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Das Fordwerk in Saarlouis beschäftigt mehr als 5000 Personen. Arbeitnehmervertreter vermissen eine E-Auto-Strategie.

© imago images/Becker&Bredel

Autoindustrie im Wandel: Werkstatt der Zukunft

Beim Autogipfel will die IG Metall die Förderung von „Transformationsclustern“ in der Industrie durchsetzen. Das Saarland soll als Modell dienen.

In der „Transformationswerkstatt Saar“ wird an der Zukunft geschraubt. Jedenfalls theoretisch. Rund 60 000 Arbeitnehmer sind im Saarland vom industriellen Wandel betroffen, davon 10 000 im Stahl und der große Rest in der Autoindustrie. Der Getriebekonzern ZF beschäftigt in Saarbrücken rund 8000 Leute, und bei Ford in Saarlouis sind es 5500. Aber wie lange noch? Wo und was wird in fünf oder zehn Jahren dort produziert? Die IG Metall hat die Transformationswerkstatt eingerichtet, um Antworten darauf zu finden und den Strukturwandel so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. „Wenn wir die Zeitung aufgeschlagen, gibt es eine Hiobsbotschaft nach der anderen“, sagt Werkstattleiter Timo Ahr. „Viele haben Angst vor der Zukunft.“

Was macht Ford in Saarlouis künftig?

Das randständige Saarland hat eine ähnliche Struktur wie die ostdeutsche Industrie: Es gibt Fabriken von Konzernen, die ihren Sitz woanders haben; ZF etwa in Friedrichshafen oder die Ford-Werke in Köln. Administrative Funktionen wie Marketing und Forschung sind beim Headquarter angesiedelt. Wenn Kapazitäten abgebaut werden, dann trifft das zuerst die reinen Fertigungsstandorte. Bei ZF sind die Jobs im Rahmen einer Vereinbarung mit der IG Metall mittelfristig abgesichert. Bei der deutschen Tochter der Ford Motor Company sind viele Fragen offen. In Saarlouis, wo der „Focus“ mit Verbrennungsmotor gebaut wird, stellte der US-Konzern 2019 die Nachtschicht ein. Eine E-Auto-Strategie vermissen die Arbeitnehmervertreter.

Zwei Milliarden Euro stehen bereit

„Kein anderes Bundesland hat so viele Minister in der Regierung wie das Saarland“, sagt Timo Ahr im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, Verteidigung) und Heiko Maas (SPD, Außenminister) können wenig tun für ihre Heimatregion. Anders als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dessen Haus aus dem Konjunkturpaket zwei Milliarden Euro für die Transformation der Autoindustrie ausgeben darf. Das Programm soll die Innovationskraft vor allem der Zulieferer stärken und die Datennutzung und Digitalisierung vorantreiben. Das Wirtschaftsministerium (BMWi) will dazu Investitionen in neue Anlagen und „industrie-4.0-fähige Infrastruktur“ bei kleineren Firmen mit bis zu 20 Prozent fördern. Für Investitionen in den Umweltschutz könnte es sogar eine Förderung von bis zu 60 Prozent für Großunternehmen und bis zu 80 für kleinere Firmen geben. Besonders am Herzen liegt der IG Metall die Qualifizierung der Beschäftigten. Für Beratungen und Schulungen sieht das Eckpunktepapier des BMWi eine Förderquote von 50 Prozent für große und 80 Prozent für kleine Unternehmen vor.

Die Politik forciert den Wandel

Ferner soll die „Transformation der Produkte“ vom Steuerzahler mitfinanziert werden („KI-Anwendungen und neue Antriebe“) sowie die Bildung von so genannten Innovationsclustern in den Regionen. Anfang Januar möchte Altmaier das Programm starten. Die IG Metall hat wie im Saarland vor allem die regionalen Verbände als „Bestandteil einer aktiven und aktivierenden Industriepolitik“ im Blick. Die Gewerkschaft sieht die Politik in der Pflicht, weil der Strukturwandel auch eine Folge politischer Rahmensetzung sei, konkret der CO2-Grenzwerte.

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Die Frage, welche Qualifizierungen Zukunft haben und wie Qualifizierungsmaßnahmen organisiert und finanziert werden, diskutieren Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter im Saarland mit der Politik und der Agentur für Arbeit. „In guten Zeiten hat keiner Zeit für Qualifizierung und in schlechten Zeiten hat keiner Geld“, sagt Timo Ahr. Mit den zwei Milliarden aus dem Konjunkturprogramm ist das anders. Gemeinsam mit der Landesregierung in Saarbrücken entwickelt die Zukunftswerkstatt Saar Projekte, um beim Programmbeginn Anfang 2021 zügig loslegen zu können.

Eigenkapitalhilfen für Zulieferer

Neben sogenannten Transformationsfonds zur Eigenkapitalsicherung wird der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann beim heutigen Autogipfel die Förderung regionaler Transformationscluster ansprechen. Beim letzten Treffen am 8.9. war eine Arbeitsgruppe verabredet worden, die Vorschläge zur Verwendung der zwei Milliarden Euro vorlegt. Wenn es nach der IG Metall geht, werden Projekte nach folgenden Kriterien gefördert: Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte in der Region; das Unternehmen ist auf einem „technologisches Zukunftsfeld“ unterwegs; das Vorhaben soll „zu langfristig treibhausgasneutralem Wirtschaften“ beitragen und schließlich „die regionale Zukunftsfähigkeit“ stärken.

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