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Angst vor Steuererhöhungen: Den Bundesbürgern liegt Geld besonders am Herzen.

© imago/photothek

Bloß keine Steuererhöhung: Die größte Sorge der Deutschen ist das eigene Geld

Eine neue Umfrage zeigt: Nicht Corona oder Klimaschutz, der eigene Geldbeutel ist den Menschen in Deutschland das Wichtigste.

Nicht Corona oder das Klima, die größten Sorgen machen sich die Bundesbürger ums Geld. „Jeder zweite hat Angst, künftig weniger im Portemonnaie zu haben“, sagt Brigitte Römstedt von der R+V-Versicherung.

Seit 30 Jahren befragt die Versicherung die Deutschen nach ihren größten Ängsten. In diesem Jahr nennen 53 Prozent der 2400 Befragten als größte Sorge die Angst vor Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen als Folge der massiven Schulden, die der Staat wegen Corona gemacht hat. Auf Platz zwei der am Donnerstag in Berlin vorgestellten Studie über „Die Ängste der Deutschen“ stehen Inflationssorgen, gefolgt von der Befürchtung, dass deutsche Steuerzahler für die EU-Schuldenkrise haften müssen.

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Ist Klimaschutz doch nicht so wichtig?

Es sind daher vor allem die persönlichen Finanzen, die die Menschen umtreiben – und nicht das Top-Wahlkampfthema Klimaschutz. Nur 41 Prozent der Befragten haben Angst, dass Naturkatastrophen und Wetterextreme zunehmen, das reicht gerade einmal für Platz acht der Umfrage. Der Klimawandel als separat abgefragtes Thema kommt in der Befragung sogar nur auf Platz elf.

Allerdings muss man wissen, dass die Interviews, die der repräsentativen Umfrage zugrunde liegen, von Mai bis Anfang Juli dieses Jahres geführt worden sind. Nach der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland- Pfalz hat die Versicherung daher Ende Juli mit einer zusätzlichen Online-Befragung von 1000 Menschen reagiert. Zu Recht: Nach den Flutbildern schnellte die Sorge vor Naturkatastrophen und Extremwetter auf 69 Prozent in die Höhe, 61 Prozent fürchten jetzt auch die Folgen des Klimawandels.

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„Der Schock sitzt tief, aber wie lange noch?“, fragt Manfred Schmidt von der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Der Politikwissenschaftler berät die Versicherung bei der Auswertung der Ängste-Studie. Der Professor stellt einen Wertewandel fest – materialistische Werte werden wieder wichtiger als post- materialistische, sagt er.

Klimaschutz hört beim Geldbeutel auf

Deutlich werde das bei der Klimafrage: Je mehr den Menschen klar wird, dass sie für den Klimaschutz etwa über höhere Benzinpreise zahlen müssen, desto weniger wichtig werde das Thema für sie. Auffällig: Auch bei jungen Leuten zwischen 14 und 19 Jahren schafft es die Sorge um die Folgen des Klimawandels nur auf Platz drei. Die Befürchtung, dass die Digitalisierung nur schleppend vorankommt, ist wichtiger und – selbst bei den Jungen – auch die Angst vor Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen durch Corona.

Klimaschutz liegt den Menschen nicht mehr so sehr am Herzen, es sei denn, sie müssen Katastrophenbilder sehen - wie die aus dem Ahrtal.
Klimaschutz liegt den Menschen nicht mehr so sehr am Herzen, es sei denn, sie müssen Katastrophenbilder sehen - wie die aus dem Ahrtal.

© imago images/Hannes P. Albert

Die Angst, sich mit Covid-19 zu infizieren und schwer zu erkranken, beschäftigt die Menschen übrigens weniger stark als vor einem Jahr. Nur 35 Prozent haben Angst vor einer schweren Corona-Infektion (Platz 14). Schmidt hält das jedoch für unrealistisch und „überoptimistisch“. Gestiegen ist allerdings die Befürchtung, Partnerschaften könnten im Zuge der Coronakrise zerbrechen (Platz 22).

Die Menschen fühlen sich sicher

Generell, zeigt die Umfrage, fühlen sich die Menschen derzeit sicher. Der „Angstindex“, der aus den Antworten der Befragten gebildet wird, liegt mit einem Wert von 36 auf dem niedrigsten Niveau seit 1992. Er steigt, wenn Menschen sich hilflos fühlen, etwa nach Terroranschlägen oder Wirtschaftskrisen.

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Dabei gilt jedoch: Frauen sind generell ängstlicher als Männer, berichtet Römstedt. Zudem gibt es Unterschiede zwischen Ost und West. So sehen Menschen in Ostdeutschland den Zuzug von Geflüchteten kritischer und haben weniger Vertrauen in die Politiker. 50 Prozent befürchten im Osten, dass die Politiker überfordert sind, im Westen sind es 39 Prozent. Insgesamt schneiden Politiker mit einer Schulnote von 3,8 schlecht ab.

Corona? Die Besorgnis, sich anzustecken, sinkt deutlich.
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„Die Ängste der Deutschen sind real“, betont Schmidt, doch die Politiker machten um das Thema derzeit einen großen Bogen. Dabei sind öffentlichen Schulden in der Coronakrise nach Angaben des Statistischen Bundesamts allein 2020 um 14,4 Prozent oder 273,8 Milliarden Euro auf einen Rekordstand gewachsen. Die nächste Regierung, warnt Schmidt, müsse daher tatsächlich entweder die Steuern oder Sozialabgaben erhöhen, Leistungen kürzen oder sich über einen Schattenhaushalt retten.

Teurer Sprit: lieber nicht tanken.
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Auch die Angst vor Inflation sei nicht unbegründet: „Man sieht die Preissteigerungen an der Tankstelle, im Supermarkt oder bei der Miete“. Im August erreichte die Inflationsrate mit 3,9 Prozent den höchsten Wert seit vielen Jahren.

Die Deutschen haben hohe Ansprüche

Doch manchmal kann man es die Politik den Menschen auch nicht recht machen. So glauben die meisten, die CoroHilfen hätten die Gefahr einer Rezession gebannt. Doch zugleich werden sie als Bedrohung für die Staatsfinanzen gesehen. „Die Leute haben ein sehr hohes Anspruchsniveau“, meint Schmidt.

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