masi hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Demnach geht die Bundesregierung zwar von einer Erhöhung der Insolvenzantragszahlen ab Oktober 2020 aus. Die Wiedereinführung der Insolvenzantragspflicht müsse aber „nicht zwangsläufig eine „Insolvenzwelle“ nach sich ziehen“.

Linke fordert andere Fördermaßnahmen

Für die Folgen steigender Insolvenzzahlen sieht sich die Bundesregierung zudem gut gewappnet. Die Eigenkapitalreserven der Banken seien auch im Fall mehrerer Kreditausfälle ausreichend, eine Überlastung der Gerichte könne man ebenfalls nicht erkennen und zu den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt lägen keine Erkenntnisse vor. Allerdings sieht auch die Bundesregierung die Gefahr eines Domini-Effekts: „Mit dem Ansteigen des Risikos von Insolvenzen in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten steigt auch das Risiko solcher Folgeinsolvenzen.“

De Masi begrüßt deshalb die weitere Aussetzung der Antragspflicht grundsätzlich, fordert allerdings andere wirtschaftspolitische Maßnahmen. „Sonst werden Insolvenzen nicht verhindert, sondern nur aufgeschoben“, so de Masi. „Statt einer verpuffenden Mehrwertsteuersenkung hätte der Konsum beispielsweise viel effektiver durch direktere Hilfen für Selbstständige und Kleinunternehmen, ein höheres Kurzarbeitergeld oder einen großzügigeren Kinderbonus gestützt werden können.“

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht andere Hilfen angeraten. „Wir brauchen kurzfristig ein vorinsolvenzrechtliches Verfahren, das überlebensfähigen Unternehmen eine Rettungsperspektive gibt“, sagte Chefjustiziar Stephan Wernicke dem Tagesspiegel. Entscheidend sei, „wie wir Unternehmen liquide halten“. Die aktuelle Regelung würde zu Lasten vieler Gläubiger gehen.

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