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Zuschauermagnet. Die IAA in Frankfurt am Main lockte im vergangenen Jahr eine halbe Million Autofans an.

© AFP

Bewerbung um die IAA: Vom Traumschiff zur Autoschau

Auch weil Berlins Wirtschaftssenatorin Pop sich nicht traut, wird IHK-Präsidentin Kramm für Berlins Präsentation beim Autoverband gebraucht.

Florian Silbereisen oder Michael Müller? Schiff oder Auto? Beatrice Kramm wird sich Mitte der Woche entscheiden müssen. Die ehrenamtliche Präsidentin der Berliner IHK verdient ihr Geld als Geschäftsführerin der Filmfirma Polyphon, die das „Traumschiff“ produziert. Kramm wird in dieser Woche in Kapstadt zugegen sein, wenn unter anderem mit Kapitän Silbereisen neue Folgen der Kreuzfahrt-Schmonzette gedreht werden. Das ist schade. Denn der Regierende Bürgermeister hätte die Kammerpräsidentin, die auf jeder Bühne eine gute Figur macht, gerne an seiner Seite, wenn er am 23. Januar beim Verband der Autoindustrie (VDA) das Konzept für die Internationale Autoausstellung (IAA) vorstellt. Im Roten Rathaus hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Kramm einfliegt, um der 90-minütigen Bewerbung Berlins mehr Charme zu verpassen.

Hunderttausende besuchen die IAA

Für Donnerstag und Freitag hat der VDA zum Schaulaufen eingeladen. Die IAA ist eine der größten Messeveranstaltungen hierzulande mit Zehntausenden Fachbesuchern aus aller Welt sowie gut 500 000 Autofans, die sich zuletzt im September in Frankfurt am Main durch die Messehallen drängten. Wie die Industrie insgesamt, so steht auch die alle zwei Jahre stattfindende Automesse vor einer Transformation. „Die neue IAA ist mehr als eine Automesse – sie ist ein Konzept, mit der sich die austragende Stadt gemeinsam mit uns zu einer Smart City entwickeln soll“, beschreibt VDA-Geschäftsführer Martin Koers das Ziel und den Anspruch an die künftige IAA-Stadt. Neben Frankfurt  bewerben sich Stuttgart, Hamburg, Hannover, München, Köln und Berlin für das Großprojekt.

Jede Stadt hat 90 Minuten

Vor einem knappen Dutzend Chief Marketing Officers der wichtigsten deutschen Autohersteller und -zulieferer präsentieren die Städte Ende der Woche ihre Konzepte und Ideen. Jede Stadt darf mit fünf Personen auflaufen und hat 90 Minuten zur Verfügung. Bestenfalls mit Außenseiterchancen gehen Hamburg, Hannover, Stuttgart und München ins Rennen. Die Bayern trommeln zwar eifrig, doch München kommt wegen BMW ebenso wenig in Betracht wie Stuttgart wegen Daimler/Mercedes: Heimspiele für einzelne Konzerne möchte man im Verband, der ohnehin Mühe hat die Fliehkräfte in seiner Mitgliedschaft zu kontrollieren, auf gar keinen Fall.

Köln ist Außenseiter

In Hannover gibt es bereits die IAA Nutzfahrzeuge und Hamburg steht mehr für Schiffe als für Autos. Köln wiederum, die Heimatstadt der Ford-Werke und Sitz der deutschen Toyota, wirbt mit dem Einzugsgebiet: 20 Millionen potenzielle Besucher müssten nicht mehr als 100 Kilometer zurücklegen. Ferner argumentiert Gerald Böse, der Chef der Kölnmesse, mit dem Erfolg der weltgrößten Video- und Computer-Spielemesse Gamescom, die sich erfolgreich am Rhein etabliert hat. „Die neue IAA muss die Gamescom der Mobilität werden.“

Frankfurt kommt mit Minister

Dennoch kann Köln kaum gegen Frankfurt und Berlin bestehen. Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz mit weltweiter Ausstrahlung gilt an der VDA-Spitze als Favorit. Wo soll man neue, nachhaltige Mobilitätskonzepte erfahrbar machen, wenn nicht in der größten deutschen Stadt? Frankfurt ist seit den 1950er Jahren Gastgeber der IAA – doch kann ein Neustart am alten Standort funktionieren? „Wenn sie in einem schlechten Film sind, wechseln sie doch auch nicht den Kinosaal“, meint dazu der Frankfurter Wirtschaftsdezernent Markus Frank. Und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier: „Gerade das Rhein-Main-Gebiet ist national wie international ein Schwerpunkt der Mobilität und Verkehre.“ Bouffiers Stellvertreter, der Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al- Wazir, steht an der Spitze des fünfköpfigen Frankfurter Bewerbungsteams, das am Freitag beim VDA vorträgt.

Müller hofft noch auf Pop

Berlin präsentiert bereits am Donnerstag um 13.30 Uhr. Michael Müller ist gesetzt als Teamchef, dazu Christian Göke, Geschäftsführer der landeseigenen Messegesellschaft. Mindestens zwei Frauen sollen dabei sein, gerne aus der Wissenschaft. Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), und Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt Universität, werden genannt. Mit einen Überraschungsgast aus dem Bereich Kunst und Kultur möchten Müller und Göke punkten. Aber noch steht die Aufstellung der Berliner Bewerbungsmannschaft nicht endgültig, weil der Regierende und der Messechef auf Ramona Pop warten.

Angst vor der eigenen Partei

Die Berliner Wirtschaftssenatorin, wie ihr hessischer Kollege Al-Wazir Mitglied der Grünen, hat Angst. Seitdem ein Grünen-Parteitag im Dezember gegen die IAA votierte, drückt sie sich vor einem Bekenntnis und möchte mit dem Thema Autoschau nicht behelligt werden. Auch deshalb muss womöglich „Traumschiff“- Produzentin Kramm einfliegen. Frankfurts Wirtschaftsdezernent Frank freut sich über die Berliner Personalnot: „Die unterstützt uns großartig“, sagte er dem Tagesspiegel über Pop, die qua Amt als stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat der Messe Berlin sitzt.

Teure Bewerbung

Für das Casting in dieser Woche haben die Bewerberstädte jeweils bis zu 500 000 Euro ausgegeben. Diverse Agenturen unterstützen die Messegesellschaften mit multimedialem Material, das die Marketingleute der Industrie beeindrucken soll. Dutzende Charts und bunte Clips haben zumindest die Favoritenstädte im Programm.

Vorentscheidung am 29. Januar

Die Marketingchefs aus der Industrie geben nach dem Casting eine Empfehlung ab für die wirklich wichtigen Leute. Am 29. Januar befasst sich der 19-köpfige VDA-Vorstand, in dem die Chefs der großen Hersteller und Lieferanten vertreten sind, mit der Standortfrage. Läuft alles nach Plan, dann beschließen die Bosse eine Shortlist mit zwei Städten für die abschließenden Verhandlungen, die spätestens im März abgeschlossen sein sollten. Es geht dann nicht mehr allein um die „völlig neue IAA“ (VDA-Geschäftsführer Koers), sondern vor allem um Geld. Der Autoverband, der am Bebelplatz in Berlin-Mitte in einem ehemaligen Bankgebäude aus dem vorletzten Jahrhundert residiert, finanziert sich zum Großteil mit den Einnahmen der Autoshow. So könnte die entscheidende Frage am Ende lauten: Wer bietet mehr – Frankfurt oder Berlin?

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