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Das Heizkraftwerk von Vattenfall in Berlin-Klingenberg versorgt die Stadt mit Fernwärme.

© imago images/Rolf Zöllner

Berliner Gasag-Chef entwarnt: „Die Gasversorgung der Haushalte ist sicher“

Gas gibt es auch in nächsten Winter - aber zu deutlich höheren Preisen. Im Notfall wird die Industrie nicht mehr versorgt.

Was auch immer passiert in den kommenden Monaten, die Gasversorgung der Berliner Haushalte ist auch im nächsten Winter gewährleistet. „Für 2022 sind wir komplett eingedeckt und teilweise auch für 2023“, sagte Gasag-Vorstandschef Georg Friedrichs am Freitag.

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Derzeit fließe Gas ungehindert durch die Leitungen in der Ukraine sowie durch die Ostsee-Pipeline Nordstream-1. Grundsätzlich mache er sich „keine Sorgen um die Versorgung der geschützten Kunden, und dazu zählen die privaten Verbraucher, im kommenden Winter“.

Jedoch müssen sich die Verbraucher auf deutlich höhere Preise einstellen. Derzeit liegen die Großhandelspreise für Gas nach Angaben der Gasag um mehr als 500 Prozent über dem Niveau von vor einem Jahr. Diese Entwicklung treibt den Gasag-Chef um. „Die Preissteigerungen sind eine echte Belastung für Menschen mit niedrigen Einkommen“, sagte Friedrichs.

„Wir müssen uns als Gesellschaft Gedanken darüber machen, wie wir die Last der Kriegsfolgen verteilen.“ Dazu sei die Gasag auch im Gespräch mit dem Senat. Der Berliner Gasversorger gehört den Energiekonzernen Eon, Vattenfall sowie der französischen Engie.

Preise durchschnittlich 16 Prozent höher

Erst im Januar hatte die Gasag die Preise im Grundversorgungstarif bei einem Verbrauch von 12 000 Kilowattstunden für eine durchschnittliche Berliner Wohnungsgröße um rund 16 Prozent erhöht, was monatlich etwa 13 Euro ausmacht. Damit hatte das Unternehmen auf die enorme Preissteigerung 2021 reagiert. Aufgrund der Verwerfungen an den Märkten in Folge des Krieges in der Ukraine dürften die kommenden Preissteigerungen höher ausfallen. „Wir haben sozialen Verantwortung und kommen unserem Versorgungsauftrag nach“, sagte Friedrichs. Man wolle Liefersperrungen wegen Zahlungsverzug unbedingt vermeiden.

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Die aktuelle Preisentwicklung strapaziere das Geschäftsmodell aller Gasversorgern. „Die meisten Marktteilnehmer gehen von längerfristig hohen Preisen aus.“ Am Freitag kostete eine Megawattstunde (MWh) im europäischen Großhandel erstmals 200 Euro. Bis Mitte vergangenen Jahres pendelte der Preis in einer Spanne zwischen zehn und 30 Euro.

Sorgen um die Industrie

Nach eigenen Angaben bezieht die Gasag ähnlich wie Deutschland insgesamt gut die Hälfte des Gases aus Russland. Selbst in dem Fall, wenn die Lieferung aus Russland vollständig ausfalle, sieht die Gasag die Versorgung hierzulande nur teilweise gefährdet.

Sollte der für das ganze Land geltende Notfallplan umgesetzt werden müssen, dann gehörten private Verbraucher sowie kritische Infrastruktur (Krankenhäuser, Behörden, Schulen) zu den geschützten Kundengruppen. Nicht jedoch die Industrie. Wenn es also zu wenig Gas gibt, dann werden industrielle Verbraucher als erste vom Netz genommen.

Georg Friedrichs ist seit knapp einem Jahr Vorstandschef der Gasag.
Georg Friedrichs ist seit knapp einem Jahr Vorstandschef der Gasag.

© imago images/Matthias Koch

Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages basiert die Energieversorgung der Industrie zu rund einem Viertel auf Gas. Da es in Berlin relativ wenig große Industriebetriebe gibt, würde sich hier der Schaden in Grenzen halten.

Das gilt nicht für Deutschland insgesamt: Der Wohlstand hierzulande verdankt sich ganz wesentlich dem Fahrzeug- und Maschinenbau, der Chemie- und Pharmaindustrie. Die Reihenfolge in der Kundenversorgung sieht Friedrichs zufolge so aus: Gas für die Heizwärme, Gas für die Stromerzeugung und schließlich Gas für die Industrie.

Heizkraftwerke von Vattenfall betroffen

Die größten Kunden der Gasag sind die Heizkraftwerke von Vattenfall. Diese verbrauchen gut ein Drittel der Menge, um die rund 1,3 Millionen Fernwärmekunden in Berlin mit Heizwärme und Warmwasser zu versorgen.

Um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, hat Vattenfall inzwischen mehrere Kraftwerke in Berlin von Kohle auf Gas umgestellt. Bis 2030 will der Konzern in Berlin komplett aus der Kohleverbrennung ausgestiegen sein. Ohne Gas wird das nicht gelingen.

Speicher im Grunewald zu klein

Der Gasspeicher der Gasag im Grunewald, der zu West-Berliner Zeiten für den Notfall eingerichtet wurde, kommt nach Angaben der Gasag als Speicher nicht mehr in Betracht: Zu klein, zu lange außer Betrieb und zu unwirtschaftlich.

Rund 50 Gasspeicher gibt es in Deutschland mit einer Gesamtkapazität von 241 Terrawattstunden. Damit hat die Bundesrepublik in Europa mit Abstand die größten Speicherkapazitäten. Das Gestein im Grunewald habe jedoch nur eine Kapazität von 1,7 Terrawattstunden, heißt es bei der Gasag.

Dazu sei die Wiederinbetriebnahme kompliziert, teuer und langwierig. Die Gasag möchte den Speicher im Rahmen der Energiewende künftig als Wärmespeicher nutzen.

Aktuell sind alle deutschen Gasreservoirs zu knapp 30 Prozent gefüllt, das genügt für einen milden Wintermonat. Komplett befüllt reichen die Kapazitäten aus, um das Land für zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas zu versorgen. Hier setzt nun der Gesetzgeber an.

Die Speicherbetreiber werden verpflichtet, eine gewisse Füllmenge vorzuhalten. Gasimporteure oder Gashändler müssen bis Anfang Oktober einen Speicherfüllstand von 80 Prozent erreichen. Anfang Dezember sollen es mindestens 90 Prozent sein.

Neues Konzessionsverfahren droht

Spätestens im kommenden Herbst wird sich für die Gasag entscheiden, auf welcher Grundlage sie künftig arbeiten kann: Der Senat muss bis November entscheiden, ob er sich in einem neuen Konzessionsverfahren mit einem landeseigenen Betrieb um den Betrieb des Gasnetzes bewirbt.

2014 hatte die beim Finanzsenator angesiedelte Vergabestelle das Netz überraschend der landeseigenen Berlin Energie übertragen. Dagegen klagte die Gasag und bekam vor einem Jahr Recht: Der Bundesgerichtshof wies den Senat an, die Gasnetzkonzession der Gasag zu geben.

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