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In Klassenräumen mit Maschinen, Computern und Geräten lassen sich junge Vietnamesen ausbilden.

© Thomas Imo

Berufsausbildung in Vietnam: "Ich suche mir die passende Firma"

Deutschland unterstützt Vietnam bei der Reform seiner Berufsausbildung. Hiesige Firmen profitieren davon.

Lokführer werden hier im Osten von Ho Chi Minh City nicht ausgebildet. Davon gibt es in Vietnam genug. So viele sogar, dass die Deutsche Bahn und private Bahnbetreiber hierzulande, denen mindestens 1.500 Lokführer fehlen, gerade auf Vietnamesen schielen. Mehrere wurden bereits an der Lokführerschule Mannheim für das Lenken deutscher Züge ausgebildet. Sechs sollen mittlerweile hierzulande im Führerstand von Zügen und Loks sitzen. Rund zwei Dutzend lernen dem Vernehmen nach gerade in Vorbereitung auf ihren Wechsel nach Deutschland in ihrem Heimatland Deutsch.

Auch wenn das Berufsbildungszentrum Lilama 2 keine Lokführer ausbildet, können auch deutsche Unternehmen davon profitieren, was hier an der Schnellstraße von Vietnams größter Stadt zum wichtigsten Hafen des Landes am südchinesischen Meer passiert. „In Vietnam zählt nur die akademische Ausbildung“, umschreibt Jürgen Hartwig, Programmleiter Berufsbildung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vietnam die Lage. Im Auftrag des Berliner Entwicklungsministerium BMZ unterstützt sie deshalb Vietnam bereits seit 2013 bei der Reform der Berufsbildung. Das Thema ist ein Schwerpunkt der deutsch-vietnamesischen Zusammenarbeit. Zwischen 2017 und 2020 wendet die GIZ dafür rund 16,5 Millionen Euro auf.

Fachkräfte dringend gesucht

Das derzeit boomende Land mit seinem 95 Millionen Einwohnern kann die Nachfrage nach Fachkräften aktuell weder qualitativ noch quantitativ decken - bei Wachstumsraten der Wirtschaft von sechs bis sieben Prozent im Jahr. Ein Drittel der Schulabgänger geht zur Uni, ein Drittel in die Berufsbildung, ein Drittel arbeitet sofort - etwa in der Landwirtschaft, weiß Hartwig.
2,2 Millionen Schülerinnen und Schüler lernen derzeit an den rund 2.000 Berufsschulen des Landes - allerdings fehlt eine praktische Ausbildung analog dem Dualen System in Deutschland.

Das Lilama zeigt, dass es auch anders geht. In den Klassenräumen und den mit Maschinen, Computer und Geräten vollgepackten Labors für die praktische Ausbildung herrscht Aufbruchsstimmung. Man trifft sehr selbstbewusste junge Vietnamesen, wie an diesem Novembertag. Phan Thi Hai Tien hat ihre dreijährige Ausbildung zur Mechatronikerin fast abgeschlossen. Zusammen mit einer weiteren jungen Frau und 21 jungen Männern hat sie sich an der Lilama und in wiederholten mehrmonatigen Betriebspraktika als Mechatronikerin schulen lassen. „Ich werde meinen künftigen Job sicher gut machen. Ich bin wählerisch und suche mir die passende Firma aus“, sagt die junge Frau während sie sich mit einer Test-Abfüllanlage beschäftigt. Ins Ausland - das will sie nicht unbedingt. Die Lilama-Absolventen haben auch in Vietnam beste Chancen - zumal im Umfeld der boomenden Industriemetropole Ho Chi Minh City, die die meisten Vietnamesen auch heute noch Saigon nennen.

