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Die schwäbische Varta war bislang erfolgreich mit Knopfzellen für Kopfhörer und Hörgeräte. Derzeit wir eine Zellenproduktion für Autobatterien aufgebaut.

© Wolfgang Schroll

Batterien für die Elektromobilität: „Die größte Dynamik gibt es in Europa“

Martin Drasch, Vorstandsvorsitzender des Maschinenbauers Manz, über den Markt für Batteriezellen und -module und mögliche Geschäfte mit Tesla.

Herr Drasch, der Kurs der Manz-Aktie hat sich seit Anfang 2020 fast verdreifacht. Können Sie das erklären?

Der Kapitalmarkt reagiert sicherlich auf die Dynamik in unseren Märkten und bildet dazu eben auch immer Erwartungen ab. Im Bereich der Batterietechnologie, insbesondere der Elektromobilität, passiert jetzt sehr viel und das in einer Geschwindigkeit, die wir uns vor einigen Jahren noch nicht vorstellen konnten.

Sie selbst haben gegenüber den Aktionären geäußert, das sei erst der Anfang. Kommen also der deutsche Maschinenbau und Manz als Spezialist nun ins Batteriegeschäft, das von Asiaten dominiert wird?
Wir haben bereits zahlreiche Referenzprojekte in Europa und den USA und sind aktuell mit vielen potenziellen Kunden im Gespräch. Derzeit befinden sich gut zwei Dutzend Batterie- und Batteriezellenprojekte in Europa in Vorbereitung oder schon in der Umsetzung. Nicht zuletzt durch unsere strategische Kooperation mit dem in der Automobilindustrie renommierten Anlagenbauer Grob-Werke rechnen wir uns gute Chancen aus, bei den anstehenden Projektvergaben zum Zug zu kommen.

Es heißt aber, die Zellenhersteller aus Asien und selbst Branchenneulinge wie die schwedische Northvolt würden ihre Fabriken mit den vertrauten asiatischen Maschinen- und Anlagenherstellern ausrüsten.
Das verändert sich gerade, da die Erfahrungen mit den vertrauten asiatischen Lieferanten in Europa eben nicht so gut sind. Aber vor allem in Hinblick auf die anstehenden Vergaben von Zellfabriken, die eine Kapazität von mehreren Gigawattstunden (GWh) haben, werden wir mit unserer strategischen Ausrichtung und Expertise sehr interessant. Grundsätzlich wollen die Autohersteller ihre Lieferanten, und dazu gehören zunehmend Batterie- und Zellenproduzenten, in der Nähe haben. Und für die Zellenhersteller selbst ist wichtig, dass sie für den Service der hochkomplexen, vollautomatischen Produktionslinien wiederum ihre Anlagenlieferanten vor Ort haben.

Kann ein vergleichsweise kleiner Spezialist wie Manz das überhaupt leisten?
Wir können das Volumen, das in den nächsten Jahren allein in Europa benötigt wird, nicht alleine stemmen, aber das haben wir bereits frühzeitig erkannt und mit Partnern wie Grob sowie dem chinesischen Maschinenbauer Shenzhen Yinghe Technology strategische Kooperationen gebildet. Zusammen mit unseren Partnern können wir den kompletten Produktionsprozess von der Elektrodenfertigung bis hin zur Modulmontage aus einer Hand anbieten.

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Der Zellenmarkt wird Studien zufolge von knapp 300 GWh im vergangenen Jahr 2025 auf fast 1000 GWh und bis 2030 auf mehr als 2600 GWh wachsen. Welche Zelle wird sich durchsetzen?
Grundsätzlich werden wir es in diesem Jahrzehnt noch vorrangig mit Lithium-Ionen-Zellen mit differenzierten Formaten für verschiedenste Anwendungen zu tun haben. Ein Klein- oder Mittelklassewagen erhält eine andere Zelle als ein Fahrzeug der Oberklasse von BMW oder Porsche, eine Motorsäge eine andere Zelle als ein Transporter. Ob gestapelte Pouch- Zellen, zylindrische oder prismatische Zellen – wir haben die Produktionstechnik für alle Formate. Und was die Festkörperzelle anbelangt, die gegen Ende des Jahrzehnts an Bedeutung gewinnen wird, sind wir an einer Forschungsgemeinschaft beteiligt.

Martin Drasch ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender der Manz AG in Reutlingen, die weltweit knapp 1500 Mitarbeiter beschäftigt.
Martin Drasch ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender der Manz AG in Reutlingen, die weltweit knapp 1500 Mitarbeiter beschäftigt.

