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In Zügen fährt bei vielen Deutschen die Angst mit. Doch die Bahnbranche wehrt sich gegen mehr Infektionsschutz.

© Arne Dedert/dpa

Bequem, bräsig, Bahn: 3G in Zügen hilft gegen Delta und ist gut für die Deutsche Bahn

Die Bevölkerung ist dafür, aber die Bahnbranche lehnt eine Testpflicht in Fernzügen ab. Dabei würde die Bahn davon profitieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Trotz aller Sicherheit verheißender Studien fürchten sich viele Menschen immer noch davor, stundenlang mit Fremden im Großraumabteil eines ICE zu sitzen. Verständlich. Nicht jeder Reisende nimmt es mit der Maskenpflicht genau, so mancher nippt die halbe Fahrt an einem Kaffee.

Für die Deutsche Bahn hat dieses Unbehagen drastische Folgen. Leere Züge haben der DB AG 2020 einen Rekordverlust beschert. Auch 2021 wird es ein Milliardendefizit geben. Doch der Konzern und Gewerkschaften und Verbände aus dem Bahnsektor tun wenig, um den Menschen ihre Ängste zu nehmen – im Gegenteil: Ideen für mehr Infektionsschutz blocken sie regelmäßig ab.

Am Freitag schlug Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, dass nur noch Genesene, Geimpfte und Getestete mit Fernzügen und Inlandsfliegern reisen sollen. Italien und Frankreich setzen bereits auf eine solche 3G-Regel, um die hochansteckende Delta-Variante auszubremsen. Fast zwei Drittel der Deutschen ist laut einer Umfrage für 3G in Zügen. Ein kurzer Test für Ungeimpfte, bevor man mehrere Stunden gemeinsam auf engstem Raum verbringt, das halten die meisten offenbar für angemessen.

Vier Bundesministerien haben den Vorschlag in einem Prüfauftrag nun allerdings schon wieder kassiert. 3G ist nicht umsetzbar, urteilten sie – nach Intervention der Bahnbranche. Kontrollen vor dem Einstieg seien nicht möglich, da sich Fahrgäste vor einer ICE-Fahrt nicht registrieren müssen und Bahnsteige frei zugänglich sind, lautet das Argument.

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Auch eine Kontrolle von Tests und Impfnachweisen zusammen mit den Fahrkarten lehnt die Bahngewerkschaft EVG ab. Sie fürchtet Übergriffe auf das Personal. Unterstützung erhält sie vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. In einem Brief an Verkehrsminister Andreas Scheuer erklärte er, dass die Bundespolizei nicht an allen Bahnhöfen Fahrgäste ohne Testnachweis aus den Zügen holen könne.

Unbeholfene Scheinargumente

Scheuers Haus hat diese unbeholfenen Scheinargumente flugs in den offiziellen Prüfbericht übernommen. Dabei setzt die Deutsche Bahn die Maskenpflicht trotz dieser Probleme ja auch um.

Es ist nicht das erste Mal während der Pandemie, dass die Bahn und Bahn-Interessensgruppen die Sorgen und Wünsche der Menschen ignorieren. Bis heute gibt es keine Reservierungspflicht in ICE-Zügen, die ausreichend Abstand garantieren könnte.

Die Deutsche Bahn beharrte wohl auch aus Bequemlichkeit auf dem offenen System. Der Konzern scheute die Umstellung seiner IT-Systeme. Wer inmitten einer ungekannten Gesundheitskrise so bräsig agiert, muss sich nicht wundern, wenn die Menschen lieber weiter mit ihrem eigenen Auto fahren – auch nach Corona.

Trotz des ablehnenden Prüfberichts hat Bundeskanzlerin Angela Merkel 3G in Zügen noch nicht aufgegeben. Sollte sie sich mit ihrem Vorschlag schließlich durchsetzen, wäre das auch zum Wohle der Deutschen Bahn.

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