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Der Hafermilchhersteller Oatly setzt auf Nachhaltigkeit. Kein Tierleid und weniger Treibhausgase lautet sein Versprechen.

© AFP

CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln: Oatly und Nestlé entwickeln eigenes Klima-Label – weil die Politik es nicht tut

Lebensmittelfirmen wollen den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte ausweisen – als Vorbild für andere Unternehmen und Appell an die nächste Bundesregierung.

Wie viel Zucker, Fett und Salz stecken in einem Lebensmittel? Das zeigt seit vergangenem Jahr der von der Bundesregierung eingeführte Nutri-Score auf einer Skala von einem grünen A (sehr gut) bis zu einem roten E (Finger weg!). Doch wie klimaschädlich ein Produkt ist, wie viel CO2 und andere Treibhausgase (CO2e) bei seiner Herstellung entstehen, dafür gibt es hierzulande noch kein einheitliches Label.

Vier Lebensmittelunternehmen wollen das ändern: Oatly, Frosta, Mymuesli und Nestlé Deutschland haben die Initiative „Together for Carbon Labelling“ gegründet. Unterstützt von den Klimaschutzorganisationen German Zero und Global Impact Alliance verpflichten sie sich, einen gemeinsamen Standard zur CO2e-Kennzeichnung von Lebensmitteln zu entwickeln.

Genau den hatte der Hafermilch-Hersteller Oatly schon vor einem Jahr in einer Petition von der Bundesregierung gefordert. Das Anliegen wurde großflächig in Städten plakatiert, 57 000 Unterschriften kamen zusammen, der Bundestags-Petitionsausschuss tagte. Doch seitdem sei nichts passiert, klagt Oatly-Deutschlandchef Tobias Goj. „Wir warten nach wie vor auf eine Antwort vom Petitionsausschuss.“ Die Allianz der vier Lebensmittelfirmen will nun Druck auf die Politik machen.

Einmal CO2-Fußabdruck ausrechnen: 50.000 Euro

„Wir wollen Kaufentscheidungen für umweltbewusste Konsument:innen vereinfachen und Unternehmen dabei unterstützen, ihren CO2e-Verbrauch zu identifizieren und zu reduzieren“, sagt Goj.

Wie die Kennzeichnung auf der Verpackung konkret aussehen soll, wird noch ausgehandelt. Eine farbliche Kennzeichnung wie für den Zucker-, Fett- und Salzgehalt sei denkbar, sagt Julian Zuber, Geschäftsführer von German Zero. Diese allein hält Goj jedoch für zu intransparent und schlägt „konkrete Zahlen, die Vergleichbarkeit ermöglichen“ vor, etwa die Angabe des CO2e-Fußabdrucks.

Transparenz und Vergleichbarkeit seien die wichtigsten Kriterien, damit Konsument:innen die Einstufung nachvollziehen könnten, sagt Zuber. Außerdem müsse die CO2e-Kennzeichnung leicht umsetzbar sein, um kleinere Unternehmen nicht gegenüber großen Lebensmittelkonzernen zu benachteiligen.

Denn weitere Firmen sollen sich nach dem Willen der Initiatoren „Together for Carbon Labelling“ anschließen. Man wolle sein Wissen teilen und jene unterstützen, die „aus Kostengründen ihren CO2e-Fußabdruck noch nicht berechnet haben“, sagt Goj. Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, schätzt die Kosten pro Produkt auf 50.000 bis 60.000 Euro.

„Befindlichkeiten müssen außen vor bleiben“

Die Lebensmittelindustrie verursache ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen, sagt Zuber. „Wenn wir hier ansetzen, haben wir einen großen Hebel.“ German Zero will erreichen, dass Deutschland bis 2035 klimaneutral wird. Bei Oatly gehört der Einsatz für den Planeten zum Image. Kein Tierleid und weniger Treibhausgase, lautet das Hafermilch-Versprechen.

Auch Frosta und Mymuesli werben mit Nachhaltigkeit. Dass sie sich mit Nestlé zusammentun, dürfte in der bewusst konsumierenden Zielgruppe hingegen für Verwunderung sorgen. Umweltaktivist:innen haben den Schweizer Konzern immer wieder angeprangert: für Tierversuche, Palmöl-Plantagen im Regenwald oder seinen Umgang mit Wasserrechten.

„Befindlichkeiten wie das Image einzelner Unternehmen müssen manchmal außen vor gelassen werden, wenn man Projekte umsetzen will, die das bestehende Systeme verändern“, entgegnet Goj. Von diesem seien Marktführer wie Nestlé nun mal ein wichtiger Teil. Wer viel erreichen will, darf bei Verbündeten nicht wählerisch sein – ähnlich hatte Oatly schon 2019 auf die Kritik am Einstieg des Finanzinvestors Blackstone reagiert. Diesem wird vorgeworfen, an der Abholzung des Regenwaldes mitzuverdienen. „Klar ist aber, dass alle Partner:innen sich den Zielen der Initiative unterordnen und letztlich an ihnen gemessen werden“, sagt Goj.

„Der nächste Koalitionsvertrag sollte diese Maßnahme beinhalten“

Hinzu kommt, dass Nestlé seit längerem an einer neuen Strategie und an einem neuen, umweltfreundlichen Image arbeitet. Der Lebensmittelriese will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Bis 2025 sollten die Treibhausgase um 20 Prozent, bis 2030 um 50 Prozent verringert werden, sagt Anke Stübing, Nachhaltigkeits-Chefin des Konzerns in Deutschland – gemessen am ökologischen Fußabdruck von 92 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2018.

Fast drei Milliarden Euro wolle man dafür bis 2025 ausgeben. Weltweit gesehen, macht die Beschaffung der Zutaten zwei Drittel des ökologischen Fußabdrucks von Nestlé aus, elf Prozent entfallen auf Verpackungen. Diese sollen laut Stübing bis 2025 alle recyclingfähig sein. Neben dem CO2e-Ausstoß wünsche sich Nestlé künftig auch eine Kennzeichnung anderer Umweltauswirkungen, sagt sie, zum Beispiel wieviel Wasser oder Fläche Produkte in der Herstellung verbrauchen. Am liebsten anhand einer „gemeinsamen europäischen Methodik zur Berechnung“.

Doch für die bräuchte es erst einmal in Deutschland Einheitlichkeit. Schon vor einem Jahr schlug der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) dem Landwirtschaftsministerium in einem Gutachten ein Klimasiegel für Lebensmittel vor.

Doch die Umsetzung ist kompliziert, vor allem bei verarbeiteten Produkten mit vielen Zutaten aus verschiedenen Regionen. „Wir sehen es weiterhin als Aufgabe der Politik, hier einen Standard gesetzlich zu verankern“, sagt Goj. „Der nächste Koalitionsvertrag sollte diese Maßnahme beinhalten, wenn die zukünftige Regierung es tatsächlich ernst meint mit dem Klimaschutz. Wir unterstützen gerne mit einer praxistauglichen Vorlage.“

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