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Börsengang von Streamingdienst: Hat Spotify das Zeug zum nächsten Netflix

© REUTERS/Christian Hartmann

Börsengang von Streamingdienst: Wird Spotify das nächste Netflix?

Spotify hat das Musikstreaming erfunden und den Markt verändert. Ob das Geschäft funktioniert, muss sich jetzt an der Börse zeigen.

Ferraris und Frauen haben Daniel Ek nicht glücklich gemacht. Erst 22 Jahre alt war der Schwede 2006, als er seine Internetwerbefirma verkauft hatte. Der junge Millionär schmiss wilde Champagnerparties in Stockholms Nachtclubs – und wurde bald depressiv. Bei der Suche nach einer neuen Aufgabe stieß er auf das Musikgeschäft. Damals hatten illegale Onlinetauschbörsen die Plattenfirmen in ihre tiefste Krise gestürzt – auch weil sie sich lange gegen nutzerfreundliche Verkaufsmodelle für Musik in digitaler Form wehrten. „Zum ersten Mal in der Geschichte war ein Piraterieprodukt besser als das legale Original“, sagte Ek einmal. Um das zu ändern, gründete er den Streamingdienst Spotify. Die Idee: Eine gigantische Jukebox im Internet, bei der auf Knopfdruck alle Musik der Welt zur Verfügung steht. 35 Millionen Songs sind es inzwischen.

Anfangs musste Ek viel Überzeugungsarbeit leisten, um von den Labels die notwendigen Lizenzen zu bekommen. Inzwischen aber ist das Streaming zum Hoffnungsträger der Musikindustrie geworden. Deren weltweite Umsätze waren von 24 Milliarden Dollar im Jahr 1999 auf 14,3 Milliarden im Jahr 2014 eingebrochen. Seither geht es dank der Streamingeinnahmen wieder aufwärts, die zuletzt um 60 Prozent zulegten.

Spotify hat 160 Millionen Nutzer

Spotify als Marktführer hat dabei fast 160 Millionen Nutzer, von denen 71 Millionen pro Monat etwa zehn Euro für den Dienst zahlen. Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um 39 Prozent auf mehr als vier Milliarden Euro. Am heutigen Dienstag geht das Unternehmen in New York an die Börse. Es könnte der Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte sein, wie sie sonst meist nur im Silicon Valley geschrieben wird. Allerdings ist noch nicht ausgemacht, ob an ihrem Ende auch ein Happy End steht. Analysten erwarten immerhin eine Bewertung des Unternehmens von rund 20 Milliarden Dollar.

Denn während frühere Wettbewerber wie die deutschen Anbieter Simfy oder Soundcloud inzwischen zu kämpfen haben oder schon länger die Segel streichen mussten, macht vor allem Apple den Schweden mächtig Konkurrenz. 2015 starteten die Amerikaner ihren Streamingdienst und haben inzwischen 38 Millionen zahlende Nutzer. Da das Streaming bei Apple nur ein Angebot von vielen ist, können dabei auch Verluste in Kauf genommen werden. Denn obwohl das von Spotify erfundene Konzept, nicht mehr für den Besitz von Musik zu bezahlen, sondern nur noch für den Zugang, sich bei immer mehr Nutzern durchsetzt, muss sich das Geschäftsmodell noch beweisen. So hat Spotify in den zwölf Jahren seit der Gründung noch keinen Cent Gewinn erzielt. Im Gegenteil: 2017 stieg der Verlust vor Steuern und Abschreibungen (EBITDA) noch einmal auf 324 Millionen Euro.

"Die Ärzte" machen nicht mit

Schließlich schüttet Spotify fast 70 Prozent seiner Einnahmen an Plattenfirmen und Rechteinhaber aus. Trotzdem ist das Streamingmodell immer noch bei vielen Musikern umstritten. So weigern sich „Die Ärzte“ bis heute, ihre Songs auf Spotify abspielen zu lassen, „Die Toten Hosen“ haben ihren Boykott erst vor einem Jahr aufgehoben. Hauptkritikpunkt sind die vermeintlich zu geringen Auszahlungen: Zwischen sechs und acht Zehntel eines Cents bringt das Abspielen eines Liedes ein. Damit muss es im Schnitt 150 Mal laufen, bis 99 Cent zusammenkommen, also soviel wie ein Download kostet. Trotzdem erhalten Superstars, deren Tophits teilweise auf mehrere hundert Millionen Aufrufe kommen, inzwischen von dem Streamingdienst Schecks in Millionenhöhe – pro Song. Weniger bekannte Künstler müssen sich freilich oft mit drei- bis vierstelligen Summen begnügen. Das liegt aber auch an deren Verträgen mit ihren Plattenfirmen. Gerade die großen Labels behalten nach Berechnungen der „New York Times“ von einem Euro, der auf Spotify verdient wird, die Hälfte ein. Der Streamingdienst bekommt 29 Cent, beim Künstler selbst bleiben letztlich im Schnitt 18 Cent hängen.

Das kostenlose Angebot provoziert

Umstritten bei den Plattenfirmen ist vor allem Spotifys kostenloses, werbefinanziertes Angebot. Allerdings wechselt fast die Hälfte der Kunden irgendwann zu der Bezahlversion, mit dem man auch unterwegs auf dem Smartphone Musik hören kann. Durch die Abogebühren fließe trotz des All-you-can-eat-Modells mehr Geld als früher, argumentiert Axel Bard Bringeus. Er hat sieben Jahre die internationale Expansion von Spotify geleitet und arbeitet nun für den Investor EQT Ventures. „In der alten Plattenwelt haben die wenigsten 120 Euro pro Jahr für Musik ausgegeben“, sagt Bringeus.

Er glaubt auch, dass der Streamingmarkt noch lange wachsen wird. Das zeige sich schon in Deutschland, wo die Musikbranche noch mehr als 50 Prozent der Einnahmen durch CD-Verkäufe erzielt – auf Spotify & Co. entfällt erst knapp ein Viertel. In den USA dagegen generiert Streaming schon zwei Drittel der Umsätze, in Schweden mehr als 80 Prozent. So sei auch Platz für mehrere Anbieter, glaubt Bringeus.

Der Finanzchef kommt von Netflix

Um Spotify auch wirtschaftlich zum Erfolg zu führen, hat Ek Barry McCarthy als Finanzchef geholt. Der brachte schon 2002 Netflix, den heutigen Marktführer im Video-Streaming, an die Börse. Nun soll er Spotify ähnlich profitabel machen. Vielleicht auch deswegen wählte Ek beim Gang auf´s Parkett einen ungewöhnlichen, kostensparenden Weg: eine Direktplatzierung. Spotify verzichtet dabei auf die Suche nach Großanlegern im Vorfeld und das dazugehörige Preisbildungsverfahren. Die Börsenpremiere wird so zu einer besonderen Überraschung.

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