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Nach wochenlangen Schließungen wegen der Corona-Pandemie haben in Nordrhein-Westfalen seit Montag Autohäuser wieder ihre Türen geöffnet.

© Henning Kaiser/dpa

Autohäuser wieder offen: Liegt die Zukunft des Autohandels nach Corona im Internet?

Der Verkauf von Neuwagen und Gebrauchten ist wieder erlaubt. Doch die ersten Tage verlaufen schleppend. Manch ein Konzern setzt auf seinen Onlineshop.

Bei Volkswagen klemmt die Tür. Wer am Mittwochmorgen das Autohaus in der Franklinstraße in Berlin-Charlottenburg betreten will, wird zurückgewiesen. Beim zweiten Anlauf klappt es. Nein, mit Corona habe das nichts zu tun, sagt ein freundlicher Techniker. „Die Tür ist defekt – seien Sie uns willkommen!“

Nach mehr als einem Monat Zwangspause empfangen auch die Autohäuser in der Hauptstadt wieder Kunden. Mit einem Ansturm hat man bei Volkswagen nicht gerechnet. „Aber wir sind darauf vorbereitet, dass es mehr wird“, sagt ein Verkaufsberater hinter einem roten Markierungsstreifen am Boden. Der Hof vor dem Autohaus ist leer – „aus Versicherungsgründen“ –, drinnen stehen die Neuwagen dicht an dicht.

Gleich am Eingang steht der neue VW Golf. Eine Probefahrt? „Leider derzeit nicht möglich“, sagt der Verkäufer. Auch könne er das Auto nicht ausführlich erklären, Kundengespräche sollen auf das Nötigste reduziert werden. Desinfektionsmittel und Schutzscheiben fehlen noch, Masken liegen bereit. „Wir wollen unsere Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen schützen“, heißt es. Gefahr ist allerdings nicht im Verzug: Nur drei Kunden verlieren sich zwischen den Fahrzeugen.

Engpässe in den Zulassungsstellen

Gerade hat Volkswagen ein Online-Training für seine Händler gestartet („Jump-Start“), das den Unternehmen den Wiedereinstieg in den Geschäftsalltag erleichtern soll. Empfohlen werden Desinfektions- und Pflegeprodukte, es gibt eine Checkliste für Hygienemaßnahmen, Tipps für virtuelle Fahrzeugpräsentationen und Ideen für den Social-Media- Auftritt.

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VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann ist eifrig bei Twitter und auf anderen Kanälen unterwegs, um auf die Möglichkeiten des kontaktlosen Autoverkaufs hinzuweisen. Auf einen Engpass hat er keinen Einfluss: Selbst wenn die Autobauer Neuwagen verkaufen, können sie häufig nicht zugelassen werden, weil die zuständigen Ämter nicht besetzt sind. Harte Zeiten für die Branche.

Zwei Straßen weiter wird gebaut. Im Glastempel von Mercedes am Berliner Salzufer renoviert Daimler seine Vorzeige-Niederlassung für bessere Zeiten. Die Werkstatt war, wie bei Volkswagen, in den vergangenen Wochen durchgehend geöffnet. In einem Teil des Hauses läuft seit Mittwoch auch wieder der Verkauf.

Mercedes wertet Online-Store auf

Die Presse möchte man am ersten Verkaufstag nach dem Shutdown allerdings erst einmal nicht vorlassen. Nur mit Voranmeldung, sagt die Mitarbeiterin, der Sprecher ist in Kurzarbeit, in fünf Tagen wieder. Auch bei Mercedes ist der Verkaufsraum verwaist. Vor dem Haus hat der Händler ein Dutzend Geländewagen aufgereiht. „Junge Sterne“, wie die Gebrauchten bei Mercedes heißen. Daneben viele E-Klassen und Smarts.

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Um seine Kunden in Deutschland direkter zu erreichen, hat Mercedes seinen 2016 eröffneten Online-Store aufgewertet. Der Nischen-Vertriebskanal soll in Coronazeiten keimfreien Komfort bieten. Seit Neuestem werden Neuwagen, die dort online erworben werden, direkt vor die Haustür geliefert. Im Shop sind aktuell knapp 500 Fahrzeuge gelistet.

Voraussetzung für den kontaktlosen Frei-Haus-Service ist, dass der Kunde nicht weiter als 100 Kilometer vom gewählten Autohaus entfernt wohnt. Zugesichert werden „weitreichende Hygienemaßnahmen“. Mercedes erwartet, dass bis zum Jahr 2025 ein Viertel des weltweiten Pkw- Absatzes gemeinsam mit Vertriebspartnern über Online-Kanäle erzielt wird.

Rufe nach staatlicher Hilfe

Prognosen sind mehr denn je Hoffnungswerte. Noch weiß kein Autohersteller, ob und wann die Nachfrage wieder anspringt oder die Coronakrise die Kunden nachhaltig verunsichert hat. Die Diskussion über zusätzliche Anreizprogramme, Kaufprämien oder steuerliche Erleichterungen hat Fahrt aufgenommen.

Verbandspräsidentin Hildegard Müller will abwarten, wie der Neustart im Vertrieb funktioniert, bevor sie sich festlegt. Erste Wortmeldungen aus der Branche und aus der Politik gehen in diese Richtung. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer schlägt eine befristete Mehrwertsteuersenkung und zur Finanzierung eine ebenfalls befristete Erhöhung der Mineralölsteuer vor. Klar ist: Die Autobauer werden früher oder später nach staatlicher Vertriebshilfe rufen.

Eine Abwrackprämie wie in der Finanzkrise 2008/2009 dürfte nicht konsensfähig sein. Auch die Verbraucher zeigen wenig Interesse daran, wie eine repräsentative Civey-Umfrage für den Tagesspiegel ergab. Drei Viertel der Befragten würden sich kein neues Auto kaufen, wenn es für die Verschrottung des alten eine Prämie gäbe.

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