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Aussortiert. Auch das Unternehmen Lindt Sprüngli mit seinen Schokoladen ist künftig an den europäischen Börsen nicht zugelassen.

© picture alliance/dpa

Börsenäquivalenz gestrichen: Die EU sperrt Schweizer Aktien aus

Die EU blockiert den Handel mit Schweizer Aktien. Der Grund: Das Land will das Partnerschaftsabkommen nicht unterschreiben.

Nahezu alle Schweizer Aktien sind seit gestern vom Handel an der Deutsche Börse Frankfurt, auf der elektronischen Handelsplattform Xetra und den Regionalbörsen ausgesetzt. Auch an allen anderen EU-Handelsplätzen von London über Paris bis Mailand können Nestle, die UBS, Lindt Sprüngli, Novartis, die Crédit Suisse, Roche und viele andere Schweizer Papiere seit gestern nicht mehr gekauft oder verkauft werden, entschied die Regierung in Bern. Insgesamt setzte Frankfurt nach einer entsprechenden Anweisung aus Bern 182 Schweizer Aktien vom Handel aus, in London waren es sogar 245. Zuvor hatte Brüssel den so genannten Äquivalenzstatus der Schweizer Börse auslaufen lassen, eine Verlängerung also ausgeschlossen.

Allen Banken und Vermögensverwaltern in der EU ist damit der Handel an der Schweizer Börse SIX verboten. Hintergrund des Börsenkriegs ist nicht etwa, dass die EU eine neuerdings schlechtere Börsenregulierung im Nachbarland festgestellt hätte. Vielmehr sieht die EU-Kommission in der Entscheidung, die Äquivalenz und damit Gleichwertigkeit der Schweizer Börse nicht über den 30. Juni hinaus zu verlängern, ein politisches Druckmittel. Ziel ist es, die Schweiz zur Unterschrift unter den seit November 2018 vorliegenden Entwurf für ein Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Schweiz zu zwingen. Es soll eine Vielzahl von bilateralen Verträgen ersetzen, wird aber in der Schweiz im Vorfeld der Wahlen am 20. Oktober inzwischen kritisch gesehen.

Die Schweizer fürchten um ihre Souveränität

Umstritten sind diverse Regelungen: So sehen Konservative die Schweizer Souveränität in Gefahr, weil das Abkommen die Übernahme von EU-Gesetzgebung und von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vorsieht. Linke befürchten eine Aufweichung des Schweizer Lohnschutzes. Die EU lehnt jede Neuverhandlung des Abkommens jedoch strikt ab. Parallel dazu wird die harte Haltung der EU auch als kaum verklausulierte Botschaft an London gewertet. Europas führendem Finanzstandort könnte im Fall eines Brexits und mangelnder Bereitschaft zu EU- freundlichen Partnerschaftsverträge ähnliche Strafmaßnahmen drohen, heißt es.

30 Prozent des Handelsvolumens mit Schweizer Aktien, schätzen Fachleute, wird außerhalb der Schweiz abgewickelt, mehrheitlich in der EU, vor allem in London. Diese Trades dürften nun teilweise zurück in die Schweiz gehen. Die Schweizer Börse SIX ist der viertgrößte Handelsplatz Europas. Schweizer Aktien bringen einen Börsenwert von 1,1 Billionen Euro auf die Waage und stellen mehr als zehn Prozent im gesamteuropäischen Index Stoxx 600. An der Deutschen Börse, so ein Sprecher, seien 2018 Schweizer Titel im Volumen von 2,45 Milliarden Euro gehandelt worden. Dies entspreche bei einem Gesamtvolumen von 1,6 Billionen Euro aber nur 0,1 Prozent.

Fonds sind nicht betroffen

Deutsche Anleger, die nun Schweizer Papiere kaufen oder verkaufen wollen, können dies seit 1. Juli größtenteils nur noch an der Schweizer Börse tun. Damit müssen sie jedoch höhere Gebühren für eine Auslandsorder und eine Abrechnung in Schweizer Franken mit Währungstausch akzeptieren. Aktionärsschützer raten Anlegern, sich vor einer Order bei ihrer Depotbank nach den fälligen Gebühren zu erkundigen. Indexpapiere, Derivate, Fonds oder Anleihen sind nicht von den neuen Restriktionen betroffen. Der Ausschluss gilt auch nicht für Aktien, die im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet sind. Diese Ausnahme betreffe jedoch kaum mehr als ein Handvoll Unternehmen, etwa BB Biotech, so Patrick Kalbhenn, Sprecher bei der Deutschen Börse.

Die Umsätze an der SIX, einem Zusammenschluss der Börsen Zurich, Genf und Basel mit Sitz in Zürich, lagen gestern leicht im Plus. Der Swiss Market Index, nach dem griechischen Index auf Jahressicht der beste Markt in ganz Europa, liegt seit Juni 2018 insgesamt 17,9 Prozent im Plus und notierte gestern auf einem neuen Allzeithoch. Marktstörungen seien nicht feststellbar gewesen, hieß es bei der Six. Man habe sich schon lange vorbereitet und Kunden einen Schnellzugang zur Börse in Zürich ermöglicht. Allerdings ist man in der Schweiz dennoch unzufrieden mit dem gegenseitigen Boykott. Es sei wenig sinnvoll, wenn ein einziger Handelsplatz alle Geschäfte mit bestimmten Aktien an sich ziehe und damit der Wettbewerb reduziert sei, hieß es unter Börsenhändlern.

Laut Kalbhenn ist bisher nicht absehbar, wann die gegenseitigen Strafnahmen wieder gekippt werden könnten. Eine Liste der vom Handel ausgeschlossenen Papiere hat die Deutsche Börse auf dieser Internetseite veröffentlicht.

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