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Herbert Diess ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG.

© dpa/Carsten Koall

Auch ein Wettbewerb der Werte ist notwendig: VW-Chef Diess steuert bei China einen riskanten Kurs

Für das China-Geschäft riskiert Diess viel: Nicht nur seinen Job, sondern auch wirtschaftliche Abhängigkeit. Für den Westen kann das fatal enden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Herbert Diess und China - das ist ein besonderes Kapitel. Der Volkswagen-Chef hat im „Spiegel“ jetzt noch einmal dargelegt, wie wichtig das Geschäft im und mit dem Reich der Mitte ist, wichtig für ihn, VW, Deutschland. Nicht gerade eine kleine Münze.

Recht hat er in zweierlei Hinsicht: Ohne den Mega-Markt China wäre hierzulande vieles nichts, und die Inflation wäre auch noch höher. Aber: Blaue Augen kann man haben und sich auch noch holen. China ist in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich.

Dass die Elite in Peking das Land weiter wirtschaftlich öffnet – ja, was heißt das? Doch nur wirtschaftlich etwas. Der Rechtsstaatsdialog hat bisher keinen nennenswerten Ertrag gebracht, jedenfalls nicht im Hinblick auf Menschenrechte.

Kann schon sein, dass im chinesischen VW-Werk 30 religiöse Minderheiten arbeiten und Gebetszeiten beachtet werden. Das gehört sich auch so. Mehr als eine Million zumeist muslimische Uiguren werden um die Ecke trotzdem in „Umerziehungslagern“ drangsaliert.

Und dass China weltweit die meisten Menschen hinrichtet, zeigt doch ein weiteres Mal, dass das Konzept „Wandel durch Handel“ auch in diesem Fall nicht funktioniert.

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Ja, schon recht: Diess meint, man könne den Chinesen - genauer: der Nomenklatura - alles sagen. Bloß hört die offenkundig nicht zu. Die Lage wird einfach nicht besser, nicht nach westlichen Wertemaßstäben. So gut es im Kopieren sonst ist, diese Werte wird China sich nicht aneignen. Anschauen schon, aber darauf hin, ob sie eine Gefahr für die eigene Macht sind.

Das sind sie: In dem Riesenreich mit weit mehr als einer Milliarde Menschen, stetig wachsend, sind rund 96 Millionen Parteimitglieder. So viel, wie es klingt, ist das also gar nicht. Aber die Partei wird gerade darum kein Jota Einfluss abgeben. Da kann der VW-Chef Verständnis haben, wie er will.

Wie Russland wird China eine Herausforderung

Ohnedies wird dem Westen nicht viel zugetraut. Das chinesische Selbstverständnis ist ein anderes: die führende Nation der Welt zu sein, nur noch nicht wieder auf dem angestammten Platz. Daran arbeitet der nette Herr Xi, Xi Jinping, der sogar Mao an Willen zur Macht übertrifft.

[Lesen Sie zudem ein Interview mit Wolfgang Ischinger: „Der Westen hat im Ringen mit Russland und China keine guten Karten“ (T+)]

Wie gut, dass die G7 mit Blick auf Pekings Aktivitäten 600 Milliarden Dollar für Infrastruktur in Entwicklungsländern bereitstellen wollen. Das zeigt: Sie haben verstanden. Der Wettbewerb muss mit China geführt werden, aber nicht nur in einer Hinsicht. Wie Russland wird China eine Herausforderung. Das Projekt Seidenstraße zeigt auf seine Weise ja auch imperialen Anspruch.

Die Notwendigkeit der Selbstvergewisserung steigt vor diesem Hintergrund, dazu die der Abgrenzung – und der Bemühungen, Abhängigkeiten zu verringern.

Augen auf, sonst gibt es auch wirtschaftlich schwere Blessuren. Bei VW, in Deutschland. Der unverstellte Blick auf China kann, ins oberste Regal gegriffen, für die freiheitlichen Werten verpflichteten Nationen eine Überlebensfrage werden.

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