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Ein Flugzeug der airberlin startet vom Flughafen Tegel.

© Wolfgang Kumm/dpa

Update

Berliner Fluggesellschaft: Air Berlin meldet Insolvenz an

Der Flugbetrieb ist für etwa drei Monate gesichert, weil die Bundesregierung einen Übergangskredit von 150 Millionen Euro gewährt. Lufthansa will Teile übernehmen.

Die Bundesregierung muss Air Berlin mit einem Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro stützen, um zum Ende der Sommerferien den Flugbetrieb der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, die täglich 80000 Passagiere transportiert. Air Berlin stellte am Dienstag beim Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Zum vorläufigen Sachwalter bestimmte das Gericht Rechtsanwalt Lucas Flöther. „Das Geld sollte für drei Monate reichen“, sagte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) in Berlin mit Blick auf den Kredit, der von der Förderbank KfW zur Verfügung gestellt wird. Flugtickets und -pläne behalten ihre Gültigkeit, nach Angaben von Zypries können auch weiter Flüge bei Air Berlin gebucht werden.

Etihad gibt kein Geld mehr

Air Berlins arabischer Großaktionär Etihad hatte seine finanzielle Unterstützung für das Unternehmen mit 7200 Mitarbeitern am Wochenende eingestellt. Das Geschäft von Air Berlin habe sich zuletzt „rapide verschlechtert“, teilte Etihad mit. Deshalb hätten „entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden“ können. Air Berlin erklärte, nach dem Zahlungsstopp sei man „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“.

Der Bund setzt nun darauf, dass die schon länger laufenden Verhandlungen von Air Berlin mit der Lufthansa und einer weiteren Airline über einen teilweisen Verkauf bald abgeschlossen werden. Insidern zufolge soll es sich bei dem anderen Interessenten um die Billigfluggesellschaft Easyjet handeln. Die Gespräche mit der Lufthansa seien „sehr weit fortgeschritten“, sagte Zypries. Mit einem Verkaufserlös könne Air Berlin den KfW-Kredit zurückzahlen, der im Insolvenzverfahren vorrangig bedient werden müsse. Der Billigflieger Ryanair kritisierte das Eingreifen der Bundesregierung: Das sei ein Verstoß gegen alle Wettbewerbsregeln. „Damit kann Lufthansa Inlandsflüge noch teurer machen, als sie ohnehin schon sind“, sagte ein Sprecher.

Dobrindt: kartellrechtlich unproblematisch

Die Lufthansa erklärte, man wolle die Verhandlungen „zu einem schnellen und positiven Ergebnis“ führen. Dies eröffne „auch die Möglichkeit zur Einstellung von Personal“. Man unterstütze die „Restrukturierungsbemühungen“ zusammen mit der Bundesregierung. Die von Air Berlin geleasten Flugzeuge, die für Eurowings und Austrian Airlines fliegen, kann die Lufthansa wie bisher weiterbetreiben. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte in Berlin, ein Teilverkauf an die Lufthansa sei kartellrechtlich unproblematisch, weil es sich nicht um eine Komplettübernahme von Air Berlin handele. Auch ein Verkauf von Start- und Landerechten (Slots) sei unproblematisch. „Ein Verkauf hat keine Auswirkungen auf die Flughäfen“, sagte Dobrindt mit Blick auf die Berliner Airports. Air-Berlin-Passagiere (inklusive Niki) hatten zuletzt an den Berliner Flughäfen einen Marktanteil von 28,2 Prozent (5,52Millionen Passagiere). „Wir haben ein großes Interesse daran, dass der Flugbetrieb so stabil wie möglich fortgesetzt und zügig eine langfristige Lösung erreicht wird“, sagte Engelbert Lütke Daldrup, Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. „Air Berlin ist ein sehr wichtiger Partner für den Berliner Flughafenstandort.“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, der Antrag auf Insolvenz sei „ein erster wichtiger Schritt für eine langfristige Lösung“ für Air Berlin. Wichtig sei, dass sich jetzt die richtigen Partner fänden, „um den bereits eingeleiteten Restrukturierungsprozess umzusetzen“.

1,2 Milliarden Euro Schulden

Die Lage der mit 1,2 Milliarden Euro verschuldeten Air Berlin hatte sich nach Dobrindts Angaben Freitagnacht zugespitzt – „in einer Zeit, wo sich Zehntausende von Reisenden in der ganzen Welt aufhalten und auf funktionierende Flugverbindungen angewiesen sind“, wie der Minister sagte. Nachdem Etihad die Zahlung von 50 Millionen Euro – eine Tranche von insgesamt zugesagten 350 Millionen Euro – verweigert hatte, wurde nach Angaben von Zypries und Dobrindt die Bundesregierung informiert. Das Wirtschafts-, Finanz-, Verkehrs- und Außenministerium sowie das Kanzleramt hätten sich dann auf einen Überbrückungskredit verständigt, sagte Dobrindt. Der Kredit werde bei der EU-Kommission angemeldet.

Gewerkschaften, Verbraucherschützer und die Politik reagierten schockiert auf die Air-Berlin-Insolvenz. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte, auch die Interessen der Mitarbeiter müssten berücksichtigt werden. „In diesem Insolvenzverfahren wird es jetzt darauf ankommen, dass rational und ruhig gehandelt wird“, sagte Schulz. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo sprach sich gegen eine Zerschlagung von Air Berlin aus. Alle Bereiche inklusive des Bodenpersonals und der Technik müssten gesichert werden, verlangte Tarifvorstand Nicoley Baublies. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen bekräftigte seine Forderung nach einem Insolvenzschutz für Flugreisende. Die Insolvenz der Air Berlin gefährde vor allem Passagiere, die sich selbst ein Ticket gekauft haben. Wenn die Flüge nicht durchgeführt werden, greife anders als bei Pauschalreisen keine Absicherung, erläuterte die Verbraucherzentrale. „Sie können nur hoffen, dass die Flüge tatsächlich durchgeführt werden“, sagte Touristik-Experte Felix Methmann.

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