zum Hauptinhalt
Von Privat zu Privat für relativ kleines Geld. Ein Porsche über Turo ist nicht unmöglich.

© dpa-tmn

Carsharing: Raus aus der Parkzone

Bei der Online-Börse Turo bieten Privatleute ihr Auto zur Miete an. Hierzulande kommt das Geschäft langsam in Schwung.

An den Weihnachtstagen ist der nachtblaue Porsche 911 S, Baujahr 1976, noch zu haben. Für 514,42 Euro an drei Feiertagen, 600 Kilometer inklusive. Nicht ein Autovermieter bietet den Sportwagen an, es ist „Jon“, ein privater Autobesitzer, der auf der Online-Plattform Turo registriert ist. Dort vermieten Privatleute ihre Autos, Peer-to-Peer-Carsharing (P2P) nennt man das. Einen 42 Jahre alten Porsche würde man bei Sixt, Hertz & Co. nicht bekommen und Spezialvermieter sind teurer.
Davon lebt Turo. 2011 in San Francisco gegründet, ist das Unternehmen die weltweit größte Online-Plattform für privates Carsharing, vertreten in den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland. „Dass das private Auto auch etwas anderes sein kann, als ein Kostenfaktor, ist für viele Menschen neu“, sagt Deutschland-Chef Marcus Riecke im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Es sei ein „volkswirtschaftlicher Wahnsinn“, dass 45 Millionen Autos in Deutschland 23 Stunden am Tag herumstehen.

Der Chef hat für Ebay und Monster gearbeitet

Der gebürtige Hamburger, Anfang 50, kennt sich aus mit Internet-Plattformen, hat in Leitungsfunktionen bei Ebay, StudiVZ, Monster und Nextdoor gearbeitet. Seit Anfang des Jahres baut Riecke Turo im Autoland Deutschland auf – mit großen Erwartungen. Weltweit hat Turo zehn Millionen registrierte Nutzer, mehr als 340 000 Fahrzeuge werden angeboten, die meisten davon in den USA. Weltweit wird ein neunstelliger Umsatz generiert. „In Deutschland sind wir jetzt bei mehr als 1700 Fahrzeugen, das ist nach sechs Monaten eine ganze Menge“, sagt Riecke, der mit Blick auf einen Pkw-Bestand von hierzulande 45 Millionen noch ein „gewaltiges Potenzial“ für Turo sieht. „Wir sind erst am Anfang, aber ich halte es für möglich, eine einstellige Prozentzahl aller Autobesitzer für das Peer-to- Peer-Carsharing gewinnen zu können.“ Bei einem Anteil von fünf Prozent, nähme Turo damit allein in Deutschland gut zwei Millionen potenzieller Nutzer in den Blick. Aktuell sind weniger als 60 000 – Vermieter und Mieter – registriert.

Man spricht von einer P2P-Plattform

Turo ist der größte P2P-Anbieter, aber nicht allein. Die Wettbewerber wachsen, teilweise nach Übernahmen von kleineren Konkurrenten. Drivy, 2010 in Frankreich gegründet, ist Europas führende Peer-to-Peer-Carsharing-Plattform mit nach eigenen Angaben mehr als 50 000 Autos in sechs Ländern und zwei Millionen registrierten Nutzern – davon 230 000 in Deutschland, die 6000 Autos mieten können. Snappcar, 2011 in den Niederlanden gestartet, kommt auf 400 000 Nutzer in Europa und rund 45 000 Autos im Angebot. Kleinere Anbieter wie Getaway kommen hinzu.
„User Experience“, eine positive Nutzererfahrung, schreiben alle groß. Kunden, die ein Auto mieten, sollen in keiner Schlange stehen, keine Kreditkarte belasten oder sich mit unfreundlichem Personal herumschlagen müssen. „Alles läuft über unsere App“, sagt Riecke. Verabredung, Bezahlung und Abwicklung werden über das Smartphone erledigt. Mieter und Vermieter treffen sich, der Mieter dokumentiert per Foto-App den Zustand des Fahrzeugs, der Schlüssel wird übergeben – dann kann es losgehen.

Ein Viertel der Miete geht an Turo

25 Prozent des Mietpreises gehen als Provision an Turo, zehn Prozent zahlt der Mieter zusätzlich als Buchungsgebühr – ein ähnliches Geschäftsmodell wie bei Airbnb. Versichert ist das Auto über die Allianz, mit der auch die Wettbewerber Drivy und Snappcar zusammenarbeiten. Die Versicherung des Vermieters ruht für die Dauer der Vermietung. Und wenn die eigene Versicherung etwas dagegen hat? „Das ist trotz anderslautender Berichte bei uns noch nicht vorgekommen“, sagt Riecke. Turo bietet drei Selbstbeteiligungsmodelle an: 1000 Euro sind für den Mieter kostenlos. Keine Selbstbeteiligung war mit der Allianz nicht zu machen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird die Gültigkeit des Führerscheins oder des Tüv nicht geprüft. Turo verspricht eine Ersparnis von einem Drittel zu identischen Mietwagen – vorausgesetzt, das spezielle Fahrzeug wird anderswo angeboten.

Das Auto darf nicht älter als zehn Jahre sein

Nicht älter als zehn Jahre, dürfen die angebotenen Autos sein und nicht mehr als 150000 Kilometer auf der Uhr haben. User Experience ist auch bei Turo ein wichtiges Schlagwort. Häufig für mehrere Tage, wie die Erfahrung zeigt. "Die meisten Kunden buchen ein praktisches Auto für eine Kurz-Reise, im Schnitt für knapp vier Tage", sagt Riecke. Beliebt seien aber auch besondere Autos für einen besonderen Anlass, der pinke Porsche für den Junggesellenabschied oder die Luxus-Limousine für eine Hochzeit. Wie bei Airbnb heißen die Autovermieter auch bei Turo Hosts, die Mieter sind Guests. Zugelassen sind nicht nur Privatleute, sondern auch kleine lokale, inhabergeführte Autowerkstätten oder -händler, die nebenbei einen kleinen Fuhrpark betreiben. Oder Spezialisten, die zum Beispiel nur Oldtimer oder Käfer-Cabrios vermieten. Diese Fahrzeuge werden nicht über Turo, sondern über den Anbieter versichert.

In Berlin gibt es 241 Autos

In Berlin können Interessenten aktuell auf 241 Fahrzeuge zugreifen - VW Golf, Mercedes C-Klasse und 3er BMW führen das Ranking an. Turo setzt auf Qualität - bei den angebotenen Autos und den geposteten Fotos, aber auch bei den Hosts. "Wir sortieren durchaus auch Fahrzeuge aus, die nicht unseren Qualitätsanforderungen entsprechen", sagt Riecke. "Wir wollen keine Listings, die nicht ausreichend attraktiv sind." In sieben deutschen Städten bietet das Unternehmen deshalb einen kostenlosen, professionellen Foto-Service für Vermieter an.

Zur Startseite