Absolventen im festen Blick der Firmen

„Nicht weit entfernt von unserer Schule wird bis 2023 ein neuer Flughafen gebaut. Da werden beim Bau und beim Betrieb viele Fachkräfte benötigt“, sagt Nguyen Khanh Cuong, der Direktor des Lilama. Längst haben die Firmen die weiblichen und männlichen Absolventen des Berufsbildungszentrum in den Bereichen Elektroniker, Konstruktions-und Zerspanungsmechaniker und Mechatroniker fest im Blick. „Die Berufe, die hier ausgebildet werden, passen sehr gut zu uns“, sagt Thy Thu Vyen, Vize-Direktorin der vietnamesischen Martech Boiler Group. So gut, dass die Lilama-Schüler schon im dritten Jahr von den Unternehmen mit fünf Millionen Dong, umgerechnet rund 200 Euro im Monat entlohnt werden. Für Vietnam ist das ein vergleichsweise gutes Gehalt.

Die Lilama-Absolventen haben auch in Vietnam beste Chancen
Die Lilama-Absolventen haben auch in Vietnam beste Chancen

© Thomas Imo

Kein Wunder, dass mittlerweile mehr als 50 einheimische und internationale Firmen mit der Lilama zusammenarbeiten, darunter auch Bosch, Mercedes-Benz und Siemens. Die deutsche Außenhandelskammer in Vietnam und die Handwerkskammer in Erfurt und Potsdam unterstützen die Lilama und bestätigen die Vergleichbarkeit der Ausbildung mit deutschen Ausbildungsverordnungen und Lehrplänen, betont GIZ-Programmleiter Hartwig.

Industrie 4.0 als ein zentrales Thema

21.000 junge Menschen profitieren derzeit jährlich von der deutsch-vietnamesischen Kooperation auf dem Berufsschulsektor. 80 Prozent finden durch die duale Ausbildung eine Arbeitsstelle, heißt es bei der GIZ. Und erhalten dabei einen um ein Viertel höheren Lohn pro Monat als der Durchschnitt in Vietnam, sagt Hartwig. Das Land strebt an, dass bis Ende 2020 mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte des Landes fachlich ausgebildet sind.

80 Prozent der junge Menschen finden durch die duale Ausbildung eine Arbeitsstelle, heißt es bei der GIZ.
80 Prozent der junge Menschen finden durch die duale Ausbildung eine Arbeitsstelle, heißt es bei der GIZ.

© Thomas Imo

„Großes Thema auch in Vietnam ist Industrie 4.0“, weiß Hartwig. Der Bedarf an entsprechend ausgebildeten Fachkräften ist hoch. Weshalb sich unter anderem Bosch Rexroth in einem Gemeinschaftsprojekt mit der GIZ massiv an der Lilama engagiert und dort ein eigenes Labor eingerichtet hat und eine Fabrik der Zukunft im Kleinen aufgebaut hat. 242.000 Euro investiert das Unternehmen, 200.00 Euro kommen vom BMZ. „Wir zeigen hier, was Industrie 4.0 bedeutet“, sagt Guru Mallikarjuna, der die Ausbildung leitet und der 15 Leute betreut, die auf einen Job in der Fabrik des Unternehmens in Vietnam hoffen können. Dort stellt Bosch Rexroth Antriebsstränge her.

Während vor allem bei Pflegeberufen viele Vietnamesinnen und Vietnamesen auf eine Arbeit in Deutschland hoffen - wo bekanntlich Pflegekräfte fehlen - und mittlerweile auch Lokführer abgeworben werden, denken die Liliama-Absolventen zuerst einmal an einem Job in ihrem Land. Die Kooperation zwischen den Berufsschulen und der GIZ ist auch Teil des Kampfes gegen Schleuser, die immer wieder und immer noch junge Vietnamesen mit falschen Versprechungen locken und zum Weg nach Europa animieren - wo sie nicht selten brutal ausgenutzt werden oder gar umkommen, wie unlängst in Großbritannien.

Der Autor war auf Einladung der GIZ fünf Tage in Vietnam unterwegs. Er hat sich an den Reisekosten beteiligt.

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