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Anschlussverwendung. In einer riesigen Speicherfarm sollen ausgediente Autobatterien künftig zur Energiegewinnung genutzt werden – und so das nebenliegende Werksgelände und tausende Haushalte mit Strom versorgen. Gesamtprojektleiter ist Dominik Becks (BMW Energy Services). Foto: Hendrik Schmidt/dpa

© dpa

BMW in Leipzig: Äpfel, Bienen und Batterien

BMW feiert die Produktion des 100 000sten Elektroautos i3 in Leipzig und eröffnet eine Speicherfarm mit alten Akkus, die mit dem Strom von Windrädern geladen werden.

Bei BMW in Leipzig fließen Apfelsaft und Honig. Der bayerische Autobauer hat seit der Werkseröffnung 2005 auf dem 230 Hektar großen Gelände vor den Toren der Stadt tausende Apfelbäume und Linden gepflanzt. Der Ertrag ist erheblich: Drei Tonnen Äpfel landen jedes Jahr in einer mobilen Saftpresse, 1,5 Millionen Bienen produzieren 800 Kilo Lindenblütenhonig. Eine sächsische Agrarfabrik mit angeschlossener Autoproduktion.

Saft und Honig spielten am Donnerstag freilich nur eine Nebenrolle. BMW feierte ein Jubiläum im Kerngeschäft: In der Leipziger Autofabrik rollte das 100 000ste Exemplar des elektrischen i3 vom Band, der seit vier Jahren hier produziert wird. Nebenan nahm der Konzern eine „Speicherfarm“ in Betrieb, in der künftig bis zu 700 ausgediente Batterien aus E-Autos und Hybridfahrzeugen in einem zweiten Leben für die Stromversorgung des Werks und der Region genutzt werden sollen.

„Die Zukunft von BMW ist elektrisch“, sagte BMW-Vorstandschef Harald Krüger. „Ohne das Know-how aus Leipzig wäre das nicht möglich.“ Das Leipziger Werk, in dem aktuell überwiegend 1er- und 2er-BMW mit Verbrennungsmotor hergestellt werden, produziert mit täglich fast 1000 Fahrzeugen an der Kapazitätsgrenze und soll 2018 erweitert werden. Im vergangenen Jahr wurde mit 246 550 Autos – davon 29 000 i-Modelle – ein Produktionsrekord erzielt. Den will BMW 2017 übertreffen. Der Autokonzern hat bis heute mehr als zwei Milliarden Euro in Leipzig investiert.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sprach am Donnerstag von einer „Schlüsselinvestition“ für das ostdeutsche Bundesland, in dem heute 100 000 Beschäftigte in der Autoindustrie arbeiten, 80 Prozent davon bei Zulieferern. Neben BMW bauen auch Volkswagen und Porsche in Sachsen Autos. Etwa jeder zehnte in Deutschland produzierte Pkw stammt aus den fünf Autowerken des Landes. Im Jahr der BMW-Werkseröffnung habe die Arbeitslosenquote bei etwa 25 Prozent gelegen, heute „steht eine fünf vor dem Komma“, sagte Tillich. Dies sei auch BMW zu verdanken. Kürzlich hat der Autobauer angekündigt, zusätzlich 300 Millionen Euro in die klassische Produktion in Sachsen zu investieren – vor allem in die Erweiterung und Automatisierung. „Das ist ein Bekenntnis zu Leipzig und zum Standort Deutschland“, sagte Harald Krüger. Neue Jobs – BMW beschäftigt im Leipziger Werk aktuell 5300 Mitarbeiter – sollen allerdings nicht entstehen. Die Lackiererei läuft heute schon zu 90 Prozent automatisch. Im Karosseriebau für den i3 verrichten 600 Roboter nahezu geräuschlos ihr Werk, nur 100 Mitarbeiter beaufsichtigen und warten die Maschinen.

Mit der Ansiedlung des ersten E-Modells aus der BMW-Familie in Leipzig im Jahr 2013 habe der Konzern Mut bewiesen, lobte der Ministerpräsident. Am Donnerstag präsentierte BMW eine noch verpackte Version eines offenen Roadster-Modells des Hybrid-Sportwagens i8, der demnächst ebenfalls in Leipzig produziert werden soll. Eine kleine Weltpremiere. Insgesamt wolle BMW im kommenden Jahr 100 000 elektrifizierte Autos verkaufen, bekräftigte Krüger. Bis 2025 will der Konzern 25 elektrifizierte Modelle auf den Markt bringen. Zwölf rein elektrische Fahrzeuge, 13 Plug-in-Hybride. Die Marketingabteilung spricht von einer „Führungsrolle“.

Über die aktuelle Nachfrage nach dem i3 kann BMW-Chef Krüger allerdings nicht glücklich sein – zumindest nicht mit Blick auf den Heimatmarkt. Die Produktion in Leipzig ist nicht ausgelastet. Mehr als 22 200 i3 wurden von Januar bis September 2017 weltweit ausgeliefert, nur gut 3100 davon nach Deutschland. Die größten Absatzmärkte sind Norwegen, die USA und Großbritannien. „Ich erwarte von der kommenden Bundesregierung, dass sie bei der Umsetzung der vereinbarten Fördermaßnahmen vorankommt“, sagte Krüger. Ungeachtet der schlechten Stimmung, die zwischen BMW und seinen Wettbewerbern Daimler und Volkswagen seit den Kartellermittlungen der EU herrscht, arbeiteten die Unternehmen beim Aufbau einer Ladeinfrastruktur weiter zusammen.

Neuland betritt BMW mit der Eröffnung der „Speicherfarm“. „Für uns schließt sich jetzt der Kreislauf“, sagte Krüger. Die Farm nimmt zum einen überschüssige Energie auf, welche die vier werkseigenen Windräder erzeugen, die drei Viertel des Strombedarfs im Werk decken. In Zukunft kann BMW auch Strom in das öffentliche Netz einspeisen, zum Beispiel, wenn der Wind besonders kräftig weht. „Mit einer maximalen Leistung von zehn Megawatt könnte die Farm 50 000 Haushalte einen Monat lang mit Strom versorgen“, sagte Joachim Kolling, Leiter des BMW-Geschäftsfelds Energy Services. Auch an anderen BMW-Standorten sollen solche Batteriespeicher entstehen.

Derzeit sind 500 ausgediente und neue E-Auto-Batterien in der Leipziger Farm verbaut, die meisten produzierten Akkus sind noch in den i3 und i8 auf der Straße unterwegs. Doch ihre Leistung wird in den kommenden Jahren nachlassen, BMW garantiert, dass die Batterien acht Jahre lang halten. Danach sollen sie Platz in der Leipziger Speicherfarm finden.

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