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Protest in Berlin. Beschäftigte des Zug-Herstellers Bombardier demonstrieren am Donnerstag gegen den drohenden Stellenabbau.

© Sophia Kembowski/dpa

Update

Aufsichtsrat berät Konzernumbau: Bombardier-Beschäftigte protestieren in Berlin

Der Aufsichtsrat des Zug-Herstellers beschäftigt sich in Berlin mit dem Konzernumbau. Die Beschäftigten gehen auf die Straße, sie fürchten um ihre Jobs - viele davon in der Hauptstadtregion

Die Geduld der Bombardier-Mitarbeiter wird strapaziert. Bundesweit warten seit Monaten 8500 Mitarbeiter des Schienenfahrzeugherstellers – mehr als 3000 davon in der Region Berlin – auf eine präzise Aussage des Managements über ihre Zukunft an den insgesamt sieben Standorten hierzulande. Auch an diesem Donnerstag gab es nicht viel mehr Klarheit, nachdem der Aufsichtsrat von Bombardier Transportation in der Konzernzentrale am Schöneberger Ufer in Berlin getagt hatte. Anlässlich der Aufsichtsratssitzung hatte die IG Metall die Beschäftigten zu einem Protest aufgerufen. Rund 1000 Teilnehmer demonstrierten vor der Bombardier-Zentrale.

„Zu Mittätern des geplanten Deindustrialisierungs- und Massenentlassungsprogramms der Geschäftsführung werden wir uns nicht machen lassen“, rief der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Wobst den Demonstranten zu. Sinnvollen Lösungen verschließe man sich aber nicht. Der IG Metall-Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen, das Aufsichtsratsmitglied Olivier Höbel, warf der Geschäftsführung vor, keine klaren Informationen zu liefern. „Seit einem Jahr geht dieses schändliche Spiel der Verunsicherung.“ Auf Transparenten warnten Beschäftigte: „Kein Fördergeld für Stellenabbau“ und „Bremst uns nicht aus“.

5000 Jobs sollen bis Ende 2018 abgebaut werden

Von Berlin aus wird die Zugsparte des kanadischen Flugzeug- und Bahnkonzerns mit weltweit fast 40 000 Beschäftigten gesteuert. Bei der laufenden Umstrukturierung sollen bis Ende 2018 5000 Arbeitsplätze wegfallen. Bis zum Sommer will die Geschäftsführung die Gespräche mit Betriebsrat und IG Metall beendet haben und eine endgültige Entscheidung über Struktur und Arbeitsplätze treffen. Der Konzern hat dazu eine Beratungsfirma beauftragt, die am Donnerstag dem Aufsichtsrat einen Zwischenbericht gab. Aufsichtsratschef Wolfgang Tölsner sagte nach der Sitzung: "Ein ,Weiter soʻ darf es angesichts deutlich verschärfter Wettbewerbsbedingungen nicht geben. Der vorliegende Statusbericht des unabhängigen Beraters und seine vorgeschlagene weitere Vorgehensweise bestätigen dieses und sind zielführend.“ Details nannte er nicht.

Die IG Metall wiederum hat selbst einen Berater engagiert, der Alternativvorschläge entwickelt, um so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. „Ist man bereit, mit uns über das ,Ob‘ zur reden oder nur über das ,Wie‘ ?“, sagte Gesamtbetriebsratschef Wobst. Tölsner zufolge ist das Ziel die "langfristige Sicherung der Entwicklung und Produktion von Bahntechnik sowie des Service-Geschäfts am Standort Deutschland und daraus resultierende nachhaltige Beschäftigung". Damit dies gelinge, müsse das Unternehmen "systematisch und strukturell zukunftsfest ausgerichtet werden". Die Spezialisierung der Standorte in Kompetenzzentren für Entwicklung, Prototyping, Produktion und Service sowie gezielte Investitionen seien "der Schlüssel zum Erfolg".

Der Konzern setzt auf "konstruktive Gespräche"

Konkrete Beschlüsse gab es auf der turnusgemäßen Aufsichtsratssitzung. Die Gespräche mit den Belegschaften würden „konstruktiv“ fortgesetzt, man sei „optimistisch“, dass man die Vorstellungen von Geschäftsführung und Beschäftigten „auf einen gemeinsamen Nenner“ bringen könne, hatte ein Sprecher vor der Sitzung gesagt. Der Betriebsrat des Standorts Hennigsdorf bei Berlin mit 2400 Beschäftigten ist vorsichtig: „Es gibt eine Menge Hoffnung“, sagt Betriebsratschef Heiko Engelmann. „Aber die Materie ist komplex.“

Auf drei sogenannten Dialog-Treffen mit Unternehmensvertretern habe man bislang nur einseitig Informationen über die Pläne des Managements erhalten. Danach soll das Werk in ein Kompetenzzentrum für die Entwicklung von S- und U-Bahnen sowie Regional- und Fernzüge ausgebaut werden. Bis 2019/20 soll die Serienfertigung auslaufen und an den sächsischen Standort nach Bautzen verlagert werden, wo derzeit rund 1200 Personen für Bombardier tätig sind. Dagegen wehren sich die Arbeitnehmervertreter unter anderem mit dem Argument der Auslastung: Die Kapazitäten in Henningsdorf seien bis 2019 komplett ausgelastet.

Bis zu 800 Jobs sind in Hennigsdorf in Gefahr

Wenn die Pläne dennoch umgesetzt würden, verbliebe in Hennigsdorf nur die Prototypen- und Vorserienproduktion, bis zu 800 Jobs könnten in der Serienfertigung gestrichen werden. Neben Berlin wäre der Standort Görlitz mit derzeit noch rund 1500 Beschäftigten am stärksten vom Konzernumbau betroffen.

„Es ist offen, wie viele Kollegen aus der Fertigung in anderen Bereichen in Hennigsdorf gehalten werden können“, sagt Betriebsrat Engelmann. Schon vor einem Jahr hatte Bombardier den Abbau von 270 Arbeitsplätzen in Hennigsdorf angekündigt. Derzeit arbeiten dort neben den 800 Beschäftigten in der Fertigung weitere rund 900 in der Ingenieursabteilung (Engineering) und etwa 100 im Service. Der Rest verteilt sich auf Einkauf, Controlling, Projektleitung und andere übergeordnete Managementfunktionen für den Konzern. Vor allem letzterer Bereich soll wachsen. Etwa 100 Mitarbeiter ziehen aus der Zentrale am Schöneberger Ufer, wo rund 700 Beschäftigte arbeiten, nach Hennigsdorf um.

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