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Heiße Luft. Die Zukunft von Kraftwerken wie hier in Jänschwalde in der Lausitz beschäftigt das politische Berlin.

© dpa

Ausstieg aus der Braunkohle: Die Klimakanzlerin in ihrer letzten Mission

Angela Merkel hat für Dienstagabend vier Ministerpräsidenten ins Kanzleramt geladen: Sie will mit ihnen über den Ausstieg aus der Braunkohle sprechen.

Die einstige Klimakanzlerin Angela Merkel will in ihrer letzten Amtszeit den Kohleausstieg einfädeln. Und weil der ursprüngliche Plan der Bundesregierung, die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen, Umweltgruppen und Energiewirtschaft sollen es im Rahmen einer „Kohlekommission“ unter sich ausmachen, nicht aufging, wird Merkel nun persönlich tätig. Am Dienstag lädt die CDU-Politikerin die vier Ministerpräsidenten der Kohle-Bundesländer zu einem Abendessen im Kanzleramt ein. Dabei sein werden auch die Chefs der zuständigen Bundesministerien, darunter Finanzen, Wirtschaft und Umwelt. Zudem sitzt der Vorsitzende der Kohlekommission, Bahn-Vorstand Ronald Pofalla (CDU), mit am Tisch.

„Austausch“ nennt die Bundesregierung das Treffen, wohl auch, um die Erwartungen nicht zu hoch zu hängen. Natürlich soll es um konkrete Projekte und Maßnahmen für den Strukturwandel gehen. So etwa fordern die Ministerpräsidenten eine Zusage für ein Planungsbeschleunigungsgesetz bei Bahnlinien, Bundesstraßen oder Autobahnen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte zuletzt den Ausbau von Bahnstrecken in der Lausitz im Bundesverkehrswegeplan wieder nicht berücksichtigt. Das hatte für Verärgerung gesorgt und besonders in Ostdeutschland den Eindruck genährt, dass die Bundesregierung die Sorgen der Menschen um eine Zukunft ohne Kohle nicht ernst nehme. Beim Dinner im Kanzleramt wird zudem Geld ein Thema sein. Die Ministerpräsidenten fordern einen Fonds zur Finanzierung des Strukturwandels. Jedoch ist nicht damit zu rechnen, dass schon am Dienstagabend eine konkrete Summe auf dem Tisch liegt oder sogar ein Kohleabschlussdatum.

Die Ministerpräsidenten verlangen mehr Geld

Dem Termin gehen viele Monate der Empörung von Seiten der Kohle-Bundesländer voraus. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatten im November in einem Brief an Merkel ihrem Unmut über die ersten Ergebnisse der Kohlekommission Luft gemacht. Diese beschäftige sich nur mit Gigawattzahlen, kritisierten sie. Zudem mahnten die Ministerpräsidenten, dass die von der Bundesregierung vorgesehenen 1,5 Milliarden Euro zur Finanzierung des Strukturwandels nicht ausreichen würden.

Das zeigte Wirkung: Die Kohlekommission, die eigentlich schon Ende 2018 ihren Abschlussbericht vorlegen wollte, wurde von Merkel zum Nachsitzen verdonnert. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte kurz darauf in Berlin, man werde für den Strukturwandel „viele weitere Milliarden ausgeben“. Die Ost-Ministerpräsidenten fordern insgesamt 60 Milliarden Euro: 1,5 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 40 Jahren. Die Summe gilt bei Energie- und Strukturwandelkennern durch die Bank weg als überzogen.

Warum Merkel sich jetzt einmischt

Merkels Einladung an die Ministerpräsidenten wird auch dem Umstand geschuldet sein, dass dieses Jahr in Brandenburg und Sachsen neue Landtage gewählt werden. Die Botschaft, Merkel hört zu, wird selbst tätig, soll verhindern, dass die AfD in Ostdeutschland weiteren Zulauf erhält. Daraus allerdings zu schließen, Merkel wird den Ministerpräsidenten nach dem Mund reden, dürfte falsch sein. „Sie wird ihnen sicherlich Zugeständnisse abverlangen“, heißt es aus dem Umfeld der Kohlekommission. Das könnte etwa sein, dass sich Woidke und andere damit versöhnen, dass der Kohleausstieg weit vor 2045 kommt.

Aber nicht nur die Ministerpräsidenten sind unzufrieden. Auch die 28 Mitglieder der Kohlekommission hatten sich zuletzt lautstark über mangelnde Unterstützung der Bundesregierung beklagt. Nach Einsetzung des Gremiums habe sie sich zurückgelehnt und nichts gemacht, kritisierte etwa Stefan Kapferer, Chef des Energiewirtschaftsverbands BDEW. Bei fast allen Sitzungen der Kommission seien Beobachter der zuständigen Bundesminister dabei gewesen, die eifrig Protokoll geführt hätten. Da hätte die Bundesregierung doch eigentlich wissen müssen, was diskutiert wird, und darauf reagieren sollen, ärgerte Kapferer sich. „Dass sie das nicht getan hat, ist der Hauptgrund, dass die Kommission bisher nicht fertig geworden ist.“

Viele Fragen konnte die Kommission bislang nicht klären

13 reguläre Sitzungen hat die Kohlekommission hinter sich. Es gibt viele offene Fragen: Wie viel Gigawatt Braun- und Steinkohle sollen bis 2022 abgeschaltet werden? Soll es schon 2023 mit Stilllegungen weitergehen? Ungeklärt ist ebenfalls, ob Betreiber bei Stilllegungen finanziell entschädigt werden und wenn ja, in welcher Höhe. In ersten Textentwürfen hatte sich die Kommission für Entschädigungen ausgesprochen. Auch eine CO2-Steuer im Verkehr- und Wärmesektor gehört zu ihren Vorschlägen.

Ende Januar ist ein weiteres Treffen der Kohlekommission geplant. Geht es nach den Mitgliedern, soll es das letzte Treffen sein. Dann sollen aus Gigawattzahlen und Strukturhilfen, die in bisherigen Entwürfen mit „XX“-Zeichen markiert waren, endlich konkrete Zahlen werden. Diese sollen aber erst ganz zum Schluss eingefügt werden. Denn in der Kohlekommission befürchten sie, dass einmal veröffentlichte Zahlen sofort von verschiedenen Interessengruppen zerpflückt werden. Ein erfolgreicher Abschussbericht braucht eine Zweidrittelmehrheit in der Kommission. Am Ende aber wird ohnehin die Bundesregierung entscheiden.

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