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Im Haus des Finanzsenators wird entschieden, wer die Energienetze betreibt. Matthias Kollatz-Ahnen geht bedächtiger vor als sein Amtsvorgänger, doch wenn er sich verzockt, gibt es in den nächsten Jahren keine Entscheidung. Beim aktuellen Strom-Konzessionär Vattenfall ist man ziemlich fassungslos.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Strom: Wer bekommt das Netz?

Der Streit um die Konzession für das Berliner Gasnetz liegt seit Jahren vor Gericht. Da landet nun auch das Stromnetz - weil der Finanzsenator das Risiko scheut.

Und wieder geht es vor Gericht. Der Bieterwettbewerb um die Berliner Energienetze ist ohne die Justiz offenkundig nicht zu entscheiden. Vor ein paar Jahren landete das Verfahren über die Vergabe der Konzession für das Gasnetz vor Gericht; jetzt folgt das Stromnetz. In beiden Fällen spielt der Finanzsenator eine Hauptrolle – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: In der Amtszeit des bisweilen nassforschen Ulrich Nussbaum (parteilos) bekam 2014 der erst 2012 gegründete Landesbetrieb Berlin Energie den Zuschlag für den Betrieb des Gasnetzes. Der Alt-Konzessionär Gasag klagt dagegen; bis zum Ende der juristischen Auseinandersetzung – das nicht in Sicht ist – betreibt die Gasag das Netz weiter.

Nun geht es um Strom und Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Der jetzige Finanzsenator ist die Solidität in Person. Kollatz-Ahnen umgeht vermintes Gelände – es sei denn, die Koalition schickt ihn da hin. SPD, Linke und Grüne streben „eine 100-prozentige Rekommunalisierung des Stromnetzes an“, steht im Koalitionsvertrag. Also Strom-, Gas- und Fernwärmenetz sollen in öffentliche Hände, nachdem sie vor rund 15 Jahren privatisiert worden waren. Das ist leicht gesagt, doch die Vergabestelle, die beim Finanzsenator angesiedelt ist, hat sich ans Gesetz zu halten und ein diskriminierungfreies Verfahren zu gewährleisten. Das war bei der Gasag offenbar nicht der Fall.

Senator will auf Nummer sicher gehen

Beim Stromnetz will Kollatz-Ahnen auf Nummer sicher gehen. In doppelter Hinsicht: Wenn Alt-Konzessionär Vattenfall den Zuschlag bekommt, muss er das den rot-rot-grünen Abgeordneten erklären können. Und wenn die Berlin Energie gewinnt, dann sollte die Entscheidung gerichtsfest sein, denn Vattenfall wird auf jeden Fall dagegen klagen.

Vor fünf Jahren begann in Berlin das Stromverfahren, die Konzession lief 2014 aus. Im August 2016 war dann eigentlich alles gelaufen, denn alle Bieter – neben Vattenfall und der Berlin Energie ist das die (chancenlose) Genossenschaft Bürgerenergie Berlin – hatten ihre Angebote abgegeben. Dass es vor der Berliner Landtagswahl keine Entscheidung geben würde, war klar, doch dann kam auch noch die Bundesregierung dazwischen: Anfang des Jahres wurde das Energiewirtschaftsgesetz leicht zugunsten der Kommunen verändert. Mit der Novelle soll es den Kommunen respektive den Vergabestellen erleichtert werden, private Alt-Konzessionäre zu übergehen und staatlichen Stadtwerken oder Firmen wie Berlin Energie den Zuschlag zu geben.

Am 23. Dezember 2016 passierte dann Folgendes: Kollatz-Ahnen informierte die drei Berliner Bieter, dass sie doch bitte – sofern vorhanden – Beschwerden am bisherigen Verfahren vorbringen mögen. Denn wenn einst die Vergabeentscheidung gefallen ist, dürfen die Unterlegenen keine Verfahrensfehler mehr geltend machen. Das ist der Sinn der Gesetzesänderung. Vattenfall hat als einziger Bieter einen Beschwerdekatalog eingereicht. Den haben sich die Experten in der Senatsverwaltung für Finanzen angeschaut und am 29. März per „Nichtabhilfebescheid“ geantwortet: Die von Vattenfall angeführten Rügen seien gegenstandlos. Bis zum 13. April hat Vattenfall nun Zeit, sich per Einstweiliger Verfügung beim Landgericht Berlin dagegen zu wehren.

Stromnetzverfahren vor Gericht gelandet

Damit ist das Stromnetzverfahren da gelandet, wo das Gasverfahren seit Jahren liegt – vor Gericht. Und so wie in der Gaswirtschaft der Alt-Konzessionär, also die Gasag, das Netz bis zu einer endgültigen Entscheidung weiterbetreibt, funktioniert das auch beim Strom. Vattenfall bleibt bis auf weiteres Betreiber des Stromnetzes. Und Eigentümer auch. Die Eigentumsfrage steht im Kern des Konflikts – und vielleicht der Lösung.

Offenkundig ist Kollatz-Ahnen eine Vergabe des Stromnetzes an die Berlin Energie zu riskant; wenn das anders wäre, dann hätte er sich das Theater mit den Rügen sparen und Berlin Energie den Zuschlag geben können. Klagen von Vattenfall gibt es so oder so. Vermutlich aber versucht sich der Finanzsenator in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen im Hinblick auf das Kooperationsmodell. Vattenfall hat nämlich zwei Angebote abgegeben. Das eine, wie gehabt, über den ganz normalen Netzbetrieb. Das andere aber bezieht das Land ein, indem es dem Senat eine Beteiligung an der Netzgesellschaft einräumt.

Und damit nicht genug: Als Option, so heißt es in der Branche, offeriere Vattenfall dem Senat nach einer Übergangszeit von fünf Jahren sogar die Mehrheit. Dieses Angebot kann Kollatz-Ahnen eigentlich nicht ausschlagen. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat angeblich auch Sympathie für dieses Modell. Ob das indes auch gilt für die Energie- und Umweltpolitiker der drei Regierungsparteien, ist offen. Auch deshalb spielt Kollatz-Ahnen auf Zeit, indem er den Umweg über das Landgericht eingeschlagen hat. Wenn die Entscheidung der ersten Instanz vorliegt, vielleicht schon Ende dieses Jahres, dann lassen sich daraus Schlussfolgerungen ziehen. Einer von beiden, Vattenfall oder der Finanzsenator wird dann eine bessere Verhandlungsposition haben, um das Kooperationsmodell mit Leben zu füllen.

Anwälte haben schon Millionen kassiert

Womöglich kommt es irgendwann doch noch zu der großen Lösung, an der Kollatz-Ahnen im vergangenen Jahr vergeblich gearbeitet hat: Der Rechtsstreit bei der Gasag wird beigelegt, indem das Land die Mehrheit an dem Unternehmen übernimmt und Vattenfall seinen Anteil verkauft. Beim Strom landet die Mehrheit mittelfristig beim Land und für das Fernwärmenetz, das Vattenfall auch gehört, findet sich ebenfalls eine Lösung. Die Manager des schwedischen Staatskonzerns behaupten zwar hartnäckig das Gegenteil, doch womöglich zieht sich Vattenfall vom deutschen Markt zurück.

Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich Politik, Konzern und Gerichte die ganze Legislaturperiode mit den Konzessionen beschäftigen. Zum Wohle der Anwälte, die dem Vernehmen nach bis heute schon rund acht Millionen Euro allein aus der Staatskasse kassiert haben.

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