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Rüsselsheimer Renaissance. Mit flotten Werbesprüchen und Modellen wie dem Klein-SUV Mokka kommt Opel in Schwung.

© dpa

Automarkt: Opel fährt aus der Krise

Während der Mutterkonzern General Motors mit Rückrufaktionen kämpft, fährt Opel aus der Krise. Verkaufszahlen und Marktanteil steigen.

André Nikolaizig wildert bei der Konkurrenz. „Wir gewinnen viele Kunden, die vorher eine andere Automarke gefahren haben“, sagt der Verkaufsleiter des Auto Center Chemnitz, einer der größten Opel-Händler Deutschlands. Abzulesen sei das an den Inzahlungnahmen markenfremder Fahrzeuge. „Unser Image hat sich spürbar erholt“, sagt der Verkaufschef. Es läuft wieder gut bei Opel: Im ersten Halbjahr 2014 habe das Auto Center mehr Neuwagen abgesetzt als in der ersten Jahreshälfte 2013. Im gesamten Vorjahr waren es 1700 Fahrzeuge – davon nur 150 Chevrolets.

Mit der Billigmarke des Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) muss sich Nikolaizig nicht mehr herumschlagen. „Die Autos sind weg.“ Der US-Konzern stellt den Verkauf in Deutschland ein – und Opel muss sich nicht länger gegen den Wettbewerber im eigenen Haus behaupten. Der größere Spielraum hat Opel genutzt: Seit Jahresanfang sind die Verkaufszahlen und der Marktanteil in Deutschland gestiegen. Vor allem der Stadtwagen Adam oder der kleine SUV Mokka verkaufen sich gut.

Vor nicht langer Zeit galt Opel als Problemfall

Eine bemerkenswerte Wende im Opel- Drama, mit dem sich die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigt. Vor nicht langer Zeit hätten Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, Automobil-Professor an der Universität Duisburg-Essen, oder Jürgen Pieper, Branchenkenner beim Bankhaus Metzler, wenig auf das Überleben der Marke gewettet. Ohne Staatshilfe sei da wenig zu machen, hieß es vor nicht einmal fünf Jahren, mitten in der tiefsten Krise der Autoindustrie. Wenn die Marke mit dem Blitz vom deutschen Markt verschwinde, sei dies nicht weiter schlimm – abgesehen von den dramatischen Konsequenzen für die Mitarbeiter und ihre Familien. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte mit einem Solidaritätsbesuch im Stammwerk Rüsselsheim Ende März 2009 keinen Optimismus verbreiten. Die US-Konzernmutter GM wollte die deutsche Problemtochter loswerden. Opel stand am Abgrund.

Heute macht die Traditionsmarke wieder Schlagzeilen – diesmal positive. Während GM Milliarden für den Rückruf von fast 30 Millionen defekter Fahrzeuge zurücklegen muss, freuen sich die Autobosse in Detroit, dass Opel noch zum Konzern gehört. Auch wenn im zweiten Quartal im Europa-Geschäft noch ein Verlust von 300 Millionen anfiel – was zählt, sind die Perspektiven für die Zukunft. Und da sieht es deutlich besser aus: In Deutschland und Europa legt Opel zu, während sich VW, Ford und andere Hersteller, die um Käufer von Klein- und Mittelklasse-Autos buhlen, schwertun.

Opels Marktanteil ist auf acht Prozent gestiegen

Von Januar bis Juni verkaufte Opel knapp 113 000 Autos, rund sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Alle Hersteller zusammen kamen in Deutschland nur auf ein Plus von 2,4 Prozent. Opels Marktanteil stieg so im Juni auf acht Prozent – so hoch wie seit Ende 2011 nicht mehr. Zehn Prozent sollen es nach dem Willen von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann wieder werden, was freilich immer noch weit von jenen 17 Prozent entfernt ist, die Opel nach der Wiedervereinigung erreichte. Spätestens 2016 soll nach fast zehn Jahren mit insgesamt zweistelligen Milliardenverlusten endlich auch wieder ein Gewinn erzielt werden.

„Opel hat sich gut erholt“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Die jüngst bekannt gewordenen Pläne für einen neuen Kleinstwagen sind für ihn ein weiteres Indiz dafür, dass man in Rüsselsheim wieder nach vorne schaut. „Opel ist eine Marke, die gewinnt“, sagt der Experte. „Ganz angetan“ war auch André Nikolaizig von den Entwürfen für den kleinen Billig-Opel, der weniger als 10.000 Euro kosten soll. „Ich bin guter Dinge, dass wir damit viele frühere Chevrolet-Kunden überzeugen können.“

Wer hinter der Wende bei Opel steht

Rüsselsheimer Renaissance. Mit flotten Werbesprüchen und Modellen wie dem Klein-SUV Mokka kommt Opel in Schwung.
Rüsselsheimer Renaissance. Mit flotten Werbesprüchen und Modellen wie dem Klein-SUV Mokka kommt Opel in Schwung.

