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Ausbildung: Mehrheit der Azubis ist erschöpft

Viele Berufsanfänger klagen über Überstunden und Leistungsdruck. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert die Betriebe und fordert eine Reform.

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Die Mehrheit der Auszubildenden klagt über zu hohe Anforderungen und schlechte Arbeitsbedingungen. Ist am Ende des Tages erschöpft. Fast 60 Prozent gehen zur Arbeit, selbst wenn sie krank sind. Das sind Ergebnisse des Ausbildungsreports 2016, den der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Donnerstag vorgestellt hat. Weil psychische Belastungen bei Azubis keine Ausnahme sind, waren sie der diesjährige Themenschwerpunkt der Umfrage.

Von den 13600 Befragten sind dennoch 72 Prozent mit ihrer Ausbildung zufrieden. Fast ein Drittel gab an, seinen Wunschberuf auszuüben. 6,4 Prozent bezeichneten ihren Ausbildungsberuf als „Notlösung“. Am besten geht es Azubis in der Industrie und in Banken. Besonders negativ schätzen angehende Lebensmittelverkäufer, Zahnarzthelfer, Köchinnen und Malerinnen ihre Ausbildung ein. Vor allem in diesen Berufen bleiben in jedem Jahr viele Ausbildungsstellen unbesetzt. Verträge werden häufig aufgelöst. Zudem bestätigt der Report den Grundsatz: Je größer der Betrieb, desto höher die Zufriedenheit.

Wer gestresst ist, bricht Lehre eher ab

Als größtes Manko der Ausbildung empfinden Lehrlinge die häufig anfallenden Überstunden: Jeder Dritte der Befragten muss regelmäßig mehr arbeiten als vertraglich vereinbart. Ein Fünftel kreuzte in der Umfrage an, unter hohem Zeit- und Leistungsdruck zu arbeiten. Fast ebenso viele gaben lange Fahrzeiten als ein Problem an. Ständig erreichbar zu sein störte jeden Siebten. Weitere Kritikpunkte waren eine schlechte Pausenregelung, Schichtdienste und Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten. Nur jeder Fünfte hat gar kein Problem damit, sich in der Freizeit zu erholen. Vor allem weiblichen Auszubildenden fällt es schwer, abzuschalten.

Die Stressfaktoren wirken sich laut der Umfrage unmittelbar auf die Gesundheit der Auszubildenden aus. Von denen, die sich nicht überfordert fühlen, gaben nur 13,8 Prozent an, oft schwach und anfällig für Krankheiten zu sein. Unter den Auszubildenden mit einer gefühlt hohen Belastung waren es 34,4 Prozent. Von ihnen denkt mehr als ein Drittel häufig über einen Ausbildungsabbruch nach. Das sind fast dreimal so viele wie in der Gruppe der Auszubildenden, die sich nicht so gestresst fühlen.

Der DGB fordert eine Gesetzesreform

Zur inhaltlichen Qualität der Ausbildung heißt es in dem Report, das einem Drittel der Lehrlinge kein betrieblicher Ausbildungsplan vorliegt, mit dem die Lerninhalte überprüft werden können. Jeder Zehnte übt demnach regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten aus. Bei 13,4 Prozent findet eine fachliche Anleitung durch den Ausbilder überhaupt nicht oder nur selten statt.

Der DGB forderte schärfere gesetzliche Vorgaben. „Der Gesetzgeber kann nicht mehr zusehen, wie die duale Ausbildung vor die Wand fährt“, sagte Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller. Wenn die Betriebe es nicht hinbekämen, die duale Ausbildung zu verbessern, solle die Politik handeln. „Um die Ausbildungsqualität in allen Branchen zu steigern, muss das Berufsbildungsgesetz novelliert werden.“ In das Gesetz gehöre ein rechtlicher Anspruch auf einen betrieblichen Ausbildungsplan und eindeutige Vorschriften, um Überstunden zu vermeiden. Das Bildungsministerium sehe hier scheinbar noch keinen Handlungsbedarf. Haggenmiller nannte es „ein Armutszeugnis“, dass Stress für sehr viele junge Menschen schon am Anfang ihres Arbeitslebens Normalität sei.

Die von der Wirtschaft für 2015 zugesagten 20000 zusätzlichen Ausbildungsplätze seien mit nur 7300 nicht erreicht worden. Die Betriebe müssten deutlich mehr Engagement zeigen, sagte Vize-DGB-Chefin Elke Hannack. Nur noch jedes fünfte Unternehmen in Deutschland bildet aus. Ein Drittel kann seine Lehrstellen nicht besetzen. Wer über freie Ausbildungsplätze klage, müsse gute Arbeit mit vernünftiger Bezahlung und Perspektiven bieten.

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