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Carsten Klude, Chefvolkswirt bei der Privatbank MM Warburg und Vorsitzender des Konjunkturausschusses des Bankenverbands.

© Thilo Rückeis

Carsten Klude, Privatbank MM Warburg: „Donald Trump könnte einen Kurssturz auslösen“

Der Chefvolkswirt bei der Privatbank MM Warburg, Carsten Klude, über den Brexit, die USA, die Wahlen in Frankreich und die Folgen für das Wirtschaftswachstum. Ein Interview.

Von Carla Neuhaus

Herr Klude, die deutsche Wirtschaft wächst ganz ordentlich. Kann es so weitergehen – trotz Trump, Brexit und Wahlen?

Ja, wir gehen davon aus. Gleichzeitig gibt es aber natürlich eine Menge politischer Risiken. Unklar ist, wie sich die Dinge in den USA tatsächlich entwickeln oder wie sich die Brexit-Verhandlungen gestalten. Schauen wir aber rein die ökonomischen Daten an, haben wir Grund, optimistisch zu sein. Die Stimmung der Verbraucher ist gut, die Arbeitslosigkeit gering. Deshalb gehen wir davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch in diesem Jahr um 1,7 Prozent wächst – wegen einer geringeren Anzahl von Arbeitstagen wird die nicht-kalenderbereinigte Wachstumsrate allerdings nur bei bei 1,4 Prozent liegen.

Wie kann sich die Wirtschaft trotz all der Unsicherheiten so gut entwickeln?

In vielen Länder hat sich die Wirtschaft zuletzt von der Politik abgekoppelt. Der Brexit, die Trump-Wahl, das Italien-Referendum: Jedes dieser Ereignisse hätte für sich genommen das Wirtschaftswachstum bremsen können. Passiert ist das nicht. Trotzdem sollten wir jetzt aber nicht davon ausgehen, dass es deshalb immer so weiter geht.

Was wäre das Worst-Case-Szenario?

Entscheidend für die Euro-Zone ist insbesondere, wie die Präsidentschaftswahlen in Frankreich ausgehen. Im schlimmsten Fall könnte der Front National gewinnen. Würde dann die Ankündigung umgesetzt, dass Frankreich aus der Euro-Zone austritt, könnte das für die gesamte Europäische Union unkalkulierbare Folgen haben. Von dieser Entwicklung gehen wir derzeit aber nicht aus.

Was ist realistischer?

Wir glauben, dass es keine neue EuroKrise gibt, sondern dass auch im Währungsraum die Wirtschaft mit einem Plus von 1,5 Prozent solide wachsen wird. Auffällig ist allerdings, dass sich die Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich entwickeln. Auf der einen Seite gibt es Länder mit einem sehr ordentlichen Wachstum wie Deutschland, die Niederlande, Österreich, aber auch die beiden einstigen Krisenstaaten Spanien und Irland. Auf der anderen Seite stehen Länder, die nicht so stark wachsen – etwa Italien und Frankreich. Auch Portugal und Griechenland haben noch lange nicht so viele Reformen umgesetzt, wie es aus ökonomischer Sicht wünschenswert wäre.

Glauben Sie, dass sich die Länder der Euro-Zone wirtschaftlich wieder stärker annähern werden?

Ich bin da eigentlich ganz zuversichtlich. In Frankreich haben sich die Frühindikatoren zuletzt bereits verbessert, auch die Arbeitslosigkeit ist etwas zurückgegangen. Das sind positive Signale. Viel hängt aber von der Politik in den Einzelstaaten ab. Bislang haben sich viele Euro-Länder zu stark auf die Europäische Zentralbank (EZB) verlassen, die die Wirtschaft mit ihrer expansiven Geldpolitik stützt.

Ist die expansive Geldpolitik noch nötig?

