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Rundfahrt auf dem Messegelände in Las Vegas. Navya-Manager Henri Coron (rechts im Bild) präsentiert seinen Gästen den autonomen Van.

© Steve Marcus/Reuters

"Autonomes Fahren": Warum es noch lange nicht ganz ohne Menschen gehen wird

Selbstfahrenden Autos und Bussen gehört die Zukunft? Sieht so aus. Auf der Technikmesse CES in Las Vegas zeigen die Autohersteller was geht – und was auf absehbare Zeit nicht.

Da steht er nun und weiß nicht weiter, der autonome Van „Arma“ vom französischen Hersteller Navya auf dem Parkplatz des Messegeländes in Las Vegas. Eine junge Frau muss den Joy-Stick anschließen, um den eigentlich ohne Fahrer rollenden Bus zurück in die Spur zu steuern. BMW, Toyota und Nissan, fast alle Autohersteller sind gekommen, weil auf der weltgrößten Messe für Elektronik die vermeintlich selbstfahrenden Autos und deren Vernetzung das große Thema sind. Dem weltgrößten Hersteller Toyota fällt hier die undankbare Rolle zu, die Grenzen der Entwicklung aufzuzeigen.

Autonome Busse rollen kontrolliert durch die Städte

Immerhin schon 30 dieser Arma-Shuttle-Busse sind auf den Straßen von Lyon (Frankreich), Michigan (USA) und Sion (Schweiz) rund 50.000 Kilometer gefahren, haben 100 000 Menschen transportiert. Auch durch Las Vegas sollen sie bald rollen. Auf öffentlichen Straßen fahren sie, ja, aber nur auf einem genau abgezirkelten Kurs und von einem Menschen überwacht: Der sitzt vor dem Bildschirm in der Zentrale des Herstellers und kann eingreifen bei Pannen und Lagen, die für eine Software noch unlösbar ist. Auch die Deutsche Bahn hatte in Berlin ihren Shuttle-Bus "Olli" vorgestellt (hier ein Bericht dazu).

Und wo muss ich jetzt hin? Der selbst fahrende Bus kennt sich nur auf fest gelegten Routen aus. Steht er woanders, muss er wieder in die Spur gebracht werden.
Und wo muss ich jetzt hin? Der selbst fahrende Bus kennt sich nur auf fest gelegten Routen aus. Steht er woanders, muss er wieder in die Spur gebracht werden.

© Ralf Schönball

Als die Testfahrt losgeht, steuert der Van über den Rundkurs, bremst für eine plötzlich auf die Bahn tretende Dame ab – schärfer als man es von einem BVG-Busfahrer kennt. Der Van umfährt dann ein paar in den Weg gestellte Verkehrshütchen gelassen.

Spielverderber oder Realist: Gill Pratt, Chef-Forscher von Toyota (hier 3. von rechts im Bild), sagte auf der CES: „Auf Jahrzehnte hin wird es keine völlig autonom fahrenden Autos geben“
Spielverderber oder Realist: Gill Pratt, Chef-Forscher von Toyota (hier 3. von rechts im Bild), sagte auf der CES: „Auf Jahrzehnte hin wird es keine völlig autonom fahrenden Autos geben“

© REUTERS/Rick Wilking

Gill Pratt, Chef-Forscher von Toyota, sagt in einer Rede auf der CES: „Auf Jahrzehnte hin wird es keine völlig autonom fahrenden Autos geben“. Weil es fehlerfreie Erkennung von Hindernissen allenfalls auf begrenzten festgelegten Strecken gibt, auf dem chaotischen Straßennetz von Städten nicht. Und: „Die Menschen würden nicht einen einzigen Todesfall im Verkehr hinnehmen, wenn eine Maschine diesen verursacht“.

Computer "verzweifeln" noch an Hindernissen

Das liegt durchaus in der Linie vom drittgrößten Hersteller Nissan, dessen Chef Carlos Ghosn vor hunderten Zuhörern im Westgate-Theater der Kasino-Stadt spricht. Ghosn kündigt erste käufliche Modelle für das Jahr 2020 an und sagt voraus, dass 15 Prozent aller Neuwagen im Jahr 2030 fahrerlos steuern können. Die ersten Mobile in drei Jahren würden aber ebenfalls von Nissan-Mitarbeitern in einer Sicherheitszentrale „überwacht“ und mit Befehlen neu aufgesetzt, wenn eine unerwartete Baustelle oder ein umgekippter Baum die Fahrbahn blockiert. An Hindernissen wie diesen, die Menschen umschiffen wie nichts, „verzweifeln“ Computer autonomer Autos heute noch.