© dpa

Die neuen Modelle aus Rüsselsheim werden schon länger gelobt, auch von Metzler-Experte Pieper. Aber erst mit dem Adam und dem Mokka, die seit eineinhalb Jahren verkauft werden, gelang ein echter Sprung nach vorne. Und der neue Corsa, das wichtigste Opel-Modell, wird der nächste Gradmesser: Im Herbst steht die Neuauflage bei den Händlern.

Es sind drei Namen, die sich mit dem jüngsten Comeback der 1862 gegründeten Marke Opel verbinden: Karl-Thomas Neumann, der seit März 2013 amtierende Vorstandschef; Mary Barra, die seit Januar an der GM-Spitze steht; und Opel-Marketingchefin Tina Müller.

Die erste Auslandsreise führte die GM-Chefin nach Deutschland

Der frühere Continental- und VW-Manager Neumann hat für frischen Wind gesorgt, die Mitarbeiter motiviert und GM deutlich gemacht, wie wichtig Opel für den Konzern ist. „Wir wollen Autos bauen, die die Leute haben wollen“, lautet sein Credo, für das er in Detroit mehr Freiheiten einforderte – und freie Hand bekam. „Opel ist wieder da. Opel greift an“, sagt der 54-jährige Hobby-Marathonläufer. Vor allem die Gängelung durch die US-Manager hat Opel schwer geschadet. Ein Indiz: Von 1990 bis Frühjahr 2013 haben sich neun Manager an der Spitze von Opel versucht. Meist US-Amerikaner, die den deutschen und europäischen Automarkt nicht verstanden haben. Einige waren nur wenige Monate im Amt.

Rückendeckung bekommt Neumann von Mary Barra. Die erste Auslandsreise der 53-jährigen GM-Chefin führte sie im Januar zu Opel nach Rüsselsheim. Barra sagte im Adam-Opel-Haus zwar nur wenige Sätze. Aber in nur drei Minuten hatte sie sich mehr Sympathien erworben als die meisten ihrer Vorgänger in vielen Jahren. Sie sorgte zudem dafür, dass der Verkauf von Chevrolet in Deutschland eingestellt wird. Diese wichtigen Signale Barras wurden vor wenigen Tagen mit einer organisatorischen Neuerung untermauert: Aus Rüsselsheim heraus wird ab sofort unter der Führung von Neumann die Opel Group gesteuert. Und damit das gesamte Geschäft von GM in Europa mit den Marken Opel, der britischen Schwestermarke Vauxhall und dem Vertrieb der US-Marken Cadillac und Chevrolet.

Wie die Marketingchefin die Marke wiederbelebt hat

Mit der Werbekampagne „Umparken im Kopf“ hat nicht zuletzt Marketingchefin Tina Müller Anteil am Verkaufserfolg von Opel. Die Managerin, die bis vor einem Jahr noch nie in einem Opel gesessen hatte, kümmerte sich vorher bei Henkel, L’Oreal und Wella um Shampoos und Kosmetika. Weil man ihr bei Henkel den Aufstieg verbaute, wechselte die 46-Jährige nach einem Jahr Pause in den Opel-Vorstand. Dort belebte sie das verstaubte Marketing mit spürbarer Begeisterung und ungewöhnlichen Ideen. Auch die Verpflichtung des Dortmunder Bundesliga-Trainers Jürgen Klopp, der seit gut zwei Jahren für die Marke Werbesprüche klopft, hat sich ausgezahlt. „Der Trend für die Marke zeigt klar nach oben“, sagt Müller.

Nicht wenige Opelaner dürften die Qualitätsprobleme, mit denen sich die Konzernmutter General Motors derzeit herumschlägt, mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Waren Opel-Modelle – bis auf wenige Einzelfälle – doch bislang von den Rückrufaktionen nicht betroffen. Verkäufer André Nikolaizig hofft, dass es dabei bleibt. „Die Rückrufe machen mich nicht nervös“, sagt der Chemnitzer. „Das Hauptproblem liegt in den USA.“ Ähnliches hat man bei Opel schon früher über die Zentrale in Detroit gehört – doch was vor Jahren noch Angst war, klingt heute nach Gelassenheit.

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