Die EZB ist natürlich nicht allein für einzelne Staaten zuständig, sondern muss die Euro-Zone als Ganzes betrachten. Doch nicht nur für uns Deutsche, für die gesamte Euro-Zone ist die extrem lockere Geldpolitik in ihren jetzigen Umfängen inzwischen nicht mehr angemessen. Deshalb wäre die EZB gut beraten, nun ein klares Signal zu senden, dass sie auf absehbare Zeit die expansive Geldpolitik langsam zurückfahren wird.

Davon ist bei der EZB bislang aber noch keine Rede. Besteht die Gefahr, dass die Zentralbank zu lange zögert?

Ja, das kann passieren. Zumal: Je länger die EZB an der expansiven Geldpolitik festhält, desto größer wird die Gefahr, dass Anleger Risiken eingehen, die sie nicht eingehen sollten – denn die Risikobepreisung ist ja durch das derzeitige Zinsniveau stark verzerrt. Das kann die Finanzmarktstabilität gefährden.

Welches Risiko geht für die wirtschaftliche Entwicklung vom Brexit aus?

Nach dem Referendum haben viele zunächst angenommen, dass man schnell Folgen sehen und die britische Wirtschaft einbrechen wird. Das ist nicht passiert. Gleichzeitig darf man daraus aber nicht auf die Zukunft schließen. Die negativen Folgen des Brexit sind dadurch nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wenn der Brexit dann kommt, wird das auch deutsche Unternehmen treffen.

Glauben Sie, dass viele Banken aufgrund des Brexit von London nach Deutschland umziehen werden?

Das ist keine Entscheidung, die man von heute auf morgen trifft. Gerade die amerikanischen Investmentbanken dürften sich einen solchen Umzug gut überlegen. Möglicherweise werden sie auch versuchen, wieder mehr Geschäft von ihrem Heimatstandort aus zu machen. Schließlich setzen die USA unter Trump eher auf eine Deregulierung des Finanzsektors, während die Vorgaben für Banken in Europa sogar noch weiter zunehmen.

Welche Folgen hat es, wenn die Amerikaner die Regeln für Banken lockern, während die Europäer strenger werden?

Aus der Finanzkrise sollten wir doch gelernt haben, dass nur eine international abgestimmte Regulierung die Stabilität des globalen Finanzsystems gewährleisten kann. Je nachdem wie stark die Korrekturen ausfallen werden, wären dann Wettbewerbsverzerrungen vor allem zu Lasten Europas zu erwarten.

Mit Deregulierung und niedrigeren Steuern will Trump den Unternehmen helfen. Wächst die Wirtschaft in den USA weiter?

Für dieses Jahr sehen wir ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent in den USA. Aber das liegt kaum an Trump. Selbst wenn er die Steuern senken und mehr in Infrastruktur investieren will, sind das doch Vorhaben die Zeit brauchen. Dazu kommt, dass Trump auch protektionistische Maßnahmen wie Zölle angekündigt hat. Die wiederum würden das Wachstum eher schwächen.

Trotzdem feiern die Märkte Trump, die Aktienkurse steigen seit seiner Wahl. Warum?

Das liegt wohl daran, dass seine protektionistischen Maßnahmen bisher wenig greifbar sind. Er hat viel angedroht, aber es ist völlig unklar, was er realisiert. Mal war von einem Zoll von 45 Prozent die Rede, dann nur von 25 Prozent. Mal hieß es, Trump nimmt bestimmte Länder wie China und Mexiko ins Visier, dann wiederum nur einzelne Güter. Das ist bislang noch ein sehr diffuses Bild. Das lässt sich sehr viel schwerer einordnen als geplante Steuersenkungen, die Deregulierung und mehr Ausgaben für die Infrastruktur. Bei Letzterem weiß man dagegen, dass das die Wirtschaft stärken würde. Wenn Trumps protektionistische Pläne jedoch konkreter werden, muss man damit rechnen, dass Märkte darauf reagieren und die Kurse wieder nachgeben.

Carsten Klude ist Chefvolkswirt bei der Privatbank MM Warburg und Vorsitzender des Konjunkturausschusses des Bankenverbands. Das Gespräch führt Carla Neuhaus.

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