© promo

Die schwäbische Varta kommt mit einer klassischen 21700-Zelle auf den Markt, Tesla will eine deutlich größere 4680-Zelle in Grünheide bei Berlin bauen, der Durchmesser der Rundzelle beträgt also 46 Millimeter, die Zelle ist 80 oder mehr Millimeter lang. Ist der US-Konzern wieder einmal weiter als die deutsche Konkurrenz?
Die Zelle von Tesla adressiert einige interessante Innovationen und produktionstechnische Neuerungen, die sehr vielversprechend sind. Am Ende wird es vor allem um Sicherheit, Kosten, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gehen. Ich sehe hier einerseits durchaus noch Aufholpotenzial bei einzelnen Themen für die europäische Konkurrenz, andererseits aber auch, dass die europäische Konkurrenz bei einigen Themen schon die Nase vorn hat. Die von Varta vorgestellte Zelle ist hochperformant mit geringen Innenwiderständen, ist modifizierbar in Bezug auf die wichtigen Parameter Energiedichte und Schnellladefähigkeit. Das kann sich sehr positiv auf Reichweite und Ladezeit auswirken – je nachdem was beim jeweiligen Modell im Fokus steht.

Kommen Sie mit Tesla ins Geschäft?
Tesla ist ein sehr interessantes Unternehmen – nicht zuletzt durch die Fabrik in Deutschland und die Tatsache, dass Tesla auch im IPCEI-Projekt vertreten ist. Es liegt auf der Hand, dass wir hart daran arbeiten, mit diesem Kunden ins Geschäft zu kommen. Schließlich braucht Tesla für das Wickeln der Zellen einen europäischen, erfahrenen Partner, zumal der bisherige Tesla-Zellenpartner Panasonic in Brandenburg nicht dabei ist.

Auch in Brandenburg nimmt die Politik viel Geld in die Hand, um im Rahmen der Förderung von Important Projects of Common European Interest (IPCEI) Batterieprojekte zu initiieren. Varta hat 300 Millionen Euro bekommen, bei Tesla könnte es eine Milliarde werden, die es vom Bund und dem Land Brandenburg gibt. Manz wiederum wird mit 120 Millionen Euro gefördert. Was passiert mit dem Geld?
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Lithium-Ionen-Batteriefabrik der Zukunft zu entwickeln. Dabei werden Prozess- und Automatisierungssysteme entwickelt, die eine kostengünstige und nachhaltige Produktion von Batteriezellen und -systemen ermöglichen. Im Fokus steht die Entwicklung eines modularen Baukastensystems, um Kosten zu sparen, Entwicklungsressourcen zu schonen und Lieferzeiten zu reduzieren. Wir wollen uns mit dem Geld die Position des führenden europäischen Anbieters für Produktionssysteme für Lithium-Ionen-Zellen und -module sichern.

Kommen die Milliarden, siehe Tesla, die von den europäischen Staaten für Batteriezellen ausgegeben werden, am Ende auch wirklich der europäischen Industrie und damit auch den Arbeitsplätzen und öffentlichen Haushalten zugute?
Davon gehe ich aus. EU-Kommissar Šefcovic will für die europäische Batterieindustrie eine Quote von 55 Prozent durchsetzen. Ein Elektroauto aus europäischer Produktion inklusive Batterie muss also zu mindestens 55 Prozent auf europäischer Wertschöpfung basieren. Die Quote soll alle Schritte der Wertschöpfung mit einbeziehen, vom Rohmaterial, über die Anlagentechnik bis hin zur kompletten Montage des Fahrzeugs. Das wäre ein richtiger und wichtiger Schritt.

In Münster baut die Fraunhofer Gesellschaft mit 700 Millionen Euro von Bund und Land die Forschungsfabrik Batteriezellenfertigung auf, die vermutlich Ende 2023 an den Start geht. Arbeiten Sie zusammen?
Wir haben uns an der Ausschreibung beteiligt. Allerdings kommt meines Erachtens die Forschungsfabrik viel zu spät. Eine der größten Herausforderungen stellen die fehlenden Endkunden für die Forschungsfabrik dar. Die Industrie ist inzwischen schon notgedrungen selbst aktiv, investiert in Labor- und Entwicklungsanlagen und schafft Fakten am Markt. Das gilt für die Zellenanwender ebenso wie für die Hersteller und die Maschinenbauer. Ich sehe deshalb durchaus die Gefahr, dass man in Münster zu lange braucht und dadurch den aktuellen Innovationszyklus verpasst.

Wegen der IPCEI-Projekte und der Ankündigung von VW, allein in Europa sechs Zellenfabriken bauen zu wollen, schauen wir derzeit vor allem auf die EU. Was ist mit China und den USA?
Tatsächlich beobachten wir derzeit die größte Dynamik in Europa. China baut weiter die Kapazitäten aus, und wir sind dort gut vertreten. Perspektivisch sehen wir ein großes Potenzial in den USA. Wir konnten erst vor wenigen Monaten einen schönen Auftrag eines US-amerikanischen Herstellers von Elektroautos gewinnen. Die neue US-Administration hat die Zeichen der Zeit erkannt und hat mit massiven Investitionen in die Infrastruktur auch den Weg in Richtung einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft eingeschlagen. Batterien und Batteriezellen sind dafür unverzichtbar.

Und der deutsche Mittelständler Manz aus Reutlingen ist dabei?
Davon gehe ich aus. Der deutsche Maschinenbau wird in der Welt hochgeschätzt, die Nachfrage ist rasant, und wir sind guter Dinge, in den nächsten Jahren unseren Umsatz verdoppeln zu können. Das IPCEI-Geld ist jedenfalls gut angelegt.

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