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Flexibel in die Zukunft. Die Studie „Urbanetic“, die Mercedes auf der CES zeigt, soll sich mit unterschiedlichen Aufbauten an diverse Transportszenarien anpassen können.

© dpa-tmn

Autobauer auf der Technikmesse CES: Das verlängerte Wohnzimmer

Autohersteller stellen auf der Technikmesse CES in Las Vegas Neuheiten und Visionen vor. Im autonomen Auto von morgen ist nichts unmöglich.

Ohrenbetäubende Motorgeräusche vor den Messehallen der weltgrößten Technikmesse CES: Mit durchdrehenden Reifen lässt der Mann die BMW-Maschine kontrolliert im Kreis driften. Nebenan halten lautlos und einstiegsbereit die neusten BMW-Elektroautos der elektrischen i-Reihe vor dem weißen Zelt der Bayern. Konkurrent Mercedes hat auch einen großen Stand in den Messehallen gemietet und gerade den neu aufgelegten CLA enthüllt – eine Weltpremiere.

Dass Mercedes erstmals ein Großserienmodell und keine Studie in Las Vegas präsentiert, zeigt die Bedeutung der CES für die Autobranche. Vor wenigen Jahren standen in Las Vegas vor allem Konzeptfahrzeuge, Vorserienmodelle und digital aufgepimpte Studien. Jetzt gibt es natürlich den fliegenden Shuttle von Bell, der wie eine übergewichtige Drohne aussieht. Und Bosch stellt eine Studie aus, die nur zur Vermarktung der Dienste und technischen Bausteine dient, die die Schwaben Herstellern von Elektroautos anbieten. Aber in der Wüstenstadt gibt es eben auch einen Überblick über den Stand der Digitalisierung und der autonomen Fahrzeugsteuerung und es zeigt sich: Autos sind bald schon die Erweiterung des Wohnzimmers auf der Straße.

Sprache steuert den Mercedes

Das „ultimative Wearable“ nennt Mercedes den geduckten roten Viersitzer CLA und „intelligent“ dazu. Auf Zuruf befolgt der Wagen die Befehle seines Besitzers und das macht so ziemlich jeden Knopfdruck überflüssig. „Hey Mercedes! Dimm mal die Temperatur und reservier' mir einen Tisch bei einem Vier-Sterne Vietnamesen, der kein Sushi führt“ – flugs werden die Befehle ausgeführt. Die Sprachsteuerung „MBUX“ aus der S-Klasse kommt im CLA in erweiterter Form zum Einsatz. Dazu noch Dienste zum teilautomatischen Fahren: Abstand halten, bremsen, überholen, durch Kreisverkehre steuern – das alles kann der CLA selbstständig. Stufe 2 von 5 auf dem Weg zum selbststeuernden Auto.

Fahrunterstützung, Big Data und Digitalisierung und zwar so eingesetzt, dass der Fahrer nichts wissen oder einstudieren muss – das ist der Mehrwert der Digitalisierung für unsere Kunden“, sagt Sajjad Kahn, Vize-Präsident Digitales Auto und Mobilität bei Mercedes. Die Stuttgarter sind vor allem deshalb auf das System „MBUX“ stolz, weil die Software nicht aus Silicon Valley oder China kommt, sondern selbst entwickelt ist. „Aus eigener Kraft“ sei dieses „harmonisierte System“ über alle Plattformen von der A- bis zur S-Klasse „skalierbar“ und werde immer tiefer die Fahrzeuge durchdringen.

Der BMW wird mit Updates frisch gehalten

Ein tiefgreifender Umbruch hat die Branche erfasst: Stromantriebe, Vernetzung und Digitalisierung verwandeln die Auto- in Softwarekonzerne: „Wir arbeiten wie eine Internetfirma permanent an Updates“, sagt Dieter May von BMW, Vizechef „Digitales und Dienste“. Vor 20 Jahren stellten die Bayern das i-Drive vor. Vier Millionen Kunden sind heute auf der aufgebauten Plattform registriert und bewerten die digitalen Dienste in den Fahrzeugen. Verbesserungsvorschläge verteilt BMW per Updates in kurzen Abständen. Eine vor vier Jahren mit Microsoft gestartete Kooperation macht es möglich.

Die Herrschaft über die Daten bleibt im Konzern: „Wer Google ins Auto holt, hat ein trojanisches Pferd“, sagt May. BMW kooperiert zwar auch mit Amazon, aber das beschränkt sich auf die Nutzung der Sprachanwendungen und der damit verbundenen 70 000 Funktionen. Für den wichtigen chinesischen Markt dient eine Kooperation mit Alibaba demselben Ziel. Aber an die Schnittstelle mit dem Kunden lässt BMW niemanden heran. „Und wir handeln selbst nicht mit Daten“, sagt May. Deshalb seien die Informationen über Fahrten und die vielfältigen während der Fahrt genutzten Apps der Kunden im Konzern in sicheren Händen.

Daten von zu Hause oder aus dem Büro mitnehmen

Den Kunden verspricht May einen „nahtlosen“ Übergang des persönlichen digitalen Biotops vom eigenen Wohnsitz oder Büro. Mercedes ebenso. Persönliche Musiksammlungen, E-Mails, die vernetzten Funktionen zu Hause zur Steuerung von Heizung, Rollläden, Licht oder Kühlschrank, das alles kann von unterwegs gesteuert und überwacht werden. Und je mehr das Auto das Fahren übernimmt und autonom steuert, desto mehr soll im Auto auf dem Weg nach Hause oder ins Büro schon erledigt werden können.

„In autonomen Autos haben die Verbraucher freie Zeit, die sie bisher hinter dem Lenkrad verbringen mussten“, sagt Justin Herz von Warner Brothers. Deshalb hat der Film-Konzern zusammen mit dem Chipgiganten Intel einen BMW X5 zum „Multimedia-Projekt“ aufgepimpt und in Vegas ausgestellt. Darin schlägt ein virtueller Chauffeur eine ebenso virtuelle Fahrt durch Las Vegas und die Sichtung eines aktuellen Batman-Comics vor. Ein gewaltiger Bildschirm sowie Donnern und Grollen füllen die Fahrgastkabine, auf der Innenseite der Fenster erscheinen die Häuserschluchten von Gotham City. Als der Wagen in einen Stau steuert, meldet das Smartphone die Verzögerung. Dann fragt der Assistent, ob man sich Kino-Karten für den Abend sichern wolle – im Smartphone habe man schließlich einen Kino-Besuch eingetragen.

Die Recherchereise nach Las Vegas wird unterstützt vom Unternehmen Intel.

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