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Den Stier bei den Hörnern packen. Oliver Samwer ist für kernige Worte und Gesten bekannt. Besonders "bullish" lief es zuletzt für die Aktie aber nicht.

© REUTERS

Berliner Start-up-Schmiede: Rocket Internet im freien Fall

Rocket Internet ist der Star der Berliner Start-up-Szene. Doch die Anleger sind unzufrieden – Unternehmenschef Oliver Samwer hält dagegen.

Oliver Samwer schlägt zurück. Streit im Aufsichtsrat? Gibt es nicht. Flüchtendes Führungspersonal auch nicht. Und Verluste gehören ab 2017 der Vergangenheit an – jedenfalls zunehmend. Mit einem Rundumschlag versucht der Chef des Berliner Internekonzerns Rocket Internet seit dieser Woche massiv, verloren gegangenes Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.

Sein wichtigstes Argument: frisches Geld. Genauer gesagt 420 Millionen Dollar, eingesammelt bei Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen. Zusammen mit eigenen Barmitteln könne Rocket nun insgesamt 2,1 Milliarden Euro investieren, sagte Samwer bei der Vorstellung des Rocket Internet Capital Partners Fund. Und fand dabei zur gewohnten Großspurigkeit zurück. „Damit spielen wir international in der Top-Liga der Investoren.“ Bis Ende 2017 sollen zudem drei der wichtigsten zwölf Beteiligungen dauerhaft profitabel sein.

Aktie verliert die Hälfte an Wert

Die großen Worte müssen sein. Zuletzt war der Kurs der im Entry Standard gelisteten Aktie abgerutscht. Von 42,50 Euro beim Börsenstart im Oktober 2014 waren Anfang der Woche noch 18 Euro übrig. „Rocket Internet ist angeschlagen“, sagt Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

Dass derzeit keines der Unternehmen aus dem Portfolio Gewinn macht, sieht er dabei gar nicht so sehr als Problem. Das Geschäftsmodell ist auf Wachstum ausgelegt, mit dem Ziel die Beteiligungen irgendwann durch Verkäufe oder Börsengänge zu versilbern. Rote Zahlen seien deshalb nicht dramatisch, sagt Kunert. Dass Börsengänge ausbleiben, hingegen schon.

Chefkontrolleur zieht sich zurück

Bei der Hauptversammlung im vergangenen Jahr hatte Rocket nämlich genau diese angekündigt – und kurz darauf mit Hello Fresh scheinbar auch geliefert. Bis klar wurde, dass aus dem Schritt des Kochbox-Anbieters aufs Parkett so bald nichts wird. Es soll ordentlich gekracht haben zwischen Rocket und dem langjährigen Investmentpartner Kinnevik.

Dass die Schweden Hello Fresh für überbewertet hielten, soll der Grund für den Rückzug von Kinnevik-Chef Lorenzo Grabau von der Spitze des Rocket-Aufsichtsrats gewesen sein – und für den verschobenen Börsengang im Herbst. Samwer bestreitet einen Zusammenhang und verweist auf die schwierige Lage an den Finanzmärkten.

Zu gierig beim Börsengang?

Neben dem Kommunikationsdesaster bei Hello Fresh sorgen Abgänge aus der Rocket-Führung für Fragezeichen. Nach Kommunikationschef Andreas Winiarski verlassen Chefjuristin Franziska Leonhardt und Vize-Finanzvorstand Uwe Gleitz das Unternehmen. Natürliche Fluktuation, heißt es aus dem Umfeld.

Ein Personalproblem habe Rocket sicher nicht, bestätigt ein Insider. Schwierigkeiten mit dem Timing schon eher. „Ein späterer Rocket-Börsengang wäre sinnvoll gewesen“ – etwa dann, wenn erste Beteiligungen Gewinne vorweisen können.

Aktionärsschützer Kunert sieht das ähnlich. „Es rächt sich, wenn man zu gierig ist“, kommentiert er den extremen Kursverfall. Um Vertrauen zurückzugewinnen, rät er zu mehr Transparenz. „Rocket sollte den Segmentwechsel vom wenig regulierten Entry in den Prime Standard schnell vollziehen.“ Einstweilen hat bereits die angekündigte Finanzspritze Wirkung gezeigt. Zum Wochenschluss nahm das Papier die 20-Euro- Marke in den Blick.

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