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Vorbilder dringend gesucht. Der Anteil weiblicher Gründer ist auch in Berlin gering.

© Paolo Cipriani/Istock

Berliner Start-up-Szene: Frauen, die sich trauen

Berlin bleibt Start-up-Hauptstadt. Doch noch immer fehlt es in der Tech-Szene an weiblichen Gründern. Wie sich das künftig ändern soll.

Berlin - So einen Männerüberschuss wird sie wohl nie mehr erleben, denkt sich Sarah Hamid, als sie ihren Job in der Finanzbranche kündigt. Fast zehn Jahre hat sie als Investmentbankerin gearbeitet, erst in London, zuletzt in Berlin. Dann gründet sie ihr eigenes Unternehmen – und stellt schon wieder fest: Auch in der Start-up-Branche ist sie als Frau eine Ausnahme. „Wahrscheinlich trauen sich Frauen einfach seltener als Männer, ihr eigenes Unternehmen zu gründen“, vermutet Hamid, die mit ihrem Start-up Mansome Pflegeprodukte übers Internet vertreibt – ausgerechnet für Männer.

Mehr Frauen gründen - aber es sind noch immer zu wenige

Wie Hamid wagen zwar immer mehr Frauen in Deutschland, eine eigene Tech-Firma auf die Beine zu stellen. Doch noch immer ist der Anteil weiblicher Gründer sehr gering – auch, wenn er kontinuierlich steigt: Nur 13,9 Prozent der Gründer sind weiblich, zeigt der am Dienstag veröffentlichte Deutsche Start-up-Monitor 2016 (DSM), den der Bundesverband Deutsche Start-ups gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen und dem Unternehmen KPMG erstellt hat. Das sind immerhin 0,9 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Um diesen Trend zu verstärken, „brauchen wir eine frühzeitige digitale Bildung in Schulen sowie mehr weibliche Vorbilder, die andere Frauen zur Start-up-Gründung ermutigen“, erklärte Florian Nöll, Vorsitzender des Start-up-Verbands. Auch müsste die Tech-Szene familienfreundlicher werden, beispielsweise durch Co-Working-Spaces mit Betriebskitas, um die Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie zu vereinfachen.

Berlin bleibt Start-up-Hauptstadt

Sarah Hamid steht aber nicht nur für den Trend des höheren Frauenanteils unter den Gründern. Sondern auch dafür, dass Berlin weiterhin die deutsche Start-up-Hauptstadt ist und sich wie Hamid hier die meisten Tech-Unternehmer ansiedeln. 17 Prozent der Start-ups sind laut DSM in Berlin ansässig. Doch auch andere Teile Deutschlands ziehen nach, so taucht erstmals die Region Hannover/Oldenburg auf der Landkarte der Gründer-Hotspots auf. „Berlin ist Vorbild, der Rest der Republik zieht jetzt nach“, erläuterte Nöll. „Damit steigen die Chancen, dass Start-ups in Deutschland gemeinsam mit dem Mittelstand die wichtigste Quelle für unseren zukünftigen Wohlstand werden.“

Etablierte Unternehmen müssen mehr mit jungen Tech-Firmen arbeiten

Dass sie auf gutem Weg dorthin sind, zeigen die jungen Tech-Firmen bereits jetzt. 14,4 Arbeitsplätze schafften die für die Studie rund 1200 befragten Start-ups 2016 im Durchschnitt, was jedoch ein leichter Rückgang ist im Vergleich zum Vorjahr. Offenbar bedingt durch regionale Schwankungen. Denn während München vorne liegt mit 31,1 Mitarbeitern pro Start-up, gefolgt von Berlin mit 28,1 Mitarbeitern, schrumpfte die Beschäftigtenzahl in Hamburger Start-ups von 19,7 auf 5,5 Mitarbeiter. Auch die Tech-Firmen in den Regionen Hannover/Oldenburg (8,6), Rhein-Ruhr (6,9) und Stuttgart/Karlsruhe (6,1) liegen unter dem Bundesdurchschnitt. Dennoch konnten die Unternehmen 2016 mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro leicht mehr Investorenkapital einsammeln als noch im Vorjahr, wo die Summe bei einer Milliarde Euro lag. Nachholbedarf sieht Nöll aber insbesondere auch bei den etablierten Unternehmen, die sich noch mehr in der Zusammenarbeit mit Start-ups engagieren müssten. „In einer solchen gemeinsamen Partnerschaft wird es leichter sein, einen Markt zu erobern“, betonte Nöll.

"Berlin ist der Place to be für digitale Fachkräfte"

Berlin ragt aber nicht nur bei der Mitarbeiterzahl heraus, sondern auch bei der Internationalität. So ist mit 42,3 Prozent fast jeder zweite Start-up-Mitarbeiter in der Hauptstadt nicht deutscher Herkunft. „Deutschland und insbesondere Berlin sind der Place to be für digitale Fachkräfte geworden“, sagte Nöll. Dennoch gebe es weiterhin „zu hohe bürokratische Hürden und allzu strikte Regularien“, die den internationalen Austausch verhindern würden.

Sarah Hamid weist auf einen weiteren Punkt hin, der Berlin attraktiv macht. „Die Lebenshaltungskosten sind hier im Vergleich zu anderen europäischen Städten niedrig“, deshalb habe sie sich auch entschieden, ihr Start-up hier und nicht in London zu gründen. Sie hoffe, dass die deutsche Hauptstadt diese Rahmenbedingungen auch künftig bieten könne.

"Einfach loslegen, statt vorab alle Probleme durchzugrübeln"

Für weibliche Gründer hat sie einen Rat: „Einfach loslegen, statt vorab all die Probleme durchzugrübeln, die sich im Laufe einer Unternehmensgründung ergeben können.“ Doch sei es auch an den Männern, Frauen mehr zu ermutigen, statt sie mit machomäßigen Sprüchen abzuschrecken. Hamid hat damit allerdings weniger Probleme. In der Finanzszene hat sie gelernt, gut zu kontern.

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