Kanten und Ecken: BMW zeigte eine Studie auf der CES.
Kanten und Ecken: BMW zeigte eine Studie auf der CES.

© REUTERS/Steve Marcus

BMW hat ebenfalls Topmanager in die Wüstenstadt geschickt. Manager Klaus Fröhlich bittet den Chef des Chipherstellers Intel, Brian Krzanich, mit auf die Bühne zur Enthüllung der Fahrzeugstudie „i Inside Future“. Die Firmen arbeiten gemeinsam an einer offenen Plattform für autonomes Fahren und bieten diese auch anderen Herstellern an. 40 BMWs bringen sie noch in diesem Jahr auf die Straße. „Kameras, Radar und Laser werden zusammen das autonome Fahren sicherer machen“, sagt Sparten-Vize-Chef Doug Davis auf die Frage, wie künftig ein Crash zu verhindern ist wie der des Teslas, dessen Fahrer sich auf die autonome Steuerung verließ, was ihn das Leben kostete – Teslas nutzen eben nur Kameras.

Den ganz großen Fortschritt werde es aber erst nach 2020 geben mit Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G, der große Datenströme blitzschnell verarbeitet. Eines Tages könnten Passanten, die auf ihr Handy starren, durch ihr Smartphone vor einer anrollenden Gefahr gewarnt werden.

Neue Autos spüren den Puls - und rufen den Arzt

Daimler stellt einen S-Klasse Maybach vor, dessen Lenker die Herzfrequenz des Fahrers prüft und ihm bei Müdigkeit eine belebende Massage anbietet, anregende Düfte verströmt und fetzige Musik zur „Aktivierung“. Zeigt der Fahrer dagegen Nerven, verabreicht der Wagen ihm die Variante „Regeneration“. Für Berufskraftfahrer hat der Konzern eine Jacke mit Sensoren entwickelt, die die Herzfrequenz misst. Zeigen sich Symptome wie bei einem Herzinfarkt, schlägt der Computer dem Fahrer einen Notstopp und Notruf vor. „Die Herz-Daten werden nicht gespeichert und nicht verschickt“, versichern die Stuttgarter. Auch andere Hersteller arbeiten daran, Wellnmess- und Gesundheitsfunktionen in künftige Fahrzeuge integrieren. (Lesen Sie hier ein Stück darüber, wie Autos der Zukunft uns gesünder machen sollen.)

Mercedes' neue S-Klasse könnte künftig mit Sensoren im Lenkrad etwa die Pulsfrequenz des Fahrers erfassen. Wird Stress festgestellt, versuchen die Komfortsysteme des Autos, für Entspannung zu sorgen.
Mercedes' neue S-Klasse könnte künftig mit Sensoren im Lenkrad etwa die Pulsfrequenz des Fahrers erfassen. Wird Stress festgestellt, versuchen die Komfortsysteme des Autos, für Entspannung zu sorgen.

© dpa/ Daimler AG

Gleichwohl vernetzten praktisch alle Hersteller ihre Autos und arbeiten dazu mit einem der großen Drei zusammen: Microsoft, Google oder Apple. „Cortana“ von Microsoft wird bei Nissan und auch BMW zum „Assistenten“ im Auto, der mit dem Fahrer spricht. Cortana gibt Tipps zum Umfahren von Staus, schlägt den nächsten Werkstatttermin vor und bucht diesen, verschickt SMS oder stellt Telefonverbindungen für Videokonferenzen her. Ähnliche auf Autohersteller zugeschnittene Anwendungen bieten Google (Hey Google) und Apple (Siri). Auch Amazon (Echo) steigt in das Geschäft ein.

Alle erhoffen sich davon den Zugriff auf die persönlichen Daten des Fahrers: Denn dessen Smartphone-Universum muss der Besitzer in der Datenwolke speichern, damit es im Auto (und auf jedem Tablet oder sonst vernetztem Endgerät) abrufbar ist – diese Clouds aber sind die Rechenzentren der Konzerne. Dort liegen alle Kontakte, Termine, Favoriten, Einkaufs- und Playlisten künftig – nur mit diesem „Wissen“ können das vernetzte Auto oder das Heim jenen Komfort bieten, mit dem die Hersteller werben.

Hinweis der Redaktion: Die Reise zur Technikmesse CES wurde vom Chiphersteller Intel ermöglicht.

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