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Rapper wie Blueface sind für Soundclouds Geschäftsmodell entscheidend.

© Marcus Ingram/Getty Images for BET/AFP

Berliner Streamingdienst: Soundcloud stellt sich neu auf

Die Musikplattform besinnt sich auf ihre Wurzeln. Künstler können Titel auch direkt bei der Konkurrenz teilen.

Stolz zeigte der Rapper Blueface seine neueste Tätowierung auf Fotos und Internetvideos. Stolz verbreitete Soundcloud-Gründer Alexander Ljung die Aufnahmen weiter. Schließlich hatte sich der Kalifornier, der derzeit als angesagtester Newcomer im HipHop gilt, gerade den rechten Unterarm mit dem Logo der Berliner Musikplattform verzieren lassen. „Soundcloud hat mein Leben verändert“, sagt Blueface. Durch Veröffentlichungen auf der Plattform kam er im Vorjahr zu schnellem Ruhm, sein aktueller Hit „Thotiana“ lag zuletzt in den amerikanischen Billboard-Charts auf Platz sechs der meist gestreamten Songs.

Der 22-jährige ist dabei nur das jüngste Beispiel von Musikern, die mithilfe von Veröffentlichungen auf der Plattform ihre Karriere starten. Als „Soundcloud-Rapper“ sorgten zuvor XXXTentacion, Juice WRLD oder Lil Uzi Vert in den vergangenen zwei Jahren für Furore. In ihren genuschelten Reimen geht es um Weltschmerz und Depressionen, der Missbrauch von Schmerzmitteln und Antidepressiva wird in den Texten genauso zelebriert, wie auf Instagram. Emo-Rapper wie der an einer Überdosis gestorbene Lil Peep werden daher oft mit Grunge-Musikern wie Nirvana-Sänger Kurt Cobain verglichen. „Gesichts-Tattoos sind für Soundcloud-Rapper, was karierte Holzfällerhemden für die Grunge-Bewegung waren“, schreibt das Magazin „GQ“ in einer Reportage.

Die Popularität bei jungen Rappern war die Rettung

Für Soundcloud war die Popularität bei jungen Rappern womöglich die Rettung. Denn die Musikplattform ist zwar seit Jahren die weltweit meist genutzte App aus Deutschland, konnte die eigene Popularität aber nie monetarisieren. Vor anderthalb Jahren geriet das Unternehmen gar in eine existenzbedrohende Krise: Etwa die Hälfte der damals 420 Mitarbeiter wurden entlassen, die Büros in London und San Francisco geschlossen. Auf den Konten war nicht einmal mehr genug Geld, um über die nächsten zwei Monate zu kommen. Die Gründer Ljung und später auch Eric Wahlforss räumten ihre Posten, den Chefsessel übernahm Kevin Trainor. Der erfahrene US-Manager hatte zuvor unter anderem vier Jahre die Videoplattform Vimeo geleitet. „Es war eine schwierige Zeit für das Unternehmen“, erinnert sich der Amerikaner.

Doch die New Yorker Bank Raine Group und die Investmentgesellschaft Temasek aus Singapur stellten Soundcloud noch einmal 170 Millionen Dollar zur Verfügung. Und Trainor veränderte die Strategie: „Wir haben uns wieder auf das Kerngeschäft fokussiert, nämlich Werkzeuge an Künstler zu verkaufen.“ Grundsätzlich können Nutzer kostenlos bei Soundcloud Musik oder andere Audiodateien hochladen und dann teilen. Dadurch ist das Angebot auch viel größer, als bei der Konkurrenz: Im Februar erreichte Soundcloud die Marke von 200 Millionen hochgeladenen Songs. Spotify oder Apple Music haben dagegen „nur“ 40 bis 50 Millionen Titel zur Auswahl. Die Plattform bietet Musikern dann für 60 bis 100 Euro pro Jahr mehr Speicherplatz, Statistiken und andere Funktionen. Ursprünglich war das auch die erste Einnahmequelle. Doch später begann das Unternehmen, ähnlich wie Spotify und andere Streamingdienste auch seinen Hörern einen bezahlten Zugang anzubieten.

Doch dieser Geschäftszweig hat für den Chef keine Priorität mehr. „Wir werden nie die Besten darin sein, Zehn-Dollar-Abos zu den Katalogen der Majorlabels zu verkaufen“, räumt Trainor ein. Das bestätigen die Zahlen: Während Spotify bald auf 100 Millionen Abonnenten kommt, hat Soundcloud nach Schätzungen des Marktforschers Midia Research gerade einmal 100.000 zahlende Hörer gewonnen.

„Die Margen beim Streaming sind sehr klein“

Der Markt der Streamingdienste ist extrem umkämpft, wie auch die jüngste Beschwerde von Spotify zeigt. Der Marktführer moniert bei den EU-Wettbewerbsbehörden unfaire Praktiken von Apple. Während Spotify bei Abos von Apple-Kunden 30 Prozent der Einnahmen abgeben muss, fällt das bei Apple Music, dem eigenen Dienst der Amerikaner, weg. So kann Apple seinen Service günstiger bieten und auch den Musikern mehr zahlen. „Die Margen beim Streaming sind sehr klein“, sagt Trainor. Zumal ein großer Teil der Einnahmen an die Plattenfirmen fließt.

Statt auf Konkurrenz setzt Soundcloud daher nun sogar auf Kooperationen. Gerade hat Soundcloud seinen Künstlern eine neue Funktion zur Verfügung gestellt, mit der sie Musikstücke auch direkt auf andere Plattformen wie Spotify, Apple Music, Youtube oder Instagram stellen können. Die Funktion richtet sich an unabhängige Künstler, die nicht bei einer Plattenfirma unter Vertrag sind. „Wir wollen die erste Anlaufstelle für Kreative sein, die ihre Karriere in die eigene Hand nehmen wollen“, sagt Trainor.

Die neue Funktion soll die kostenpflichtigen Künstler-Zugänge noch interessanter machen. Laut dem Soundcloud-Chef seien sie schon jetzt die finanziell attraktivste Einnahmequelle. Genaue Zahlen will er dabei nicht nennen.

Trotzdem ist klar, dass er noch einiges an Arbeit vor sich hat. Nach den zuletzt veröffentlichten Zahlen konnte Soundcloud den Umsatz 2017 um etwa 80 Prozent auf 90,7 Millionen Euro steigern. Auch die Verluste konnten eingedämmt werden, betrugen aber immer noch 51,4 Millionen Euro.

Ob die neue, alte Strategie langfristig auch wirtschaftlich funktioniert, müssen die Berliner erst noch zeigen.

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