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Wirtschaft: Begeisterung und Empörung über das neue Dosenpfand

Der Bundesrat billigt die von Umweltminister Trittin vorgelegte Neufassung, doch in der Verpackungsbranche gibt es scharfe Kritik

Berlin – Die Reaktionen konnten unterschiedlicher nicht sein. Bundesumweltminister Jürgen Trittin war begeistert („ein Sieg der Vernunft“), die Verpackungsmittelindustrie empört („der Todesstoß für die Branche“), Discounter wie Aldi und Lidl dagegen teilten etwas ratlos mit, dass „wir noch gar nichts wissen“.

Am Freitagmorgen hatte der Bundesrat eine von Trittin vorgelegte Neufassung der Verpackungsverordnung verabschiedet. Für das Dosenpfand sollen nun einfachere Regeln gelten. Ab Frühjahr kommenden Jahres werden auf Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränke einheitlich 25 Cent erhoben, ab Februar oder Mai 2006 gilt dies auch für Alkopops und Eistee. Fruchtsäfte, Wein und Milch bleiben dagegen grundsätzlich pfandfrei.

Der Bundesrat beschloss allerdings auch, dass ab Mai 2006 die so genannten Insellösungen von Discountern und Supermarktketten gekippt werden. Jeder Händler, der Getränke in Einwegverpackungen aus Plastik, Glas oder Metall verkauft, muss künftig derartiges Leergut auch von anderen Anbietern zurücknehmen. Umweltminister Trittin sagte: Die Verbraucher könnten künftig „leere Einwegflaschen und Dosen überall dort zurückgeben, wo Einweg verkauft wird“. Unterschieden werde nur nach Material – also Plastik, Glas oder Metall. Die Genehmigung durch die EU-Kommission wird im Februar oder, falls einzelne Länder Einspruch einlegen, im Mai erwartet. Anschließend läuft eine einjährige Übergangsfrist. Der Europäische Gerichtshof hatte das deutsche Dosenpfand am Dienstag grundsätzlich gebilligt.

Die Übergangszeit von einem Jahr wird die Branche benötigen. Schon jetzt rechnet der größte Hersteller von Leergutrücknahmesystemen, das Unternehmen Tomra, mit einem „bundesweiten Bedarf von 30000 oder 40000 Automaten“, wie der Europa-Manager des Konzerns, Wolfgang Ringel, dem Tagesspiegel sagte. Bis zum Frühjahr 2006 könne man den Bedarf jedoch nicht decken. „Wir können es erst in zwei Jahren schaffen.“ Bislang gebe es bundesweit 8000 Automaten. Dass die Discounter neue Geräte anschaffen werden, davon gehe er aus, „sie können die Flaschen und Dosen ja nicht weiter manuell zurücknehmen“.

Die Dosenhersteller reagieren angesichts der damit verbundenen Kosten für die Discounter pessimistisch. An einen Aufschwung glauben sie nicht. „Wer soll die neuen Automaten bezahlen?“, sagte der Geschäftsführer des Berliner Dosenherstellers Rexam, Dieter Künstle. Das Unternehmen hat seit Einführung des Dosenpfands vor zwei Jahren 60 Stellen abgebaut, „im kommenden Jahr werden weitere folgen“, sagte Künstle. Details wollte er nicht nennen. Experten zufolge sind seit Einführung des Dosenpfands 10 000 Stellen abgebaut worden. Sylvia Blömker, Sprecherin des Dosenherstellers Ball Packaging Europe, befürchtet, dass sich für den Arbeitsmarkt wenig ändert und es in den Supermärkten „genau so chaotisch weiterläuft wie bisher“. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels stellte klar, dass die Abschaffung der Insellösungen noch „kein bundesweites Rücknahmesystem“ bedeute, wie HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr sagte. Der Bund müsse Vorgaben für die Rücknahme und Verrechnung der Pfandbeträge machen.AG

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