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Manche werden schon nervös. Ein Trader an der Wall Street.

© Justin Lane/dpa

Börsen: Angst vor dem Crash

Immer mehr Analysten warnen vor einem Crash an den Aktienmärkten – andere empfehlen dagegen eine ruhige Hand. Warum langfristig Denkende im Vorteil sind.

Immer öfter schiebt sich ein hässliches Wort in Analysen und Diskussionen: Crash. Schon im Sommer warnten mehrere Hedgefonds-Manager vor einem gewaltigen Abwärtsrutsch der Börsen. Immer öfter wollen Fondsmanager und Analysten aktuell „auffällige Parallelen“ zu früheren Crashs erkennen. Jens Erhard von Startkapital etwa glaubt, dass steigende Zinsen und massive Aktienrückkäufe ein ähnlich explosives Gemisch bilden wie schon 1987, als der Dow Jones am „Schwarzen Montag“ um 22,6 Prozent abstürzte. Andere sehen den März 2000 wieder näherrücken und damit extrem hohe Bewertungen der Tech-Firmen. Und Dritte wiederum glauben, dass im zehnten Jahr der Hausse einfach die Anschnallzeichen langsam wieder leuchten und demnächst die große Bereinigung zu erwarten sei, ähnlich einem Unwetter nach brütender Sommerhitze.

In der Tat liegen fast zehn sehr gute Jahre hinter Aktionären. Seit dem Tief der letzten Baisse 2009 bei 6547 Punkten hat der Dow Jones 303 Prozent Plus gemacht. Beim Dax sind es 224 Prozent. Zuvor hatte der Dow, ausgehend von seinem Rekordkurs bei 14 164 Punkten im Oktober 2007, bereits ein Jahr vor der Lehman-Pleite zum Crash angesetzt, war dann binnen eineinhalb Jahren um 54 Prozent eingeknickt. Auch den Dax rasierte die Finanzkrise zwischen Sommer 2007 und März 2009 um 55 Prozent. Noch massiver ging es nach dem Platzen der Dotcom-Blase ab März 2000 in den Keller: Binnen zwei Jahren hatte der Dax knapp drei Viertel seines Wertes eingebüßt. Am Neuen Markt waren viele Internet-Unternehmen pleite gegangen und hatten Anlegern sogar Totalverluste beschert.

Keiner sah die Crashs kommen

Für alle Crashs der Vergangenheit galt: Keiner sah sie kommen, die Minuszeichen summierten sich unerwartet hoch, doch der Spuk war auch irgendwann vorbei und der Abwärtstaumel stets nach wenigen Jahren wieder ausgebügelt. Ursache war entweder eine Bewertungsblase, die von Daueroptimisten immer weiter aufgebläht wurde, bis sie angesichts fehlender Käufer bei immer mehr Verkaufswilligen in sich zusammenfiel. Oder aber ein externes Ereignis, etwa eine tiefe Konjunkturkrise am Ende einer Ära steigender Zinsen und damit verknappter Liquidität, oder auch die Finanzkrise, in der Probleme in der Bankenwelt systemische Dimensionen annahmen. Drittens kommen als Auslöser von Crashs auch sogenannte Schwarze Schwäne in Betracht, das sind Ereignisse, die definitionsgemäß nicht vorherzusagen oder zu erwarten und auch höchst unwahrscheinlich sind, aber dennoch geschehen. Dass alle Crashs rückwirkend betrachtet erklärbar und logisch sind, aber vor ihrem Auftreten nicht vorhersehbar waren, ist ebenfalls eine Gemeinsamkeit.

Was bedeutet das für die Gegenwart? „Wir wissen nicht, was geschehen wird, denn niemand verfügt über eine Kristallkugel“, sagt Stephan Werner, Aktienfonds-Manager bei der DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank. Allerdings könne man die Lage immer wieder detailliert auf Risikofaktoren abklopfen und notfalls kurzfristig entsprechend reagieren. Insgesamt gelte derzeit: „Wir sind weit entfernt von einer Situation, in der die Warnlampen blinken.“ In den kommenden zwölf Monaten rechnet die DWS jedenfalls nicht mit einem Crash. Ganz im Gegenteil erwarte er, sagt Werner, zusätzlich zu den Dividendenrenditen drei Prozent Plus, also im Schnitt insgesamt eine Rendite von sechs Prozent in Aktien, bis Herbst 2019. Sowohl in den USA, wo Steuersenkungen und Aufschwung die Gewinne erheblich steigern, als auch in Europa gebe der Blick in die Unternehmen ausreichend Anlass „für einen konstruktiv positiven Ausblick“. Gerade die immer öfter geäußerten Zweifel und Ängste vor einem Crash nährten die Rallye. Die Märkte seien eben nicht von Euphorie getrieben, sondern „eher langsam und stetig nach oben getickert“. Klar sei aber auch, räumt Werner ein, dass die Bäume nicht unendlich in den Himmel wachsen könnten. „Diesen Wendepunkt kann man zeitlich schwer voraussagen“.

Die Cashquoten sind niedrig

Dass die Mehrheit der Fondsbranche so denkt wie Werner, zeigen die Cashquoten. Laut Merrill Lynch halten Fondsmanager aktuell vier Prozent Bargeld – und damit nur etwas mehr als im Mittel. Maximal dürfen deutsche Fonds 50 Prozent Cash halten, luxemburgische nur 30 Prozent. Auch an den Portfolios aktiv gemanagter Fonds ist nicht erkennbar, dass die Profis mit hartem Seegang voraus rechnen. Das Verhältnis zwischen zyklischen und damit konjunktur- und störungsanfälligen Aktien einerseits und Substanzwerten andererseits hat sich bisher nicht verschoben. Substanztitel, etwa Pharmaaktien halten sich in Absturzphasen meist stabiler, bieten über ihre Dividenden zudem eine gewissen Boden gegen Verluste. Zudem: Auch in Konjunkturkrisen senken im Schnitt 80 Prozent der Unternehmen ihre Dividenden nicht. Für die kommende Dividendensaison 2019 rechnen die Profis zunächst aber noch einmal mit steigenden Ausschüttungen. Acht Prozent mehr sollte möglich sein, sagt Werner.

Wer langfristig denkt und auch bei stärkerem Minus im Depot keinen Herzkasper kriegt, kann die Crash-Sorgen auch ignorieren. Denn der Blick zurück zeigt, ablesbar an Zahlen, die das Deutsche Aktieninstitut bereithält: Langfristig glätten sich die Tiefen jedes Crashs. Im Chart des Dow Jones etwa ist der Crash von 1987 inzwischen nur noch ein kleines Abwärtshäkchen. Wer 1995 einen Fonds auf den Dax gekauft und stur bis Ende 2017 gehalten hat, wurde mit einem Plus von 8,3 Prozent belohnt – jedes Jahr und trotz der beiden Crashs von 2000 und 2007, zudem zweier tiefer Korrekturen 2011 und 2015. Durch geschicktes Verkaufen und Kaufen an Wendemarken wäre zwar deutlich mehr drin gewesen, doch gelingt es niemandem fortlaufend, den niedrigsten Zeitpunkt zum Kaufen und den höchsten zum Verkaufen zu erwischen.

Wirtschaftswissenschaftler aus Harvard kamen zu dem Ergebnis, dass nur eine Kurssteigerung um 150 Prozent binnen zwei Jahren die Wahrscheinlichkeit für einen Crash in den kommenden zwei Jahren auf 80 Prozent erhöhen. Davon sind wir aktuell sehr weit entfernt.

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